Burning Hiunger
Es ist schon dunkel und zwischen uns brennt ein Lagerfeuer, an dessen züngelnden Flammen wir versuchen uns zu wärmen. Wir, das sind Kronos, Silas, Caspian und ich, Methos, die vier Reiter des Bösen. Oder sollte ich besser sagen: die vier Reiter der Apokalypse? Denn als das sieht Kronos uns und meine Aufgabe besteht darin, den Menschen, die wir treffen, diese Vorstellung zu verdeutlichen. Die Vorstellung, daß wir das Ende der Zeit sind. - IHR Ende! Ich bin der strategische Planer von uns, während Kronos die Stellung des Anführers inne hat. Eigentlich teilen wir uns diese Aufgabe, irgendwie, aber vor allen anderen ist er es eben und ich bin nicht böse um diese Aufteilung. Das Knacken der Holzscheite schreckt mich auf. Ich schaue auf und begegne seinem Blick. Er beobachtet mich, wie er es immer tut. Und immer schon getan hat. Wieso ist mir das nie vorher aufgefallen? Jetzt mit einem Mal wird mir sein prüfender Blick bewußt, seine Augen, die sich wie brennende Pfeile in meine Brust bohren, als suchten sie in mir nach Antworten, die ich ihm so nicht geben würde. Wir kennen uns schon so lange... Wir sind Brüder, vereint durch Blut, eins in unseren Taten und Gedanken, in unserem ganzen Sein, als wären wir nie etwas anderes gewesen. Wie die zwei Hälften einer Nuß, die zusammengehören. Nuß? Wie komme ich nur darauf? Ein flüchtiges Lächeln zuckt um meine Mundwinkel, schnell wie ein Gedanke und ebenso rasch ist es auch schon wieder verschwunden. Bei Kronos würde der Vergleich fast stimmen. Aber er ist nicht nur außen hart, sondern auch innen. Wenn es so was wie menschliche Regungen in ihm gibt, so verbirgt er sie gut vor uns. Gegenüber, auf der anderen Seite des Feuers, sitzt Silas. Er schnitzt mal wieder eine seiner Figuren. Wenn er sie fertig hat, wird er sie in die Flammen werfen und ihnen zusehen, wie sie verglühen, bevor sie zu Asche werden. Ich beobachte gedankenverloren seine Bewegungen, mit denen er gleichmäßig mit seinem Messer an dem Holz entlang fährt, verfolge die Späne, die herunter fallen und zu Boden sinken. Auf seiner Stirn steht eine kleine Falte, er arbeitet sehr konzentriert, als wäre es ihm sehr wichtig, daß dieses kleine Kunstwerk gelänge. Man kann schon gut erkennen, was es wird: ein Pferd, das sich aufbäumt. Silas ist ein wahrer Künstler! Ich bewundere seine Geschicklichkeit aufrichtig und ich glaube, er weiß das auch, selbst wenn ich es ihm nie gesagt habe. Links von mir sitzt Caspian und singt eine derbe Ballade, die er von wer weiß woher kennt. In ihr geht es um Krieg und Blut und Tod. - Halt alles Sachen, die er mag und aus tiefster Seele verehrt. Ich habe nie gewußt, daß Caspian singen kann. Und mir fällt auf, daß ich eigentlich gar nichts über ihn weiß. Wo er herkam, was er vorher tat, warum er so ist, wie er ist. Er ist ein großer Mann, nicht wirklich schlank, mit Muskeln bepackt, wie wir alle. Schwächlinge können wir nicht gebrauchen bei uns! Hier gilt das Recht des Stärkeren, das Recht der Natur. Wer nicht in der Lage ist, sich zu behaupten, der geht unter. Zu recht, wie ich finde. Auch wenn ich Caspian nicht mag, so gehört er doch zu uns und ich würde alles tun, um ihn und sein Leben zu schützen und zu verteidigen. Er würde für mich dasselbe tun, das weiß ich. Denn immerhin sind wir Brüder.... Was ich bei ihm immer erschreckend fand, ist die Tatsache, daß ihm nichts etwas bedeutet. Außer unser Bund, vielleicht. Er tötet Menschen, wie es ihm gerade paßt, eine wahre Ausgeburt an Gewalt, Wut, Terror und Tod. Warum nur? Ich weiß es nicht... Aber weiß ich es denn von mir selber? Weiß ich, wo ich herkam? Wer ich bin??? Und warum ich so bin? Man nennt mich den Tod, "Weißer Tod" auch, und bei den Göttern, ich werde meinem Namen gerecht! Ich lasse mich auf den Rücken fallen, verschränke die Arme hinter meinem Kopf und starre in den Nachthimmel, der sich allmählich tiefschwarz färbt und die Sterne offenbart, die an ihm wohnen.
