Barbaren
Ich kann nicht schlafen.
Immer, wenn ich die Augen schließe, sehe ich alles wieder vor mir
in jeder noch so peinigenden Einzelheit und voll schmerzlicher Klarheit:
ich stolpere und blicke zu dir auf und für einen einzigen, wahnwitzigen
Augenblick kann ich mein Spiegelbild in deinen Augen sehen, die Fassungslosigkeit,
die du empfindest. Und vielleicht, nur vielleicht, hast du in diesem Moment
erkannt, wie ich wirklich bin. Nach all den Jahren, in denen du an mir
und meiner Treue zu dir nicht zweifeln brauchtest, nach all den Jahren
hast du mich gesehen. Mich und nicht den Strategen, nicht das Monster,
nicht das, was jeder irgendwie für sich in mir sieht, sondern einfach
nur mich. Methos. Ich bin kein Kämpfer, kein Schlächter, weder
mutig noch feige. Alles, was ich will, ist Überleben. Egal zu welchem
Preis!
Hatte ich geglaubt, dein Tod würde mich von diesem albtraumhaften Druck, der auf meiner Seele lastete, befreien, so habe ich mich getäuscht. Ich fühle mich nicht befreit. Ich fühle... Schmerz. Tiefen, zehrenden Schmerz, der mich am Atmen hindert und sich quälend in jeden Gedanken bohrt. Kann es sein, daß ich wirklich und wahrhaftig um dich trauere? Um dich, um Silas und vielleicht sogar um Caspian? Um das, was uns einmal verbunden hat? Oder nur um etwas, das unendlich viele Jahre zu mir und meinem Leben gehört hat, selbst wenn ich es verleugnete? Ich habe versucht zu vergessen, zu verdrängen, aber irgendwie ist es immer noch in mir, ganz tief innen drin. Mit dir, es war... Nein. Es ist vorbei. Ich wollte es so und muß es nun akzeptieren. Aber da gibt es noch etwas, das ich erledigen muß. Ein letzter "Liebesdienst" für dich, Bruder. Ich bin es dir schuldig. Vielleicht bin ich es mir selber schuldig, wer weiß.....
Die dunkelhaarige junge Frau saß auf dem weitläufigen Rasen und spielte mit einem Kleinkind, dessen helles, quietschendes Lachen bis in das Haus zu hören war. Wenn man das weiße Gebäude so betrachtete, mußte man sich in eine längst vergangene Zeit zurückversetzt fühlen: ein richtig altmodisches Herrenhaus mit einem riesigen Park, der sich dahinter erstreckte, gepflegte Rasenflächen und Blumenbeete, ein paar Statuen, die hier und da standen, Büsche und Bäume - und Kinder, die fröhlich herumtobten. Hier gab es niemanden, der Verbote aussprach, der andauernd hinter ihnen her trabte und ihnen sagte, was sie alles nicht tun durften und wie vorsichtig sie sein mußten. Hier gab es nur die Hausherrin und ein paar viel zu junge Mütter, die hier ein neues Zuhause gefunden hatten und die ihre Kinder mit allen Freiheiten aufwachsen lassen konnten, die sie nie gehabt hatten. Morregan hatte dieses Haus vor vielen Jahren einmal aus eigennützigen Gründen aus der Taufe gehoben: das Gebäude war viel zu groß für eine Person, selbst wenn sie noch so sehr die Einsamkeit bevorzugte, und sie liebte Kinder. Zudem gab es genug junge Mädchen, die plötzlich mit der Last eines - vielleicht sogar ungewollten - Kindes dastanden und nicht wußten, wohin. Für diese Mädchen war Morregans Besitz zum Paradies auf Erden geworden, das sie für nichts in der Welt eingetauscht hätten, zumal die ewig junge Frau ihnen Gelegenheit bot, etwas aus sich zu machen: einen Beruf zu lernen, zu studieren oder sich sonstwie zu entwickeln, um ihr Leben in die eigene Hand zu nehmen. "Hilfe zur Selbsthilfe" nannte die Unsterbliche das dann augenzwinkernd.
Mitten im Spiel hob Morregan den Kopf. Ein anderer Unsterblicher! Auf ihrem Besitz? Mann, der mußte ja Nerven haben!? Ein ungeduldiges Gurgeln von dem Baby vor ihr ließ ihre Konzentration wieder erwachen. "Bin ja wieder für dich da, Schätzchen, kein Grund, sich zu ärgern." lachte sie und spielte weiter mit dem Kleinen, der einen Heidenspaß daran hatte, wie Morregan ihn liebevoll neckte. "Morregan?" Die Frau sah Denise fragend an, die langsam über den Rasen kam und sie ansprach. Denise war für Morregan wie eine eigene Tochter. Sie hatte sie schon als kleines Kind gekannt und nach dem Tod ihrer Eltern bei sich aufgenommen. Denise kannte ihr Geheimnis, über das sie Stillschweigen bewahrte, und hatte sich in einem gewissen Rahmen zu einer Vertrauten entwickelt. "Da ist ein Mann, der dich sprechen will. Er sagt, es sei wichtig." Die Unsterbliche erhob sich ohne Eile. "Nimmst du Lucas mal gerade? Bin gleich wieder da." Langsam schlenderte Morregan über das weiche Grün zu den weitläufigen Terrassen hin, über die sie ins Haus gelangen könnte. Als sie die paar Stufen erklommen hatte, blickte sie direkt auf den Rücken eines schlanken Mannes, der zum kleinen See hinüber starrte, den man von seiner Position aus sehr gut sehen konnte. Als er ihre Anwesenheit spürte, drehte er sich um und Morregans Augen verengten sich verständnislos. Ihre Lippen formten seinen Namen, fragend, irritiert, da deutete Methos mit einem stummen Blick auf ein Stoffbündel, das er auf einen Tisch gelegt hatte. Ein schaler Geschmack legte sich auf Morregans Zunge, als sie nun Schritt für Schritt auf den Tisch zu machte und die Hand ausstreckte. Ein dicker Klumpen bildete sich in ihrem Magen, und obwohl sie genau wußte, was sich in diesem Tuch befand, hoffte sie, unrecht zu haben. Zögernd schlug sie die Stoffbahnen beiseite. Da lag es: ein langes Breitschwert, dessen Metall noch immer glänzte, obwohl es schon so alt war. Die Griffenden waren wie gespreizte Flügel nach oben geschwungen und zum Griff hin hatte die Klinge am Ende der Blutrille eine tödliche Schikane mit genügend Platz, einer Hand zum besseren Führen dazwischen zu quetschen. Ungläubig berührte Morregan das Schwert mit den Fingerspitzen. Das Schwert der Götter! Sie schluckte trocken. In ihr schrie alles auf, daß es nicht wahr war, aber ihr Verstand ließ sich nicht belügen. Er war tot! Kronos war tot! Wortlos nahm sie das Schwert an sich und ging ins Haus hinein. Hilflos sah Methos ihr nach. Was hätte er ihr auch sagen können?
Mit Wucht rammte Morregan das Schwert in den harten Boden, ehe sie davor auf die Knie sank, beide Hände auf die Griffe gelegt, und ihre Stirn an das kalte Metall der Klinge lehnte. Heftig hob und senkte sich ihre Brust. Für das, was sie empfand, fand sie keine Worte. Unfähig den Schmerz auszudrücken, der in ihr tobte, hatte sie getan, was sie immer tat: schweigen. Sie hatte sich stumm mit dem Schwert in ihre Räume zurückgezogen, hatte es angestarrt, ja beinah hypnotisiert, als könnte sie so rückgängig machen, was sie innerlich zerriß. Sie hatte versucht, ihr Herz zu Stein werden zu lassen, aber dafür war das, was sie für Kronos gefühlt hatte, zu tief gewesen. Dieses Schwert war das letzte, was ihr von ihrem Schüler geblieben war. Einst hatte sie es ihm anfertigen lassen und geschenkt, um seine treuen Dienste ihr gegenüber zu würdigen und damit er es in ihrem Sinne benutzte. - Er hatte sie nicht enttäuscht. Nur jetzt, in diesem Moment, empfand sie Bitterkeit; Wut darüber, daß er sie jetzt enttäuschte und sich einfach so den Kopf nehmen ließ. Von wem? Von einem dahergelaufenen Unsterblichen, der gar nicht ermessen konnte, was dieses eine Leben bedeutete. Die schwarzhaarige Frau sah auf und in ihren grünen Augen leuchtete ein unheimliches Feuer. Er würde es erkennen! - Wenn sie ihm den Kopf nahm. Nicht aus Rache, nein!, sondern weil er sie so unwürdig leiden ließ mit seiner Tat. Schlanke Finger umfaßten die Klinge und langsam glitten sie an der messerscharfen Schneide herunter. Blut rann das Metall herab und versickerte im Boden, die Klinge schnitt mühelos durch Haut, Sehnen und Muskeln bis auf den Knochen, und der Schmerz war heilsam: ein unterdrücktes Schluchzen war Morregans Reaktion darauf, ein Zucken ihrer Schultern, ehe sie der Trauer nachgab und um die verlorene Seele weinte. Szenen längst vergangener Zeiten stiegen vor ihrem geistigen Auge auf: ein junger, namenloser Unsterblicher, dessen außergewöhnliches Wesen einen der gefürchtetsten Kriegsherren aufmerksam machte, so daß Morregan Kronos bei sich aufnahm. Einer, der es mühelos geschafft hatte und vom Sklaven zum Schüler und letztlich zum gleichberechtigten Partner - in jeder Beziehung - aufstieg. Es hatte wehgetan, ihn ziehen zu lassen, aber nichtsdestotrotz hatte es sein müssen; es war sein eigener, freier Wille gewesen und ihr hatte es ferngestanden, ihn davon abzubringen, denn das hatte sie ihn gelehrt: sich selber treu zu sein. Über all die Jahre hinweg waren sie sich ab und zu begegnet und ihre Beziehung hatte nie diese geheimnisvolle Anziehungskraft verloren, die sie verband. Es hatte Zeiten gegeben, in denen dieses Band das einzige gewesen war, das Halt bot. - Bis heute. Bis sie erfahren hatte, daß er tot war. Morregan fühlte sich, als müßte sie innerlich zerspringen: der Druck in ihr schwoll immer mehr an, schaukelte sich hoch und je mehr sie um Kronos weinte, desto schlimmer wurde es. Wie lange war es her, daß sie diese Verzweiflung, diesen alles vernichtenden Schmerz gefühlt hatte, bei dem sie glaubte, er würde sie umbringen? Ihr schien es, als würde eine Faust ihre inneren Organe zusammenpressen und ihr die Luft zum Atmen rauben, trotzdem krampften sich ihre Finger um die Klinge, wie um sich mit diesem Schmerz selbst zu geißeln. Dann warf sie den Kopf in den Nacken und heulte ein herzzerreißendes "NEIN! NEEEIIIINN!!!" in den Nachthimmel....
Methos schlang die Arme um seinen Leib, als er diesen verzweifelten Schrei hörte. Er stand im Dunkeln am Fenster seines Gästezimmers und hatte Morregan beobachtet. Er hatte von ihr eine Totenklage erwartet, stumme Trauer, einen Wutausbruch, aber nicht diese Verzweiflung, welche die Nachricht von Kronos' Tod bei ihr auslöste. Er erinnerte sich an Morregan als eine stets wortkarge Frau, bei der es an ein Wunder grenzte, entlockte man ihr mal eine Gefühlsregung, und er konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern, einmal gehört zu haben, daß die Göttin geweint hatte. Morregan hatte zu ihren besten Zeiten ganze Volksstämme ausgelöscht, hatte Menschen gefoltert und getötet ohne mit der Wimper zu zucken, war mit ihrem Heer wie eine Welle der Vernichtung über die Länder dieser Welt hereingebrochen, - und jetzt weinte sie um einen Mann.
Gott, ich wollte, ich könnte dir helfen! Methos fühlte sich müde, als er seine Stirn an der Fensterscheibe kühlte. Er wünschte sich plötzlich, er könnte die vergangenen Tage und Wochen rückgängig machen, könnte zu Leben erwecken, was für immer gegangen war. - Durch seine Schuld! Vielleicht hätte es einen anderen Weg gegeben? Vielleicht hätte er es anders angehen müssen? Hinter seinen Schläfen machte sich ein schmerzhaftes Pochen breit und mit einer matten Bewegung wandte Methos sich vom Anblick der trauernden Morregan ab, legte sich aufs Bett und starrte an die Zimmerdecke, bis er vor Erschöpfung einschlief....
Ich habe erwartet, daß sie mich tötet. Vielleicht.... ja, vielleicht ist das sogar der Grund, weswegen ich hier bin? Vielleicht habe ich ja gehofft, daß sie....?... Ich habe es nie verstanden: du und sie. Ich habe immer gedacht, Lehrer-Schüler, so ein bißchen Anziehung; aber ich bin niemals darauf gekommen, daß es wirklich Liebe war. Richtige, echte, tiefe Liebe, wie ich sie noch nie irgendwo gesehen habe. Geschweige denn erlebt. Du kannst dir nicht vorstellen, wie ich mich fühle! Du glaubst gar nicht, wie oft ich meine Seele dafür verkauft hätte, könnte ich die Zeit zurückdrehen und alles in meinem Leben anders machen. Oh ja, ich sehe dich vor mir: du siehst mich mit einem kleinen Lächeln an, hast die Augenbraue sarkastisch gehoben und scheinst mich zu fragen: 'Wirklich alles?'. Und ich würde überlegen und müßte dir dann antworten: 'Nein, nicht alles.' Obwohl ich älter war als du, hast du mir viel beibringen können. Erst durch dich wurde ich lebendig. - Wurde ich frei! Bis ich irgendwann anfing, mich von dir eingeengt zu fühlen und den immer drängenderen Wunsch verspürte, mich auch von dir zu befreien. Jetzt bist du tot. Und ich fühle mich immer noch gefangen. Ist es, weil ich den Eindruck habe, du seist immer noch hier, bei mir? Oder warst du gar nicht die Gefahr, die ich zu sehen glaubte, sondern nur da, um mich zu retten? - Vor wem auch immer....
Morregan stand an der steinernen Brüstung der Terrasse, lehnte sich bequem darauf und beobachtete Methos, der in einigem Abstand auf dem Rücken im Gras lag und in den Himmel starrte. Seit seiner Ankunft hatte er nichts anderes getan, kaum gesprochen und die Einsamkeit gesucht. - Sehr zum Bedauern von Denise, die den fremden Mann sehr interessant fand. Jetzt gesellte sie sich zu der Unsterblichen und sah ebenfalls zu dem armen Kerl, hinter dessen Schweigen sie eine tragische Liebesgeschichte vermutete. "Was hat er, Morregan?" fragte sie mitfühlend. Die Angesprochene lächelte schmal. "Er hat die einzige Familie zerstört, die er jemals gehabt hat. Was glaubst du wohl, was er hat? Er trauert." Forschend betrachtete Denise die um so viel ältere Freundin von der Seite. "Und du? Wie geht es dir?" Als sie keine Antwort erhielt, fuhr sie vorsichtiger fort: "Ich habe dich gestern abend... gehört, wie du das Haus verlassen hast. Ich mache mir Sorgen um dich, nur deshalb frage ich, wie es dir geht." "Gut. Hast du den Tisch gedeckt?" "Noch nicht, ich dachte,..." "Dann wird es Zeit! Die Kurzen kommen gleich nach Hause." Denise wirkte wie ein kleines gescholtenes Kind bei diesen Worten, aber nach einem weiteren Blick ging sie doch, während Morregan sich in Bewegung setzte und zu Methos hinüber schlenderte. Schweigend stand sie eine ganze Zeit lang hinter ihm, ohne ihn anzusprechen, bis er endlich seinen Walkman aus machte und den Kopfhörer abnahm. "Ich habe ihn auf dem Gewissen!" "Ich weiß." "Woher...?..." Morregan hockte sich neben ihn ins Gras und schlang ihre Arme um die angewinkelten Knie. "Das war nicht schwer zu erraten: Kronos ist zu clever, um sich überrumpeln zu lassen. Dazu braucht es schon einen Experten. - Einen wie dich." "Ich wollte, ich könnte mich über dieses Kompliment freuen, aber ich habe nicht vergessen, was du mir gesagt hast. Damals." "Hast du ihn getötet?" "Nein. Aber ich hätte es verhindern können. Ich hätte vieles anders machen können, hätte..." "Mit 'hätte' kommst du aber nicht weiter!" unterbrach Morregan ihn scharf. "Du hast ihn betrogen, Methos! Du hast die einzige Familie getötet, die du jemals hattest! Was erwartest du nun von mir? Daß ich Verständnis aufbringe? Ich bitte dich! Daß ich dir vergebe? Das kann ich nicht. Niemals! Daß ich dir sage, ich würde deine Beweggründe verstehen? Vielleicht tu ich das, aber gerade von dir hätte ich etwas mehr erwartet! Hast du etwa soviel Angst vor Kronos gehabt, daß du die Drecksarbeit einem anderen zuschusterst!?" "Kronos war.... ein Verführer. Ich hätte niemals gegen ihn bestehen können. Er war viel zu stark für mich!" "Ooooh, armer Methos!" Morregans Stimme triefte nur so vor Hohn. "Ich sehe, du bist das arme, bedauernswerte Opfer und ich gebe zu, ich tat dir Unrecht, dich so anzugreifen. Sicher, Kronos war stark, stärker als viele, die ich kennengelernt habe. Aber hast nicht du ihn dazu gebracht, mit dir zu gehen, weil du einen Spielgefährten für deine spätpubertierenden Gemütsschwankungen suchtest? Nein? Nun, dann leide ich wohl an Gedächtnisschwund." Methos fühlte sich alles andere als wohl in seiner Haut, als Morregan ihm den Kopf zurecht rückte. Ihm wurde bewußt, daß er sich viel zu lange damit über Wasser gehalten hatte, sich auf sein verletzlich wirkendes Äußeres zu verlassen, in der - berechtigten - Hoffnung, die Schuld - egal woran - würde einem anderen zugeschoben werden. Fast zweitausend Jahre lang hatte es funktioniert, aber ausgerechnet bei Morregan mußte er es ausprobieren! Er hätte wissen müssen, daß sie ihn durchschaute. Sie kannte ihn, schon viel zu lange, und sie wußte, wie es hinter seiner Maske aussah. Eine Erkenntnis, die ihm überhaupt nicht schmeckte. Wieso glaubte er jetzt, sich verteidigen zu müssen? "Ich hatte doch keinen Einfluß darauf! MacLeod hatte mit Kronos noch eine alte Rechnung offen... oder umgekehrt... und..." "MacLeod!? Der Jüngere?" Ach, wie gerne hätte Methos sich die Zunge abgebissen! Egal, jetzt war es zu spät. Jetzt galt es erst einmal, die eigene Haut zu retten, denn wie ein Damoklesschwert schwebte über seinem Kopf immer noch eine uralte Drohung der Frau, die neben ihm saß.