Ich erinnere mich an meinen ersten Menschen, den ich getötet habe. Als wäre es erst eben gewesen, sehe ich ihn vor mir: wie er mich herausfordert und wie ich seine Forderung annehme. Ich sehe den Kampf vor mir, höre unseren schweren Atem, rieche den Schweiß den der Kampf mit sich bringt, höre das Aufeinanderschlagen der Klingen, fühle, wie mich ein noch nie gekanntes Gefühl durchströmt: es erhitzt mein Blut, es rauscht in meinen Ohren, in mir ist kein Platz mehr für etwas anderes als ein einziges Wort: Vernichten! Ich denke nicht mehr, aus mir wird eine seelenlose Puppe, die wie besessen kämpft, nicht daran denkt, aufzugeben. Verflucht, ich bin doch noch so jung! Ich will, ich werde nicht sterben!!! Die Wut, die in mir wächst, verleiht mir neue Kräfte, macht mich stark und unbesiegbar. Wie von Sinnen fährt mein Schwert auf den anderen los, dem es immer schwerer wird, sich vor den Schlägen zu schützen. Endlich! Da ist eine Lücke in seiner Verteidigung. Ich nutze sie und treffe ihn tödlich. Mein Schwert bohrt sich in seinen Leib, der keinen Widerstand darstellt. Seine Augen sind vor Verwunderung weit aufgerissen und er starrt mich an, als könnte er nicht verstehen, was geschehen ist. Wahrscheinlich konnte er es auch wirklich nicht... Ich hätte mein Schwert heraus ziehen und ihn am Leben lassen können, obwohl seine Verletzung mit nahezu absoluter Sicherheit zum Tode geführt hätten. Doch ich tue es nicht. Es ist, als erfasse eine fremde Kraft von mir Besitz. Tief in mir ist eine kleine, böse Stimme, die mir zuflüstert: Nicht schnell! - LANGSAM! Laß ihn deine Macht erfahren! Ich will ihn leiden sehen, will, daß er seinen kommenden Tod erlebt, spürt, mit jeder Faser seines Körpers aufnimmt und daß er mich ansieht, wenn sein Augenlicht bricht und er in die anderen Welt hinüber geht. Meine Hand mit dem Schwert ruckt hoch, dann tue ich es langsamer. Er schreit. Was für ein Schwächling! Ich bin genervt und ziehe die Klinge entgegen allen Wünschen schnell durch, schlitze ihn vom Bauch bis zum Hals auf. Er kippt zur Seite. Er ist immer noch nicht tot und ich schaue ihm zu, wie das Leben aus ihm herausrinnt und im Sand versickert. Was? Du verfluchst mich? Ich habe gelacht, es hat mich ungeheuer amüsiert, daß ein Sterbender noch so große Töne spuckt...
Meine Augen folgen den Sternbildern über mir. Ich erinnere mich an einen alten Mann, der sie mir einmal erklärt hat und der viele Geschichten über sie zu erzählen wußte. Ich hab ihn am Leben gelassen, damit er mir beibringt, was er weiß. - Ganze zwölf Nächte! Es beruhigt mich, sie zu beobachten. Ihr Lauf offenbart sich nicht jedem und ich kann sie gewiß auch nicht alle deuten, aber ich denke, ich bin schon nicht schlecht darin. Im Gegensatz zu dem Alten glaube ich allerdings nicht daran, daß die Sterne unser Leben bestimmen. Wie sollten sie auch? Sie sind so weit weg. Wenn jemand unser Leben bestimmt, dann sind es die Götter. Und die Götter in dieser Gegend... - das sind wir. Mir fallen Menschen ein, die mir in meinem langen Leben begegnet sind. Kaum einer von ihnen hat einen größeren Eindruck hinterlassen. Es ist müßig, sich zu jedem Gesicht einen Namen zu merken und so schnell, wie die Menschen bei uns manchmal kommen und gehen, reine Zeitverschwendung. Nur wenige sind es, an die ich mich erinnern kann...