Kronos ging, um sein Pferd zu satteln, und Morregan sah ihm mit undurchdringlicher Miene nach. Methos schob seine Armschoner etwas nach oben, während er wartete. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätten sie noch ein wenig hier verweilt, aber Morregan hatte ihnen unmißverständlich klargemacht, daß sie noch heute zu verschwinden hatten, sollte Kronos es ernst meinen und ihr Heer verlassen, um eigene Wege zu gehen. Schade eigentlich! "Schadest du ihm, töte ich dich!" Überrascht sah Methos auf. Einen solchen Satz hatte er von der unsterblichen Kriegsherrin nicht erwartet, am allerwenigsten im Zusammenhang mit Kronos, aber die Schärfe und die Endgültigkeit, mit der sie es sagte, zeigte Wirkung. Diese Warnung ätzte sich tief in sein Gedächtnis ein, auf daß er sie nie vergessen möge....
"Wie kommst du ausgerechnet auf den jüngeren?" versuchte er noch einen halbherzigen Ausweg, worauf die junge Frau grinste. "Connor ist einmal auf Kronos getroffen und sie haben sich stillschweigend geeinigt, sich künftig aus dem Weg zu gehen. Der jüngere soll ja ein richtiges Herzchen sein, stimmt das?" "Pfadfinder würde es eher treffen", nuschelte Methos undeutlich. "Du kennst ihn ziemlich gut, wie?" Neugierig blinkten die grünen Augen wie Smaragde auf, als sie in die Sonne sah. Methos' Schweigen war ihr Antwort genug, sie legte ihr Kinn noch einen Augenblick auf ihren Knien ab, als müßte sie einen Moment darüber nachdenken, dann erhob sie sich geschmeidig und ging ins Haus. Mit einem unguten Gefühl ließ Methos sie gehen.
Mit einem leisen Klappen schloß Morregan die Tür zu ihrem Kleiderschrank und verschloß ihn sorgfältig. Auf dem Bett stand, fertig gepackt, eine mittelgroße Reisetasche, darauf eine schwarze, kurzgeschnittene Lederjacke, in deren Innentasche Flugtickets, Papiere und Portemonnaie steckten. Denise schloß fast lautlos die Tür hinter sich, nachdem sie eingetreten war; sie lehnte sich gegen den Türrahmen und beobachtete die Unsterbliche mit vor der Brust verschränkten Armen. "Wirst du wiederkommen?" fragte sie. Morregan fuhr sich mit beiden Händen durch das lange Haar, ein rascher Blick in den Spiegel bestand die Überprüfung ihres äußeren Erscheinungsbildes zur vollsten Zufriedenheit. "Ich weiß nicht", antwortete sie ehrlich. "Aber für dich und die anderen ist alles geregelt, das Haus steht euch auch weiterhin zur Verfügung, ebenso wie die Geldmittel." "Du hast ihn wirklich geliebt, nicht wahr?" Morregan hielt inne, überlegte, ehe sie zögernd erwiderte: "Geliebt?... Vielleicht... Ich weiß nicht, kann sein.... Paß auf dich auf, ja!" Einen Moment lang standen die beiden jungen Frauen sich unschlüssig gegenüber, dann umarmten sie sich herzlich, ehe Morregan sich losriß und eilig das Haus verließ. Ein paar Sekunden später startete der Motor des kleinen Sportwagens, und sie brauste dann die lange Auffahrt hinunter.... Im Rückspiegel konnte sie gerade noch Methos erkennen, der an einem der Fenster stand und ihr nachsah. Dann machte der Weg eine kleine Kurve und das Haus entschwand ihren Augen hinter Bäumen.
Eigentlich hätte Morregan ja auf die Mitnahme ihres Schwertes verzichtet. Sie besaß Häuser und Wohnungen in etlichen Teilen der Welt, die komplett - auch mit vertrauten Waffen - ausgestattet waren. Die langen, enervierenden Formulare, die es kostete, ein Schwert - selbst als Antiquität - aus einem Land aus- und in ein anderes Land einzuführen, der Kleinkrieg mit den Behörden, insbesondere mit dem Zoll, die Nerven und Kosten, bis sie es endlich mitnehmen konnte. - Darauf hatte Morregan keine Lust. Aber diesmal war es etwas anderes. Diesmal mußte es ihr eigenes Schwert sein. Alles andere wäre Blasphemie! Morregan hatte sich den weltweiten Handel zunutze gemacht und bereits vor zwei Tagen ihr Heiligtum per Postpaket aufgegeben, so daß es ziemlich genau mit ihr in den Staaten eintreffen müßte, wollte sie dem netten Bearbeiter bei der Post Glauben schenken; und so konnte sie ihre Flugreise ganz entspannt antreten. Sie machte sich keine Sorgen darum, daß Methos ihr vielleicht ins Handwerk pfuschen könnte, indem er MacLeod vorwarnte. Sie hatte den Eindruck gewonnen, daß Kronos' Tod nicht das einzige war, was Methos zu schaffen machte und vermutete, daß es mit dem Schotten zusammenhing, zumal Methos immer so schweigsam wurde, kam die Sprache darauf. Mit einem Achselzucken schloß sie die Augen. Eigentlich war es ihr herzlich egal, was mit Methos war. Sie hatten nie viel miteinander zu tun gehabt; meist hatten sie den Kontakt zueinander vermieden, es sei denn, es hatte sich nicht umgehen lassen, und das letzte Mal waren sie sich 374 n.Chr. in Byzanz begegnet. Das monotone Geräusch und die Vibrationen, die vom Flugzeug ausgingen, schläferten die Unsterbliche ein, sie blinzelte noch einmal aus dem kleinen Fenster hinaus, dann schloß sie die Augen, um endgültig zu schlafen.
Ein Dojo. Morregan verzog das Gesicht. Wie einfallsreich! Prüfend blickte die junge Frau an der gemauerten Fassade hinauf, suchte die Fenster ab, ehe sie den Kragen ihrer Jacke hochschlug und gemächlich weiter schlenderte. MacLeod hatte sie gesehen. Er hatte aus einem der Fenster geschaut, nachdem er ihren Buzz gespürt hatte, vielleicht in der Hoffnung, es würde sich um Methos handeln. Noch würde er sich keinen Reim auf die fremde Unsterbliche machen können, aber Morregan hatte auch nicht vor, ihn lange mit der Aufklärung warten zu lassen. Was sie wollte, war MacLeod auf neutralem Boden treffen, ihm keinen "Heimvorteil" zu verschaffen, indem sie einer Gefühlsregung folgend mit der Tür ins Haus fiel und ihn forderte. - Noch nicht.
Eigentlich ist Seacouver ja ein richtiges Rattenloch! Fröstelnd zog Morregan die Schultern hoch, als sie durch den dämmrigen Park schlenderte. Viel zu viel Industrie, dazu der fischige Geruch, der vom Hafen her durch die Straßen zieht, Dreck, soweit das Auge reicht. Bah, wie kann man hier nur leben? Ich hab nicht viele Städte gesehen, die so heruntergekommen waren, aber Seacouver würde garantiert unter den ersten zehn weilen, müßte ich eine Skala aufziehen. Na, MacLeod, ich kann nur hoffen, daß wir es bald hinter uns gebracht haben. - Sonst muß ich dich leider noch ein bißchen leiden lassen. So ein wenig ausgleichende Gerechtigkeit muß mein Aufenthalt ja bringen. Was Methos wohl hierhin verschlagen hat? Warum nur hat er Paris verlassen, wo er doch nirgendwo anders so viel Schutz hätte? Ob ihm der Boden zu heiß wurde? Ein boshaftes Grinsen huschte über die weiblichen Züge. Vielleicht ist er ja auch Korda begegnet und glaubte an eine Erscheinung!? Mein lieber Kronos, nach all diesen Jahren verstehe ich immer noch nicht, was du an Methos gefunden hast. Er hat dich von Anfang an benutzt, und du wußtest es. Ach, ich hätte dich prügeln können, als du mir mit diesem süffisanten Grinsen mitteiltest, du wüßtest, daß Methos dich hintergeht! Warum nur hast du ihn nicht in seine Grenzen gewiesen? Eintausend Jahre in einem Brunnen und ein viel zu früher Tod wären dir erspart geblieben, hättest du auf mich gehört! Hm, ist wohl zu spät, um rumzuheulen, wie? Bestimmt hast du dir dabei was gedacht und ich respektiere deine Entscheidung; zähneknirschend, wutschnaubend und vielleicht auch etwas verständnislos, aber immerhin: ich akzeptiere sie. Zu traurig, daß ihr euch drüben nicht mehr begegnen werdet. Während du an der Tafel der ruhmreich Gefallenen sitzen darfst, werde ich MacLeod geradewegs in die Hölle katapultieren. Mmhmm, ich kann es kaum erwarten!...
"Hast du etwas über diese Frau herausgefunden, Joe?" Joe prüfte mit Kennerblick das Glas, ehe er über eine Stelle noch mal nachpolierte und es dann wegstellte. "Du meinst diese geheimnisvolle Unbekannte mit dem überaus starken Buzz, die du vor drei Tagen gesehen haben willst?" hakte er nach, ehe er den Kopf schüttelte. "Nein, tut mir leid. Wenn sie wirklich so stark ist, wie du sagst, ist es niemand, den wir im Bestand haben. Cassandra ist die älteste. - Mit Ausnahme von Methos..." "Ich hab dir doch gesagt, ich will diesen Namen nie wieder hören!" "Warum nicht? Er ist dein Freund, MacLeod!" "Er ist ein Lügner!" "Warum? Weil er dir vorenthalten hat, was ihm so unangenehm war, daß er es nicht einmal mit einem Freund teilen konnte?" "Er hat unschuldige Menschen umgebracht!" "Das hast du auch." Duncan stutzte kurz, ehe er heftig auffuhr: "Aber nicht aus Spaß an der Freude! Und außerdem war es bei mir ja ganz was anderes!" "Wieso? Weil es um dich ging? Laß dir mal was gesagt sein, Duncan: Menschen machen Fehler, die sie auch bereuen dürfen! Da bin ich keine Ausnahme, du nicht und Methos auch nicht. Er hat dir mehr als einmal den Arsch gerettet, ich finde, du bist es ihm schuldig." "Schuldig! Schuldig!? Wer ist hier wem was schuldig!?" Abrupt brach Duncan ab, eine steile Falte erschien zwischen seinen Augenbrauen, als sein Kopf herumfuhr und er auf die Tür starrte, die sich jetzt öffnete und in deren Rahmen sich die Umrisse einer Frau zeigten. "Schuld? Oh, ich finde, das ist eine sehr interessante Diskussion, an der ich gerne teilnehmen würde." "Miss, die Bar ist noch nicht geöffnet..." "Das ist sie, Joe!" MacLeod machte eine hektische Handbewegung und Joe nahm die junge Frau jetzt näher in Augenschein, die selbstsicher auf die beiden Männer zu kam. Das also war die geheimnisvolle Fremde, die Duncan vor dem Dojo gesehen hatte und über die sie nichts wußten. Mac hatte von einem ungeheuer starken Buzz gesprochen, viel stärker als der von Methos, trotzdem brachte selbst die detaillierte Personenbeschreibung bei der Archivsuche nichts. Wenn Joe sich die Frau so ansah, würde er sie auf Mitte bis Ende Zwanzig schätzen, auch wenn er wußte, sie war weitaus älter. Ein zierliches, sehr schlankes Persönchen, das einen Trenchcoat trug, unter dem Joe ihr Schwert vermutete, und das durch ihr exotisches Aussehen bestach: langes, rabenschwarzes Haar und als Kontrast leuchtendgrüne Augen und etwas, das man kitschigerweise als Madonnengesicht bezeichnete. Eigentlich eine Traumfrau, würde sie nicht etwas umgeben, das einen zurückfahren ließ. Es war nicht der harte Ausdruck, den ihre Augen trugen, nicht die Kälte, die sie zu verströmen schien, es war etwas, das der Beobachter nicht erklären konnte. Er wußte nur, daß es gefährlich war. Sehr gefährlich! "Was wollen Sie?" fragte Duncan hart, worauf die Fremde mit einem wissenden Lächeln ihr Schwert zog und sich mit einem nachlässigen Zucken ihrer Schultern des Mantels entledigte, den sie achtlos auf die Theke warf. Die Spitze ihrer Klinge wies auf MacLeod. "Ich will dich, was sonst!?" "Und warum, wenn ich fragen darf?" Duncan erwartete die typische Standardantwort viele Unsterblicher: 'Weil es am Ende nur Einen geben kann!', nicht jedoch die geduldigen Worte, welche die Fremde für ihn übrig hatte: "Deine Zeit ist abgelaufen, Duncan MacLeod." Sie kennt meinen Namen! Hinter Duncans Stirn überschlugen sich die Gedanken. Sie weiß, wer ich bin. - Aber wer ist sie? Wir sind uns doch noch nie begegnet.... "Das haben schon viele behauptet!" MacLeod rutschte seitwärts vom Barhocker und zog in einer flüssigen Bewegung das Katana aus dem Mantelfutter, dessen Metall hell im Dämmerlicht der Bar aufblinkte, als er es bewegte. Morregan lächelte nur. "Du hast das Ende der Zeit gesehen. Danach kommt nur noch Dunkelheit." Duncans dunkle Augen weiteten sich in erschrockener Erinnerung.
"Ich bin das Ende der Zeit!" schleuderte Kronos MacLeod entgegen, als der sein Schwert hob. "Falsch!" erwiderte der Schotte mit endgültiger Stimme. "Du bist Geschichte!!"
Die Realität war wie ein eiskalter Wasserguß für den Schotten: sie hat was mit Kronos zu tun! Hatte Methos sie geschickt? War Kronos ihr Mentor gewesen? Ihr Geliebter vielleicht? Nahm dieser Wahnsinn denn nie ein Ende?? War nicht schon genug zerstört und unwiederbringlich dahin??? "Ich sehe, du weißt, wovon ich spreche. Nun, dann können wir ja beginnen." Duncan musterte mit schnellem Blick das Schwert, das die Unsterbliche führte: es mußte uralt sein, die Klinge war eine gute Hand breit und insgesamt war es so lang, daß es ihr fast an die Brust reichte, stellte sie es vor sich hin. Das Metall war erstaunlich glatt und blitzte im Lichtreflex, keine nennenswerten Gebrauchsspuren erkennbar. Die Griffe waren zur Hand, die das Schwert führte, hin wie eine gespreizte Schwinge gefächert - Teufel, hatte Kronos' Schwert nicht ähnlich ausgesehen!? - und aus schwarzem Metall gefertigt. Keine Gegnerin!, konstatierte Duncan bei sich. Schwert und Trägerin harmonierten nicht miteinander; sie würde es nicht lange führen können. - Wenn überhaupt! Wahrscheinlich lag der Schwerpunkt auf der Klinge und nie im Leben konnte dieses zerbrechlich wirkende Ding genug Kraft aufbringen, um eine ernsthafte Bedrohung darzustellen! Wieso nur gab sie nicht einfach von vornherein auf? Man könnte einem Kampf doch umgehen, er wollte ihren Kopf doch gar nicht. Ein Blick in das Gesicht der attraktiven Unbekannten belehrte ihn jedoch schnell eines Besseren. Sie wollte ihn! Sie wollte ihn wirklich und wahrhaftig umbringen. Und es war ihr egal, ob sie bei dem Versuch starb. Morregan kickte Duncan einen Barhocker entgegen, dem er erschrocken auswich, als er so unverhofft aus seinen Gedanken gerissen wurde. "Träumst du?" erkundigte die Unsterbliche sich amüsiert. Die Spitze ihrer Klinge beschrieb einen kleinen Kreis, ein Tritt beförderte zwei Stühle an die Seite, so daß ihnen nichts mehr im Wege stand, um sich aneinander zu messen, dann erwartete sie Duncan MacLeod vom Clan der MacLeod. Mac machte einen raschen Satz auf sie zu, das Katana zischte leise, als es die Luft durchschnitt, aber er verfehlte die junge Frau, die einfach einen blitzschnellen Schritt zur Seite tat, so daß die Klinge an ihr vorbeifuhr. Ihre grünen Augen wirkten ernst, als sie ihn nun stumm musterte, ihr Schwert war nicht in Abwehrposition, trotzdem fühlte Duncan von ihr eine Bedrohung ausgehen, die ihn beklommen machte. Sofort holte er wieder aus, wieder glitt sie schlangengleich zur Seite, stieß dabei einen Tisch beiseite, um sich mehr Platz zu schaffen. Was sollte das? "Willst du kämpfen oder weiter weglaufen?" fauchte MacLeod gereizt, denn die stumme Gegnerin zerrte mit ihrer Überheblichkeit an seinen Nerven. Jetzt lächelte sie beinahe schüchtern. "Oh, entschuldige! Ich dachte, du wolltest dich noch aufwärmen. - Was