Kronos legt sich hin, ich kann seine Wärme spüren. Es ist schon verwunderlich, wie einer wie er so warm sein kann. Wenn man ihn kennenlernt, muß man das Gefühl bekommen, er sei nicht menschlich. Er ist hart und grausam, aber ich kenne auch andere Seiten an ihm. Kara fällt mir ein. Seit sie tot ist, hat er sie nie wieder erwähnt. Es hätte mich doch zu sehr interessiert, was er für die Kleine empfunden hat. Es ist verrückt, aber ich glaube, sie hat ihn wirklich geliebt. Und er?.... Ich muß an Cassandra denken. Sie hat mich auch geliebt. Oder zumindest dachte sie das. Was auch immer.... Kronos war sie immer schon ein Dorn im Auge gewesen und das war mit Sicherheit auch einer der Gründe, warum er sie zu sich genommen hatte. Nicht nur, weil sie nur mir diente... Sie hat ihn erstochen und ist geflüchtet. Ich hätte sie aufhalten können und eigentlich wäre es wohl auch meine Aufgabe gewesen, aber ich konnte einfach nicht. Allein der Gedanke an das, was sie erwarten wird, wenn man sie zurückbringt, ließ mir einen Schauer über den Rücken fahren, daß sich die kleinen Härchen dort aufstellten und ich fröstelte. Silas rollt sich zum Schlafen zusammen. So, wie er immer daliegt, sieht er aus wie ein riesiger Ball aus Decken und Fellen, aus dem vielleicht mal ein Bein oder ein Arm heraus schaut. Er schnarcht noch nicht einmal. Er wickelt einfach nur seine Arme um seine Knie und schläft. Auf der Seite, das Blatt seiner Axt unter dem Kopf. Er läßt sie nie aus der Hand, sie ist ein Teil von ihm wie alles andere auch, was Silas ausmacht: seine Kriegsbemalung, sein breites Lächeln, die Zutraulichkeit, mit der er an mir hängt. Wie ein Hund... Auf mich macht er immer den Eindruck eines großen Kindes, das Schutz und Beachtung sucht. Er mag ja nicht der schlauste sein, aber als Freund ist er mir lieb und teuer. Im Grunde ist er gutmütig, wenn man vor diesem Riesen aber in jedem Fall Respekt haben sollte. Caspian hat aufgehört zu singen. Auch er hat sich zusammengerollt und schläft schon. Er liegt auf dem Rücken und sein lautes Schnarchen macht mich wahnsinnig! Allein das wäre schon Grund genug, ihm die Kehle durchzuschneiden! Verärgert runzele ich die Stirn.
Kronos lacht leise, daß ich verwundert den Kopf drehe und ihn ansehe. Er trägt keine Kriegsbemalung mehr und wieder einmal wird mir bewußt, wie normal er doch eigentlich aussieht. Er wirkt sehr entspannt. Er liegt auf der Seite und seine Augen mustern mich mit unverhohlener Neugier. Er zieht mich an. Auf eine Art und Weise, die ich mir nicht erklären kann, zieht er mich an. Er hat so eine Ausstrahlung: animalisch, grausam, brutal, aber auf eine gewisse Art beruhigend und vertraut. Sie umgibt ihn wie ein unsichtbarer Mantel, umhüllt, wärmt ihn und läßt ihn weitaus größer erscheinen, als er in Wirklichkeit ist. War es diese Mischung, die Kara angezogen hat? Bei den Göttern, wie lange wird es dauern, bis ich nicht mehr an sie denken muß? Wenn ich meine Augen schließe, sehe ich ihr reizendes Gesicht vor mir: sie lacht mich an, sie ist zufrieden mit sich und der Welt, sie vermisst nichts. Ich muß an die vielen Abende denken, an denen wir im Schatten irgendeines Baumes oder auf der Kuppe einer Düne gesessen und uns unterhalten haben. Sie war klug. Viel klüger, als sie uns alle hat glauben machen wollen. Und sie lernte. Sie lernte allein durch Zuschauen, wenn wir uns aus lauter Übermut schlugen. Kríonnes Unterricht war zu nachlässig gewesen, als daß sie dort etwas gelernt hätte, aber im Lager der legendären Reiter des Bösen hatte sie all die Dinge kennengelernt, die man beherrschen mußte. Allein deswegen war es ihr gelungen, uns zu retten....
Ich sehe sie vor mir, wie sie sich vor Kronos in den Sand kniet, wie ihre schillernden Augen um Vergebung heischend zu ihm aufgeschlagen sind, als sie ihn um Verzeihung für ihr Tun bittet. Ich glaube, in dem Moment hat sie schon gewußt, daß wir uns nie wieder sehen werden. Wieder fühle ich den Schmerz, als wir versuchen die Fesseln zu sprengen. Kronos ist wütend wie nie zuvor. So hab ich ihn noch nie erlebt und ich reite schon verflucht lange mit ihm! Endlich ist es uns gelungen, uns zu befreien, und wir reiten ihnen nach. Wie wirklich ist doch der Schmerz, als ich nun daran denke, wie hinter den Dünen grelles Licht auftaucht, ein Heulen und Brausen, das alle anderen Geräusche unter sich begräbt. Trotzdem bin ich mir sicher, daß ich Kronos habe brüllen hören. Er prescht an mir vorbei und als wir ihn endlich einholen, steht er stocksteif auf einer Hügelkuppe und starrt in die Ebene vor sich. Es war, als fahre mir ein glühendes Schwert in die Brust, als ich den leblosen Körper da unten im Sand liegen sehe. Er ritt hinunter, saß stumm ab und stand einfach nur da und starrte sie an, während wir losritten, um den Mörder zu finden. Er begrub sie alleine, irgendwo. Nur er allein weiß, wo sie liegt. Seitdem ist alles anders.
Ich habe mich verändert. Nein, eigentlich habe ich mich schon vorher verändert. Kronos unterbricht meine Nachdenklichkeit und wir unterhalten uns über belanglose Dinge, bevor er sich auf die Seite rollt und die Augen schließt. Er ist wie ein wildes Tier; er schläft nicht richtig, ein Auge ist immer offen und wacht. Ich bin wieder alleine mit meinen Gedanken und kann ihnen ungestört nachhängen. Wann habe ich begonnen, mich zu verändern? Als Kara zu uns kam. Sie hat unser Leben auf ihre eigene, stille Art verändert. Ich sehe sie vor mir, wie sie Kronos auf ihre ganz spezielle Art Lust verschafft und mir damit meinen Kopf rettet. Wie sie aus dem Wasserloch steigt und mich zum ersten Mal beim Namen nennt. Nie zuvor hab ich für eine Frau etwas derartiges empfunden. Ich fühlte mich zu ihr hingezogen, ihr unaufdringliches Wesen war sehr angenehm und manchmal habe ich den unbändigen Wunsch verspürt, ihr eine Freude machen zu müssen. Sie war ja so bescheiden! Ein Armreif aus Knochen, ein Stück Brot oder Fleisch vom Abendessen, eine Geschichte, die ich ihr erzählte,... dies alles waren Dinge, die sie glücklich machen konnten, als gäbe es für sie nichts Kostbareres auf dieser Welt. Sie sog alles in sich auf, was sie lernen konnte. Alles, was ich ihr zeigte, alles, was Kronos ihr mit auf den Weg gab. Sie hatte sich schnell umstellen müssen. Zuerst wurde ihr Stamm getötet, dann verlor sie mit Kríonne den einzigen Menschen, zu dem sie Bezug gehabt hatte. Kronos als Herrn... Bei den Göttern, ich hätte ihr ein anderes Schicksal gewünscht! Ich erinnere mich an einen ganz besonderen Abend: wir saßen auf einer Düne und blickten still in die unendliche Weite der Wüste hinaus. Ich hatte mal wieder Streit mit Caspian gehabt und war immer noch außer mir. Und sie saß ganz still neben mir und hörte mir zu, während ich mir meine Wut von der Seele redete. Und dann sprach sie, so leise und sanft, wie ich es von ihr kannte, wenn wir alleine waren: "Sie sind nicht wie wir, Methos, sie sind anders. Willst du sie dafür verdammen?" Ich wußte darauf nichts zu erwidern. Wie kam diese kleine Sklavin dazu, mir zu sagen, daß ich anders war als meine Brüder? Als Kronos sie rief und sie gegangen war, um ihrem Herrn zu dienen, blieb ich sitzen und dachte nach. War ich anders als meine Brüder? Nein! Ich ritt, tötete, vergewaltigte, raubte und plünderte ebenso wie sie. Weiber erzählten ihren Kindern Schauergeschichten über mich, sie warnten die unartigen davor, daß der weiße Tod kommen und sie holen würde, wenn sie nicht folgten. Wir waren das Schlimmste, was sie in ihren armseligen