anderes konnte man diese kleinen Versuche doch nicht nennen, nicht wahr!?" Duncan biß die Zähne zusammen bei dieser Beleidigung. "Wenn du es besser kannst, darfst du es mir gerne zeigen!" knurrte er und schon im selben Augenblick schoß die Fremde auf ihn zu, mit einem kräftigen Hieb schmetterte sie sein Schwert beiseite und landete einen gezielten Faustschlag in der Niere. Duncan keuchte. Tränen schossen ihm in die Augen bei dem plötzlichen Schmerz, der sich in seinem Inneren ausbreitete, und für Augenblicke fehlte ihm die Luft zum Atmen. Er hörte die Bewegung der Frau hinter sich und wirbelte herum. Morregan machte einen Satz auf einen der niedrigen Tische in der Bar und ein harter Tritt mit den Stiefeln traf Mac mitten ins Gesicht. Diesmal ließ sie ihm keine Zeit, sich zu erholen, diesmal setzte sie sofort nach und Joe vernahm das Knacken und Knirschen von brechenden Knochen. Zu gerne wollte er eingreifen, wollte seinem "Schützling" helfen und wußte doch, daß Duncan es ihm nicht danken würde. Flüchtig hatte er an die Waffe gedacht, die in der Schublade im Hinterzimmer lag, hatte diesen Gedanken aber sofort wieder verworfen. Dies war ein Duell, in das er sich nicht einmischen durfte. Was auch immer diese Frau dazu bewogen haben mochte, Duncan MacLeod herauszufordern, sie würde ihre Gründe haben, ebenso wie Duncan, daß er diese Herausforderung annahm. Und so sehr Joe auch mitlitt mit dem Schotten, so sehr faszinierte ihn, was sich seinen Augen bot, daß er aufrichtig bedauerte, keine Videokamera zu besitzen, um diesen Kampf zu dokumentieren. Gerade segelte Duncan über einige Tische hinweg und landete krachend vor der Wand, aber schon war die Unsterbliche bei ihm und zerrte ihn wieder auf die Füße, dabei hämmerte sie den Kopf ihres Gegners vor die Steine. "Oh. Verzeihung, ich war ungeschickt." MacLeod stöhnte. Blut rann ihm über das Gesicht und er konnte sich kaum mehr auf den Beinen halten, geschweige denn sich wehren oder gar angreifen. Aber tief in ihm drin glomm ein letzter Funke schottischen Stolzes auf, der ihm zurief, daß er, Duncan MacLeod vom Clan der MacLeod, sich nicht abschlachten lassen sollte wie ein Schaf, sondern daß er mit dem Schwert in der Hand zu sterben hatte, wie es sich für einen MacLeod gehörte! Dieser Gedanke verlieh ihm noch einmal Kraft; er stieß Morregan mit einem kräftigen Schulterstoß von sich und mit einem wütenden Aufschrei rannte er auf die Frau zu, das Katana zum Stoß ausgeholt. Morregan hatte sich schnell von der Überraschung dieses Stoßes erholt und mit einem Hauch von Anerkennung sah sie dem Schotten entgegen, der sich auf sie stürzte, ehe ihre Schwertklinge nach unten kippte, sie ausholte, das Katana abfing und mit einer weiteren Drehung ihres Schwertes weit weg katapultierte, während sie Duncan gleichzeitig einen Stoß versetzte, der ihn rücklings auf einen Tisch schleuderte. Ein eisiger Schreck durchzuckte Joe, dessen Finger sich in den Tresen krallten, als er Duncan stürzen sah. Ein Prickeln lief über seinen Nacken und eine Gänsehaut kroch ihm über die Arme, als er weiterhin hilflos in seiner Beobachterposition verharrte. Das war's! Morregans Gewicht nagelte Duncan auf der Tischplatte fest und ihr Schwert an der Kehle hörte er ihr rauhes Flüstern: "Na, wie fühlt man sich, wenn man weiß, daß man gleich seinem Schöpfer gegenüberstehen wird?" Sie wartete gar nicht auf die Antwort, sondern übte noch mehr Druck auf die Klinge aus, so daß sie sich der empfindlichen Haut immer mehr näherte. "Morregan, warte!!!" Tatsächlich hielt die Unsterbliche inne, deren Name Joe sich gut merkte. Morregan? Hörte sich irisch an. Keiner hatte mit dem Mann gerechnet, der sich jetzt einmischte, und die beiden anderen Unsterblichen hatten Besseres zu tun gehabt, als auf die Präsenz eines Dritten zu achten. "Was willst du, Methos?" "Ich will, daß er lebt!" Zufall oder Absicht, daß er die identischen Worte wählte, die Duncan Cassandra gesagt hatte, als er Methos' Leben schonte? Sinnend sah Morregan auf den unterlegenen Duncan herab. In ihren Augen funkelte und glitzerte es, aber Gnade konnte er in ihnen nicht erkennen, eher etwas wie Belustigung und etwas, das tiefer war als bei Methos. Etwas, das man mit Worten nicht beschreiben konnte, weil es so viel und doch nichts ausdrückte. Etwas, das nur das Leben einem einprägen konnte. Jetzt lächelte die Frau kalt. "Auge um Auge, Methos. Ein Leben für ein Leben, so ist das nun mal. Möchtest du an seine Stelle treten?" Lauernd hob sie ihren Blick und heftete ihn auf die schlanke Gestalt, die mittlerweile bis an die Theke herangekommen war, wo sie unschlüssig verharrte. Dann ging es wie ein Ruck durch ihn hindurch. Eine Entscheidung, die so endgültig war, daß sie Joe und Duncan Respekt abforderte. "Laß ihn los!" befahl er eisig, - und Morregan tat, wie ihr geheißen. Sie glitt von Duncan herunter, der sich ächzend auf die Seite und vom Tisch rollte und sich hinter die Theke flüchtete, wo er das Heilen seiner gebrochenen Knochen abwartete. Als Morregan sich zu Methos umdrehte, lag ein undefinierbares Lächeln auf ihren Lippen. "So", meinte sie. "Du willst mich also wirklich herausfordern!? Hast du dir das gut überlegt? Ist er das wert, Methos?" Der letzte Satz lockte, schmeichelte, es klang wie eine Liebkosung, als sie ihm zwei Schritte entgegenkam; die Spitze ihres Schwertes zog einen tiefen Kratzer über den Holzfußboden, als Morregan es hinter sich her zog. Und siehe da: Methos schwankte! Einen Augenblick nur, aber er fühlte sich sichtlich unwohl in seiner Haut, als er der Unsterblichen entgegentreten mußte. Dann strafften sich seine Schultern, umständlich schälte er sich aus seinem Mantel, den er auf einen Hocker knautschte, und das Ivanhoe anhob. Ungerührt zuckte Morregan mit den schmalen Schultern. "Ich hoffe, er ist es wert, daß du für ihn stirbst. Aber es wird ihn nicht retten, weißt du." "Dafür mußt du mich erst einmal besiegen!" Wieder dieses Achselzucken. "Und?" fragte Morregan gelangweilt. "Du warst zu lange aus dem Spiel raus, Methos. Du bist kein Kämpfer mehr! Du konntest nicht einmal zu deinen besten Zeiten gegen mich bestehen, wieso glaubst du, du könntest es jetzt!?" Schaudernd zog Joe die Schultern hoch. Bisher war er unbehelligt geblieben. Die Frau, die Methos mit Morregan ansprach, schien kein Interesse an ihm zu haben; anscheinend war sie einzig und allein auf Duncan fixiert. Fast schien es, als hätten die Unsterblichen in seiner Bar ihn total vergessen, denn niemand verschwendete einen Blick an ihn, so daß er in den Genuß kam, sich einen bestimmt spektakulären Zweikampf anzusehen. Was ihm dabei auffiel, war, daß Methos sich im Gespräch mit der Fremden veränderte. Sein Gesichtsausdruck war ein ganz anderer als der, den er sonst trug: härter, irgendwie entschlossener. Vor ihnen stand ein ganz anderer Methos, als der, den sie kannten!