Leben kannten, das Aufblitzen unserer Klingen war das letzte, was sie sahen, bevor wir sie auslöschten. Es war egal, ob sie Mann, Weib oder Kind waren, die Angst vor uns machte sie alle gleich. Das Hochgefühl, wenn Kronos die Jagd für eröffnet erklärte, das Donnern der Hufe in den Ohren, das heiße Rauschen in den Adern, wenn wir ihre Furcht sahen, die Erheiterung, wenn die dummen Menschen versuchten zu fliehen oder es gar wagten, sich gegen uns zu stellen.... Dies alles waren Dinge, die uns Tag für Tag ausfüllten, die wir hüteten wie Heiligtümer, bedeuteten sie für uns doch alles. Und dennoch... Es füllte mich nicht mehr aus. Ich war unzufrieden mit meinem Leben, mit der Richtung, die es genommen hatte. So viele Jahre schon wandelte ich auf Erden, außer Töten hatte ich nie etwas gelernt. Mit einem Mal mußte ich an die Zeit denken, als ich schreiben lernte, um meine eigene Geschichte aufzeichnen zu können. Anfangs nur eine Laune, später wurde es für mich zu einer Lebensaufgabe. Ich fühlte mit jedem Tag, den ich länger lebte, daß ich mich verlor, daß ich meine Vergangenheit verlor. Ein Mann ohne Vergangenheit hat auch keine Zukunft!, hat mein Vater immer gesagt. Ich lächele flüchtig, als ich daran denke. Ich weiß nicht, wie lange ich leben werde. Aber ich will, daß mir jeder Tag meines Lebens in Erinnerung bleibt. Und vielleicht findet jemand nach meinem Tod meine Aufzeichnungen und schreibt eine Ballade über mich? Als Gott der Verdammnis oder so... Das Wort war für mich ein weitaus schlimmerer Feind gewesen, als irgendeiner, an den ich mich erinnern konnte. Aber es hat mich ausgefüllt, meinen Tagen und Nächten einen Sinn gegeben... Vielleicht hatte Kara doch recht. Vielleicht fehlte mir nur eine neue Herausforderung? Ab da an habe ich viel nachgedacht. Kara sah es, doch sie schwieg dazu. Sie tat alles, um Kronos von mir abzulenken, weil sie scheinbar spürte, wie wichtig es mir war. Ich konnte damals keine Entscheidung treffen. - Und auch heute kann ich es nicht. Es ist, als würde Kronos mich an sich fesseln mit einer geheimen Kraft, die meinen Geist unterjocht und mir jeglichen eigenen Willen nimmt. Über 1000 Jahre reite ich nun mit ihm, er hat sich nie verändert. Er ist immer derselbe Kronos geblieben: der Mann, der einen unbeschreiblichen Spaß an dem findet, was er tut. Er hat nie den Wunsch verspürt, etwas anderes zu tun. Wenn es nach ihm ginge, würden wir bis ans Ende aller Tage gemeinsam reiten und Angst und Schrecken verbreiten.
Merkwürdig, wie die Sterne heute wandern.... Die Welt verändert sich, wir verändern uns... Nein, nicht alle, aber die meisten Menschen verändern sich mit den Zeiten, die sie umgeben. In mir schwelt es. Es ist wie ein unstillbarer Hunger, der immer weiter wächst, je länger ich versuche, ihn zu unterdrücken. Hunger nach Leben, nach Entwicklung, nach... MEHR. Ich fühle es: da draußen, weit weg von unserem Lager, muß es noch mehr geben, für das es sich zu leben lohnt. Das Sehnen in mir wird beinahe unerträglich. Aber ich weiß, daß es noch nicht soweit ist. Ich spüre es einfach. Ich sollte versuchen, mit Kronos darüber zu reden. Sollte wenigstens versuchen, ihm zu erklären. Ich schüttel unwillig den Kopf. Bin ich denn irre? Wenn ich das tue, ist mir seine Klinge an meinem Hals sicher! Meine Erneuerung würde ihm gewiß gut zu Gesicht stehen, dessen bin ich mir sicher. Bisher hat er es nicht versucht, weil er mich braucht. Aber was ist, wenn er feststellt, daß ich nicht mehr Methos bin? Nicht mehr der Tod, nicht mehr der strategische Planer, nicht mehr das Monster... Er würde mich töten, weil ich für ihn entbehrlich geworden wäre, - und ich könnte es ihm noch nicht einmal verdenken. Wahrscheinlich würde ich an seiner Stelle genau dasselbe machen. Ich grinse bitter. Sieht so aus, als wären Kronos und ich uns doch ziemlich ähnlich, wie?
Er dreht sich auf die andere Seite und ich werde das Gefühl nicht los, daß er noch wach ist. Die Sklaven hielten ihn immer für einen Dämon, weil er immer weiß, was man sagen oder tun wird. Ob er Gedanken lesen kann? Verwunderlich, daß ein Barbar wie er überhaupt lesen kann. Ich unterdrücke ein Seufzen. Er ist nicht so, wie viele ihn sehen. Er ist klug und verschlagen, voller Abgründe und Geheimnisse. Niemals habe ich ihn von seiner Vergangenheit sprechen hören, alles, was ihn selber betrifft, wiegelt er schon weit im voraus ab. Und wenn er einen ansieht, verläßt einen ganz schnell der Mut, ihn danach zu fragen. Ich habe ihn in all den Jahren schätzen gelernt. Seine kühle, überlegene Art, seine Vernunft, seine Kaltblütigkeit. Sein ganzes Sein ist mir so vertraut geworden, daß ich es fast nicht mehr missen möchte. Die Kraft, die sich hinter seiner zur Schau gestellten Sanftheit verbirgt. Es ist selten, daß er einmal die Stimme erhebt. Das sanfte Säuseln reicht völlig aus, um auch den Widerspenstigsten gefügig zu machen. Es gibt vielerlei Gründe, warum ich ihn nicht zu fürchten habe. Aber selbst ich vermeide es, ihn in Zorn zu versetzen oder überhaupt seinen Unmut zu erregen. Er ist nicht wie all die anderen... Er hat mir gezeigt, daß es für uns, die wir anders sind als diese dummen Sterblichen, im Leben mehr gibt, als sich in die Einsamkeit zurückzuziehen, damit die Menschen einen nicht fürchteten und mit ihrem Haß verfolgten. Ich habe unendlich viele Jahre versucht, mit den Menschen in Frieden zu leben. Aber ich war anders als sie und deshalb haßten sie mich und verfolgten mich voller Zorn und Furcht. Damals habe ich es als unerträglich empfunden. - Bis Kronos mir begegnete. Er nahm mich unter seine Fittiche und lehrte mich die wirklich wichtigen Dinge des Lebens. Daß man Macht ausüben konnte über die Menschen, daß unsere Gabe uns den Menschen überlegen macht und uns die Gelegenheit gibt, sie unserem Willen zu unterwerfen. Es war ein wundervolles Gefühl: Macht! Ich habe sie gespürt, - bei Kronos war es ja so einfach! - ich habe sie genossen, mit jedem Atemzug, den ich tat, habe ich sie in mir aufgesogen und sie füllte mich aus und machte mich zu einem Gott. Oh ja, ein Gott!
Tief inhaliere ich die kühle Nachtluft. Die Macht, die Kronos mir verlieh, berauschte mich, wie starker Wein fuhr sie mir ins Blut und erhitzte es bis ins unerträgliche. In mir kommt das Gefühl wieder hoch, daß ich so unendlich lange Sommer und Winter empfunden habe. Das Gefühl der Macht, der Lust, die diese Macht mit sich bringt. Lust auf's Töten, darauf, zu beweisen, daß ich - und nur ich! - Herrscher über Leben und Tod bin und daß mein Wort Gesetz ist. Ich kann mich diesem Gefühl nur schwer entziehen. Es ist ein alter Vertrauter, ein Freund in langen, einsamen Nächten, an kalten Tagen, wenn ich an mir selbst zweifelte und mich nach dem Sinn meines Daseins fragte. Es kommt und wärmt meine Seele, läßt Bilder von vollendeter Brutalität und Grausamkeiten vor meinem Geist entstehen, führt mir vor Augen, wer ich bin. Was ich bin. Warum ich bin. Wenn ich früher nur getötet habe, um zu überleben, so tötete ich mit Kronos, weil es mir Spaß machte. Ich verfeinerte meine Techniken, wurde zu einem wahren Meister darin. Wer kann schon ermessen, wie viele verschiedene Arten es gibt, einen Menschen zu Tode zu bringen? Meinem Geist sind die Spiele entsprungen, die wir an den langen Sommerabenden im Lager mit den Sklaven veranstaltet haben. Es war mir egal, was sie dachten oder fühlten. Wenn wir nach einem guten Ritt Sklaven mitbrachten