Jetzt lächelte der Älteste zynisch. "Wenn ich mich recht erinnere, hast du dir ebenfalls eine Auszeit genommen, meine Liebe. Ich würde sagen, es herrscht Gleichstand." Statt einer Antwort schlug Morregan mit der Klinge ihres Schwertes leicht gegen den Absatz ihrer Stiefeletten, als wollte sie Schmutz entfernen, dann schoß sie nach vorne, frontal auf Methos zu, der dem überraschenden Angriff nur mit einem flinken Satz zur Seite entkommen konnte. Morregan gönnte ihm keine Gelegenheit, sich auf sie einzustellen: augenblicklich wirbelte sie herum und zwang Methos, sich mit drei schnellen Hieben zu wehren, ehe sie sich ebenso schnell zurückzog, wie sie angegriffen hatte. Sie lächelte. "Im Gegensatz zu dir, Methos, habe ich nichts von meinen Fertigkeiten verloren; im Gegenteil: die Zeit war gnädig zu mir und hat mich immer besser werden lassen. Kannst du das von dir auch behaupten?" "Ich bin noch genauso gut wie damals!" fauchte Methos zurück, weil ihm der überhebliche Ton seiner Gegnerin sauer aufstieß. Sie lächelte ja immer noch! "Wenn du es sagst." spottete sie. "Sag mir, Methos,... ich hörte Gerüchte, du seist vor deinen Feinden davongelaufen wie ein Feigling, hättest dich versteckt und aus dem Hinterhalt getötet. Ist da was Wahres dran?" Wütend brüllte Methos auf, sein Schwert fuhr herunter und erst im letzten Augenblick lenkte Morregan es mit einem leicht anmutenden Hieb beiseite. Sie drehte sich weg und tänzelte ein paar Schritte weiter. "Was ist, Methos? Wirst du etwa müde?" Sie spielt mit mir! Na warte!! Als Methos sich wieder auf sie stürzte, machte Morregan lachend einen Salto rückwärts, so daß sie auf einem der Tische stand, es sah spielerisch aus, wie sie Methos' Hieben auswich, indem sie mal nach links und mal nach rechts tänzelte, bis Methos es leid war und mit einem mächtigen Schlag die Tischplatte zertrümmerte. Elegant landete die Unsterbliche auf dem Boden. "Welch ungestüm!" Ihr Lächeln verhehlte nicht ihre Verachtung. "Aber so geht man mit einer Dame doch nicht um." "Als ob du jemals eine gewesen wärst!" Methos versuchte, Morregan nicht merken zu lassen, wie es ihn anstrengte und atmete bewußt kontrolliert. "Wohl wahr, wohl wahr. - Dafür hatte ich unerhört viel Spaß in meinem Leben", räumte Morregan großzügig ein und grinste. "Das kann nicht jeder von sich behaupten." Übergangslos wechselte sie vom perfekten amerikanischen Englisch in die Sprache ihrer Zeit, von der sie wußte, daß auch Methos sie konnte. "Wann hast du das letzte Mal Spaß am Leben gehabt, Methos? Als du mit deinen Brüdern geritten bist? Oder als du dich verstecken mußtest, aus Angst, Kronos könnte dich ausfindig machen? Als du vor jeder Herausforderung weggelaufen bist? Sag es mir: wann?" Aufreizend schlich sie mit raubtierhaften Bewegungen im leichten Bogen um Methos herum, der sich gegengleich mitbewegte. "Macht es dir Spaß, daß man dich als mehr oder minder lästiges Anhängsel von MacLeod ansieht, dem dieser in nobler Gesinnung immer wieder aus der Patsche helfen muß?" Sie beugte sich leicht nach vorne. "Sag es mir!" hauchte sie ihm zu und Methos fühlte, wie sich mit jedem Wort, das sie an ihn richtete, sein Herzschlag immer mehr beruhigte, wie sein Puls aufhörte zu rasen und Gelassenheit sich einstellte. Wie er seine Kaltblütigkeit zurückgewann und nun ruhig und kontrolliert atmete. In seinen kalten Augen glomm ein unheimlicher Funke, der Morregan lächeln machte. Jetzt, endlich!, bröckelte die glatte Fassade, kam zum Vorschein, was sie schon lange kannte: Methos ließ die Errungenschaften der Zivilisation hinter sich und wurde zu dem, zu dem er einst geboren wurde: zu einem Barbaren, wie sie einer war. Sie waren in ihre Welt hineingeboren worden, sind darin aufgewachsen und nichts konnte auslöschen, was sie geprägt hatte. Wissen deine Freunde, wer du wirklich bist, Methos? Kennen sie dein wahres Gesicht? "Ich würde sagen, wir haben unterschiedliche Auffassungen von Spaß." Methos' Stimme klang frostig, zwar zeigte die Spitze seines Schwertes immer noch gen Boden, aber er war auf der Hut. Es war nicht Morregans Art, grundlos eine solch seichte Plauderei zu führen. Gewiß führte sie etwas im Schilde, und da er sich bewußt war, daß er gegen sie eigentlich nicht bestehen konnte, war er doppelt aufmerksam. Doch im Moment schien es für sie nichts Besseres zu geben, als ihn zu umschleichen und mit ihm Smalltalk zu halten. Komm schon! "Woher willst du das wissen?" Abrupt vollzog Morregan einen Richtungswechsel. Methos registrierte gar nicht, wie sie anscheinend völlig zusammenhanglos zwischen Englisch und ihrer Muttersprache hin und her wechselte, zu sehr war er darauf bedacht, ihre Bewegungen im Auge zu behalten. "Ich denke, wir haben schon ein paar Hobbys gemeinsam. Zum Beispiel, daß wir gerne töten." "Ich habe niemals gerne getötet!!" Völlig überraschend katapultierte Morregan sich aus dem Stand in die Luft, ein gezielter Tritt ins Gesicht schleuderte Methos herum und während er sich die blutende Wunde mit den Fingerspitzen abtastete, zog er sich vorsichtshalber zwei Schritte zurück, ehe er angriff. Morregan taumelte einen Schritt rückwärts bei der Wucht des Aufpralls, ihr Arm mit dem Schwert war erhoben und drückte gegen die Klinge des Ivanhoe. Über sich sah sie das zornige Funkeln in den Augen des Mannes, der sich als der Älteste der Unsterblichen bezeichnete, und der sich mit seinem gesamten Gewicht gegen sie lehnte. Methos drängte sie in die Defensive! Nicht, weil er so gut war oder weil er ihr an körperlicher Kraft überlegen war, aber er machte sich die natürliche Wirkung der Hebelkraft zunutze, der Morregan mit ihren knappen 1 Meter 60 nichts entgegenzusetzen hatte. Sie ging unerwartet etwas in die Knie und sprang dann mit aller Kraft nach oben. Methos ließ sie augenblicklich los, um ihr keine Gelegenheit zu geben, ihn zu verletzen. Seitlich schlug er von unten her zu. Klirrend trafen die beiden Schwertklingen aufeinander, Methos fing einen Faustschlag von Morregan ab, schon wollte er sie triumphierend fragen, ob sie anfing zu schwächeln, als er das Aufblitzen in ihren Augen sah. - Im gleichen Augenblick spürte er auch schon die schmerzhafte Wucht, mit der ihr Ellenbogen ihn mitten ins Gesicht traf. Mit weit ausgestrecktem Arm wirbelte die junge Frau um die eigene Achse, Methos ließ sich nach hinten fallen und rollte sich über einen Tisch ab, so daß er auf der anderen Seite sofort wieder auf den Füßen stand. Beide waren etwas außer Atem, aber Morregan grinste. "Dafür, daß du nie gerne getötet hast, hast du eine erstaunliche Perfektion darin entwickelt. Ich erinnere mich sehr gut an dich: weißgekleidet und mit blau bemaltem Gesicht, das Schwert blutbefleckt, der Albtraum unzähliger Menschen... Es hat dich nicht erregt, daß sie Angst vor dir hatten? Daß sie schrien, sobald auch nur ein Schatten deines Mantels auftauchte? Daß sie taten, was immer du wolltest? Wann du wolltest?" Methos fühlte, wie sein Herz anfing gegen die Rippen zu hämmern, und er war sich sicher, daß Morregan es auch hören mußte, so laut kam es ihm vor. In ihm machte sich ein Gefühl breit, daß er lange Zeit nicht mehr empfunden hatte; siedend heiß und drängend schwoll es wie eine gewaltige Woge immer mehr an und überrollte seine Gedanken. Kronos war ein Verführer gewesen. Seine Worte, sanft und lockend, hatten es zu oft fertiggebracht, den Geist gefangenzunehmen, ihn einzulullen, so daß man ihm als Anführer willig folgte. Jetzt wußte Methos endlich, woher sein Bruder diese Fertigkeit bezogen hatte, denn Morregans Worte weckten in ihm, was er für immer hatte verbannen wollen: sein tiefstes, verborgenstes Ich, seinen Urinstinkt: - das Tier in ihm! Zuerst versuchte er noch, sich dagegen zu wehren, aber dann war dieses Gefühl wieder so vertraut, als wären sie nie getrennt gewesen und verschmolzen zu einer Einheit. Binnen weniger Minuten war Methos vom hilflosen, schutzbedürftigen Unsterblichen zu einer perfekten Kampfmaschine mutiert. Wie einen lästigen Mantel schüttelte er Jahrtausende von Zivilisation, von hart erarbeiteter Moral und Ethik ab und es schien, als würde er wachsen, als er sich nun hoch aufrichtete und seine Gegnerin stolz herausfordernd anfunkelte. Seine Hand schloß sich fester um den Griff des Ivanhoe, weiß traten die Knöchel hervor, und ihm war, als würde er nicht mehr Stahl in den Händen halten sondern Bronze. Kalt glänzte es in Morregans Augen, als sie die Verwandlung aufmerksam verfolgte. Sie mochte Methos nicht absprechen, daß er sich verändert hatte, aber als Gegner war er ihr in seiner neuen Verfassung nicht genehm, weil er keine wirkliche Bedrohung darstellte und lächerlich leicht zu besiegen wäre. Sie wollte den Methos, den sie schon vor dreitausend Jahren hätte töten sollen, als sie die Gelegenheit dazu gehabt hatte! Wie ein Hauch streifte sie die Vorfreude darauf, diesen Mann zu besiegen und sich danach den Kopf von Duncan MacLeod zu holen; ihr Herz schlug schneller und sie spürte förmlich, wie das Adrenalin durch ihre Adern pumpte und ein Hochgefühl auslöste, dem es schwer war zu widerstehen. Wie Irrlichter leuchteten ihre grünen Augen auf.