und sie nicht benötigten, so ließen wir ihnen die Wahl: Waffe oder Pferd. Und wenn sie ihre Wahl getroffen hatten, ließen wir ihnen einen Vorsprung - zu einem Punkt unserer Wahl -, bevor einer von uns ihnen hinterher ritt. - Nicht einer von ihnen hat die versprochene Freiheit gefunden! Wenn wir manchmal zu viel getrunken hatten, packte uns der Übermut und die Sklavinnen, die uns dienten, wurden zur Zielscheibe für das Werfen mit den Messern. Unzählige haben den Tod dabei gefunden, doch das interessierte uns nicht. - Wir hatten ja genug! Und wenn es knapp wurde, so holten wir uns halt neue, was sollte es schon? Ein Frösteln überkommt mich, als ich daran denke. Ich kann mich an keine der Frauen erinnern, die auf so unwürdige Art und Weise gestorben sind. Damals war es für mich selbstverständlich. Es stand mir zu, mit den mir anvertrauten Leben umzugehen, wie es mir gerade einfiel. Ich fand nie etwas schlimmes daran, es war mein gutes Recht. Wann hatte ich keinen Spaß mehr daran gefunden? Wann quälte mich die Vorstellung ihres zermürbenden Todes, der sich manchmal über ganze Tage hinzog? Wann konnte ich die Schreie der Geschundenen nicht mehr ertragen und wäre am liebsten Hals über Kopf aus dem Lager geflohen, um diesen Geräuschen zu entgehen? Ich weiß es nicht mehr.... Manchmal kommt es mir wie ein böser Traum vor, aus dem ich jeden Moment aufwache und Kronos steht an meinem Lager und teilt mir mit, daß es Zeit sei aufzustehen, um sich für den nächsten Ritt fertig zu machen. Und ich würde den Kopf wenden und könnte draußen auf dem Platz zwischen den Zelten Kara sehen, die eilfertig ihrem Herrn seine Sachen bringt, damit er nicht unnötig lange zu warten brauchte... Ich wende meinen Kopf, doch da ist keine Kara. Da liegt nur Kronos und er sieht mich an. Betont harmlos lächele ich ihm zu. "Was ist, Bruder? Kannst du nicht einschlafen?" In seinen Augen blitzt es kurz auf und ich werde das Gefühl nicht los, daß er weiß, worüber ich nachdenke. Als ob er es fühlen würde, was mich bewegt. Nun streckt er die Hand aus und berührt mich ganz sacht an der Schulter. Seine Miene ist unbewegt, sie läßt keine Rückschlüsse auf seine Gedanken zu, - und das macht mich beklommen. Mir wird heiß und kalt unter diesem Blick. So muß einem Kaninchen zumute sein, wenn die Schlange es holt! Früher habe ich mich manchmal von Kronos sehr angezogen gefühlt. Als Mensch, - als Mann. Das waren hauptsächlich Zeiten gewesen, in denen es an Weibern mangelte, aber das alleine war es nicht. Er... erregt mich. - Immer noch. Diese flüchtige Berührung weckt meine Sinnlichkeit und für einen wahnwitzigen Augenblick wünsche ich mir mehr davon. Wahrscheinlich stehen mir meine Gedanken ins Gesicht geschrieben, denn nun lächelt er auch. "Deine Nachdenklichkeit hält den Schlaf von mir fern, Methos." erwidert er sanft. "Versuche, ein wenig zur Ruhe zu kommen; es wird dir guttun. Glaub' mir, alles wird sich finden..." Ich versuche zu lächeln, doch es mißlingt mir, und so schließe ich gehorsam die Augen und versuche, meine Gedanken zur Ruhe zu bringen, damit der ersehnte Schlaf kommen kann. Bei den Göttern, er weiß es!, schreit es verzweifelt in mir. Er wird, er muß handeln, er kann gar nicht anders. Hoffentlich seid ihr mir wohl gesonnen! Meine Gedanken kreisen immer langsamer. Ich fühle seinen Blick auf mir und bevor mich der Schlaf auf weichen Schwingen in die warme, beruhigende Dunkelheit hinüberträgt, frage ich mich noch, ob ich wohl den nächsten Sonnenaufgang erleben werde......
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