Duncan schauderte. Es schien, als hätte sich um Methos und Morregan eine Art Seifenblase gebildet, in der sie wieder in ihrer Zeit existierten. Methos hatte sich vollständig verändert, nichts an ihm erinnerte mehr an den Mann, den Duncan einmal Freund genannt hatte. Sein Gesicht, seine Augen, ja sein ganzes Auftreten waren völlig anders, als hätte der alte Mann sich von Grund auf gewandelt. Mit Entsetzen hatte der Schotte die Gesprächsfetzen verfolgt, welche Morregan für die Ohren ihrer Beobachter bestimmt hatte, und die sein Geist sich weigerte zu verarbeiten. Und plötzlich wußte MacLeod, was es war: Methos war wieder der Barbar! So mußte er ausgesehen haben, als er mit Kronos und den anderen Angst und Schrecken verbreitet hatte und als Mütter ihren Kindern Schauermärchen über ihn erzählt hatten. So also sah der Methos unter der Maske aus, so war er wirklich! Nichts an ihm wirkte mehr schutzbedürftig oder hilflos, jede einzelne Bewegung zeugte von Perfektion, von Kraft und Macht, vom bedingungslosen Willen zu Töten. Die Geschmeidigkeit seiner Bewegungen hätte jeden neidisch gemacht. Wie fließend er sein Schwert jetzt führte! Hatte er, Duncan, Methos eigentlich jemals kämpfen sehen? Und Morregan? Sie ergänzte sich perfekt zu Methos. Das, was sie vorher schon ausgestrahlt hatte, lebte sie nun hemmungslos aus und gab eine hervorragende Gegnerin für Methos ab, die ihrem Gegenüber anscheinend immer einen Schritt voraus zu sein schien. Schnelligkeit gehörte zu ihren Stärken, Kraft und Ausdauer, Wendigkeit und eine brillante Beherrschung der Kunst des Nahkampfes, wie MacLeod sie noch nie erlebt hatte. In Duncan stritten Grauen und Faszination miteinander. Noch nie hatte er so etwas gesehen. Es war, als sei ein Riß in der Zeit entstanden und sie würden direkt in die Vergangenheit schauen, die hautnah und doch unendlich weit weg war. Das, was er sah, war ein Kampf der Titanen, und nur einer konnte als Sieger hervorgehen. Methos war weit besser als erwartet, als jemals geglaubt, aber Duncan konnte sich des unguten Gefühls nicht erwehren, daß der alte Mann sich gegen die Frau nicht würde durchsetzen können.
Mit einem Fußtritt beförderte Morregan den Tisch beiseite, der sie von Methos trennte, und instinktiv zog der Unsterbliche sich weiter zurück. Er suchte nach Schwächen in ihrer Abwehr, nach Fehlern, die ihm nützlich sein konnten, aber so sehr er sich auch bemühte, er konnte nichts erkennen, und das erinnerte ihn daran, daß Morregan sich auch noch lange Zeit, nachdem die Reiter sich in alle Winde verstreut hatten, einen Namen als Kriegsherrin gemacht hatte. Man hatte sie eine Göttin genannt, unbesiegbar und unsterblich, doch daran wollte Methos nicht glauben. Seiner Erfahrung nach war jeder irgendwo verletzlich. - Selbst er. "Meine Erneuerung würde dich umbringen!" "Hast du schon die Erfahrung gemacht?" Morregan hob ihr Schwert etwas an und wendete es ein wenig im schwachen Dämmerlicht, das in der Bar herrschte. "Weißt du, wie alt dieses Schwert ist, Methos?" fragte sie ruhig dabei, liebevoll streichelten ihre Augen das schwarze Metall. "Viiiel älter als du es dir vorstellen kannst. Mein Lehrer ließ es eigens für mich anfertigen, so wie ich eines für Kronos schmieden ließ. Es ist dazu gemacht, zu töten! - Und genau das werde ich tun. Zuerst dich und dann MacLeod, hast du das verstanden?" "Dafür mußt du mich erst einmal besiegen!" Abwehrend hielt Methos das Ivanhoe vor seinen Körper, aber Morregan zuckte mit einem abfälligen Lächeln nur mit den schmalen Schultern. "Nichts leichter als das!" Mit einem wütenden Aufschrei schoß Methos vor, schnelle Hiebe prasselten auf die zierliche Frau ein, die sie gekonnt parierte; dabei drängte der Unsterbliche sie immer weiter zurück, der Wand zu, aber Morregan merkte es und indem sie sich unter einem Schlag wegduckte und zur Seite warf, änderte sie die Richtung und brachte sich wieder in eine bessere Position. Methos warf sich nach vorne, sein Schwert fuhr in Bauchhöhe waagerecht auf seine Gegnerin zu, die nach hinten nicht weiter ausweichen konnte und sich mit dem Oberkörper vorbeugte, während sie gleichzeitig ihre verletzliche Mitte rückwärtig in Sicherheit brachte. In dem Augenblick schnellte Methos' Hand nach vorne; in der geballten Faust hielt er einen Dolch. Als hätte sie es geahnt, drehte die schwarzhaarige Frau sich und so erwischte die kleine Klinge sie nur am Arm, wo sie den Stoff ihres Hemdes zerschnitt und kaum nennenswert in die Haut ritzte. Erbost starrte Morregan auf das Loch in ihrem Ärmel und machte mit einem kleinen Fauchen einen Schritt zurück. "Oh, du willst spielen?" Zornig funkelten die beiden sich über eine kurze Distanz an. Methos hielt immer noch den kleinen Dolch in der Hand, bereit sofort zuzustoßen, sein Atem ging schnell und stoßweise. Er hatte sich mehr von dieser kleinen Attacke versprochen, denn immerhin waren die wenigsten auf so eine Finte vorbereitet, stattdessen hatte er Morregan erst richtig wütend gemacht. Was wird ihr wohl als nächstes einfallen? Mißtrauisch ließ er die Frau keine Sekunde aus den Augen. Morregan hob ihr Schwert an, so daß sie gerade so eben noch über den Griff gucken konnte. Sie hielt ihre Augen geschlossen und als sie sie wieder aufschlug, schnappten zeitgleich aus dem Griff zwei rasiermesserscharfe zusätzliche Klingen hervor, die sich - gute zehn Zentimeter lang - zur Schneide hin öffneten. Ihre freie Hand glitt an ihren hinteren Hosenbund, aus dem sie ein Messer zog, das einem Dreizack, wie die Gladiatoren sie im alten Rom in der Arena benutzt hatten, nicht unähnlich war. Fragend, ja schon regelrecht hochmütig legte sie den Kopf schräg und sah Methos abwartend an. Er hatte es vergessen! Er hatte vergessen, daß er die Technik mit dem versteckten Dolch vor Ewigkeiten einmal von Kronos übernommen hatte. Der hatte sie selten benutzt, immerhin waren die wenigsten fähig gewesen, sich gegen gestandene Krieger zu wehren, aber im Zweikampf kam es so raffiniert, daß Methos - imponiert von der Hinterhältigkeit dieser Technik - es sich abguckte. Er hätte wissen müssen, daß Kronos sie bei seiner Mentorin gelernt hatte! "Gleichstand." kommentierte sie ironisch ihre Situation. Methos stieß ein böses Knurren aus, sein Schwert zischte durch die Luft, aber Morregans Klinge wischte seine lässig beiseite, ihre Hand mit dem Messer suchte Körperkontakt. Der alte Mann drängte sie weg, ganz und gar nicht gentlemanlike rammte er ihr seine geballte Faust ins Gesicht, so daß sie zurücktaumelte. Ungläubig starrte Duncan auf die Platzwunde, die sich fast augenblicklich wieder schloß. Selbst Methos' Selbstheilungskräfte waren nicht so stark! Wie mächtig mußte diese Frau sein? Methos dachte gar nicht daran, Rücksicht walten zu lassen, weil er mit einer Frau kämpfte; sein Faustschlag ließ Morregan flüchtig mit einem dumpfen Laut in die Knie gehen, aber sofort richtete sie sich wieder auf, nur um den nächsten Schlag in Empfang zu nehmen. Unter dem dritten duckte die junge Frau sich weg und landete einen gezielten Schwinger in Methos' Niere, der ihn nach Luft schnappen ließ. Sie setzte noch einmal nach und als Methos seinen Dolch einsetzen wollte, rammte sie ihm den ihren durch die Hand, so daß er seinen mit einem Schmerzenslaut fallen ließ. Hektisch riß er sich los, als fürchtete er, Morregan würde die Situation ausnutzen, und die folgte der Spur aus Blutstropfen langsam, als er ihr auswich. Er versuchte, diese Partie zu seinen Gunsten zu entscheiden, indem er mit einem Ausfallschritt zustieß, aber die schwarze Klinge traf so hart auf seine, daß ein stechender Schmerz sein Handgelenk durchfuhr und ihm das Schwert aus der Hand geschleudert wurde. Es flog zwischen ein paar Stühle und obwohl nicht weit fort von ihm, war es nun unerreichbar. Ein gemeiner Tritt zerschmetterte sein Knie und er fiel... Erschrecken zeichnete sich auf den Zügen des Unsterblichen ab, der damit nicht gerechnet hatte. Mit bloßen Händen gegen ein Schwert zu kämpfen war glatter Selbstmord, ebensogut könnte er sich ihr gleich freiwillig anbieten. Vielleicht hätte sie ihm eine faire Chance gegeben, aber mittlerweile war sie richtig zornig und Methos sah selbst seinen Hauch einer Chance - lebend hier rauszukommen - schwinden. "Methos! Hier!!" Duncan warf dem Ältesten sein Katana zu, das dieser geschickt auffing, es einmal um das Handgelenk schwingen ließ und dann gegen die Unsterbliche richtete. Mit einem Knurren holte Morregan weit aus, sie drehte sich einmal um die eigene Achse,... - dann zerschlug sie das hundertzwanzigfach gefaltete Metall der Katanaklinge! Fassungslos starrte Methos auf den abgebrochenen Stumpf in seiner Hand. Er konnte, wollte es nicht glauben! Das widerstandsfähigste Schwert, das er kannte, war einfach so zerbrochen, zerschlagen von einer Klinge, die älter war als der christliche Glaube! Das konnte doch nicht wahr sein! Er sah auf. Ihm gegenüber stand Morregan und ihre grünen Augen schillerten im Zwielicht der Bar wie Edelsteine. Sie hatte den Arm mit dem Schwert gehoben, angewinkelt, und die Klinge zielte direkt auf seine Kehle. Die Zeit schien einzufrieren in diesem Moment, in dem alle die Luft anhielten, und widersinnigerweise überschlugen sich in Methos' Kopf die Gedanken, suchte er immer noch nach einem Ausweg aus dieser schier ausweglosen Lage. Rede mit ihr! Schinde Zeit! Verdammt, laß dir was einfallen! Scheiße, sie kennt dich zu gut, um auf dich hereinzufallen! Sie muß doch auch einen wunden Punkt haben! Aus weit aufgerissenen Augen starrte Methos in das Gesicht über ihm. Erst in diesem Augenblick wurde ihm bewußt, daß er dem Tod ins Auge sah und er verfluchte seine noble Gesinnung, Duncan etwas schuldig sein zu müssen und sich einzumischen. War jetzt alles vorbei? War dies das letzte Kapitel von Methos, dem ältesten der Unsterblichen, der seinen Kopf in einem Kampf verlor, den er niemals hätte beginnen dürfen? In den grünen Augen flackerte es. Wieso stieß sie nicht zu? Wieso setzte sie all dem nicht endlich ein Ende? Fragend, mit erwachender Hoffnung sah Methos auf. Morregans Kehle entstieg ein kehliger Laut, das Schwert ruckte nach oben, dann rammte sie es herunter. - Haarscharf drang es neben seinem Kopf in das Holz der Tischplatte ein, er hörte das Knirschen und Bersten des Holzes, fühlte kleine Splitter, die sich lösten. - Und dann kam die Erkenntnis: er lebte! Doch bevor er sich darüber freuen konnte, beugte Morregan sich zu ihm herunter. "Für's erste!" flüsterte sie ihm ins Ohr, dann richtete sie sich auf. Ihr Blick streifte Joe, als habe sie ihn vorher gar nicht wahrgenommen und als würde er auch jetzt nur als eine Art Schatten für sie existieren, dann nahm sie ihren Mantel und ging einfach, ohne sich umzudrehen.
Hast du eigentlich eine Vorstellung davon, was du mir abverlangt hast mit diesem Versprechen? Ich hätte ihn töten können, nur Millimeter trennten mich von seiner Erneuerung, von der Genugtuung, daß ich endlich vollenden konnte, was schon so lange in mir gärt. Sorgsam legte Morregan einen kleinen Blumenstrauß auf dem frischen Grab ab, vor dem sie hockte. Der Friedhof war für sie kein friedlicher Ort und sie mußte dem drängenden Gefühl standhalten, einfach aufzustehen und wegzulaufen, weil diese morbide Atmosphäre sie zu erdrücken drohte. Nicht sehr glücklich dachte sie an die entscheidenden Momente in der kleinen Kneipe zurück: Ohne zu zittern stand die Klinge in der Luft, bohrten sich Morregans Augen in das Gesicht des Besiegten, der wußte, daß er verloren hatte. Endlich! Endlich konnte sie Methos heimzahlen, was sie schon so lange mit sich herum getragen hatte: daß er ihr Kronos genommen hatte, daß er ihren Lieblingsschüler belogen und betrogen hatte und daß er Schuld trug an seinem Tod. Alles!, alles hätte Kronos haben können, die Welt hätte Morregan ihm zu Füßen gelegt, hätte er sie nicht um Methos' Willen verlassen. Nur einmal noch wollte sie Methos in die Augen sehen, wollte sich vergewissern, daß er um die Endgültigkeit seines Daseins wußte... - Da schien es ihr, als würde sie Kronos' Stimme hören, die zu ihr sprach: "Du hast es versprochen." und die Erinnerung kam zurück....
"Schade eigentlich, daß Methos nicht hier ist." Grinsend reichte Kronos Morregan einen Becher mit Wein an, den sie ihm mit verführerischem Augenaufschlag aus der Hand nahm. "Ich wüßte zu gerne, was du gegen ihn hast", meinte er, ehe er sich selber einschenkte. "Ich traue ihm nicht!" Kronos legte sich lächelnd wieder neben die Kriegsherrin und zog sie sanft an sich. "Laß ihn in Ruhe, ja." "Warum sollte ich?" beharrte die Unsterbliche starrsinnig, worauf Kronos' Lippen sich auf ihre nackten Schultern senkten, die sie liebkosten. "Weil ich dich darum bitte!" Morregan brummte ungnädig, ließ es aber zu, daß Kronos sie zu sich zog und anfing zu verführen. "Versprich es mir!" drängte er und aufseufzend gab die junge Frau nach: "Ja."...
Wieviel ist ein Versprechen wert, das schon so alt ist und das man einem Toten gegeben hat? Wer wollte sie dafür anklagen, wenn sie es brach? Hmpf! Sie sich selber! In ihrem Glauben gingen die Toten in eine Art Parallelwelt ein, in der sie hören konnten, wenn man an sie dachte. Ein Glaube, den viele Völker teilten, wie sie während ihrer Zeit bei den Wikingern gelernt hatte, seit der sie sich ihres Platzes an Odins Tafel sicher sein konnte. Aber eigentlich war es egal, welches Volk daran glaubte, ob Griechen, Kelten, Wikinger, Germanen oder Römer oder selbst die Christen, wenn auch in abgewandelter Form, sie alle hatten etwas gemeinsam: daß man die Toten in Ehren hielt. Man brach ein Versprechen nicht so einfach, nur weil es einem besser anstand oder man sich mit Schwäche in dem Augenblick entschuldigen konnte. - Eine nicht wirklich zufriedenstellende Erkenntnis. Hin- und hergerissen zwischen persönlichen Wünschen und Pflichtbewußtsein hatte ihr besseres Ich letztlich gesiegt und so Methos - und auch Duncan MacLeod - das Leben gerettet. - Zumindest vorerst. Morregan blinzelte und räusperte sich, um den schmerzenden Hals zu beruhigen. Laß uns heimfahren, Kronos. Du gehörst hier nicht hin, ebensowenig wie ich. Ich denke, ich werde mal zur Friedhofsleitung rüber latschen und gucken, was sich machen läßt. Hauptsache, wir kommen schnell hier weg, ehe ich durchdrehe. "Danke." Morregan ignorierte den Mann hinter sich, der schon eine geraume Zeit lang ihren Rücken anstarrte, sich ihr aber nicht genähert hatte, als wollte er sie nicht in ihrer Andacht stören. Jetzt, als sie sich erhob, sah er seine Zeit gekommen. Methos betrachtete Morregan genauer: sie trug enge Jeans, ein Flanellhemd und Turnschuhe zu einer kurzgeschnittenen Lederjacke und unterschied sich durch nichts von einer jungen, modernen Frau von heute. Aber ein Blick in ihr Gesicht zeigte ihm, daß sie müde war. Erschöpft. Diese ganze Sache hatte sie mehr mitgenommen, als er erwartet hatte, und Mitleid überkam ihn. "Ich hab es nicht für dich getan." "Warum dann?" "Weil man sich der Verpflichtung eines gegebenen Versprechens nicht entziehen kann!" Damit ging sie einfach und ließ ihn stehen. Um Methos' Augen zuckte es kurz, dann hob er seine Hand und blickte sinnend auf die Innenseite. Ihm war es, als würde er wieder den Schmerz spüren, als er die Klinge eines Dolches durch die weiche Haut dort zog, und würde mit seinem Blut und mit seinem Handschlag Kronos versprechen, Duncan MacLeod vom Clan der MacLeod zu töten. Die Finger ballten sich zur Faust. Du gottverdammter Bastard!!
*seufz* Es ist wirklich tragisch, wenn sich zwei Betas nicht einigen können, dennoch... Meine lieben Betas: ich habe mir eure Vorschläge sehr zu Herzen genommen und noch einige Korrekturen eingearbeitet. Dazu gehörte allerdings nicht eine Änderung der Kampfszene zwischen Morregan und Duncan. Ich habe es versucht - ganz, ganz ehrlich! *treuherzig guck* - aber obwohl ich Stunde um Stunde über dieser Passage gebrütet habe, ging da nichts. Das mag zum einen daran liegen, daß mir Duncan nicht so sehr am Herzen liegt, daß ich ihm eine faire Chance einräumen würde; zum anderen daran, daß ich herausarbeiten wollte, daß der gute Mac sich und sein Können - nicht zum ersten Mal - überschätzt und deshalb unterliegt. Und in Richtung Beta #2: bei mir kann man nie wissen, ob Methos sein Versprechen nicht doch irgendwann einmal erfüllt. ;-))
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