Crusader II
Überrascht, daß sie jemand bei ihrem Namen rief, drehte das Mädchen sich um und blickte in das erfreute Gesicht einer Gleichaltrigen, mit der sie zusammen aufgewachsen war. "Marla, was für eine Überraschung!" rief Turoks Sklavin freudig aus, ein strahlendes Lächeln erhellte ihre Züge. "Gut schaust du aus! Was tust du hier?" Marla strich sich mit beiden Händen bezeichnend über die feinen Sachen, die sie trug, und lachte hell auf. "Na, was wohl? Ich arbeite hier!" erwiderte sie fröhlich und in ihren runden Wangen zeigten sich Grübchen. Sie trug ein schlichtes Gewand aus Leinen, über dem sie eine riesige Schürze geknotet hatte, dazu leichte Sandalen und die langen Haare waren unter einem roten Kopftuch verschwunden, dessen Enden im Nacken kunstvoll verschlungen waren. In der Hand hielt sie einen großen Eimer, mit dem sie offensichtlich Wasser holen sollte. "Und du?" Alanas Gesicht überzog sich mit einem feinen roten Hauch. "Ich auch", murmelte sie etwas undeutlich und präsentierte ihren Wasserkrug. "Wie schön, dann können wir ja zusammen gehen!" freute sich Marla und zerrte die Freundin mit sich fort. Den Weg zum Brunnen legten die beiden Mädchen zunächst schweigend zurück, bis Marla neugierig fragte: "Ich habe gehört, daß du Turok dienst. Stimmt das?" Alana sah etwas unglücklich aus, als sie nickte. "Ja", bestätigte sie leise. "Wie ist er denn so?" bohrte die andere nach und machte Alana nur noch verlegener. "Genau so, wie man es sich erzählt", wich sie aus, und ihr wurden die Fragen zusehends unangenehmer. "Wie sieht es denn mit den Soldaten aus? Kann man Nachts im Lager umhergehen?" "Es ist uns verboten, uns außerhalb der Sperrzeiten im Lager aufzuhalten." Eine verächtliche Handbewegung wischte diesen Einwand beiseite. "Äh, na und!? Sag mal, kann man?" "Man kann, aber man darf nicht. Wenn sie dich dabei erwischen, erwarten dich harte Strafen. Turok selbst hat die Sperrzeit verhängt und läßt jeden Verstoß streng ahnden." "Das heißt, es gibt viele Wachen, ja?" "Alana!" Die beiden Mädchen blieben stehen und die eine drehte sich fragend um. Einer der Pagen, die für jeden noch so kleinen Dienst bei den Adeligen bereit standen, lief ihnen hinterher und laut schnaufend kam er bei ihnen endlich an. "Nehmt ihr mich mit? Ich war noch nie beim Brunnen!" "Sicher, komm. Philippe, das ist Marla." "Ja, ich kenne dich. Du arbeitest doch bei Duprès, nicht?" "Ja. Und du?" Philippe warf sich in die Brust. "Ich bin Page bei den Valois!" trompetete er stolz und erntete damit einen schwärmerischen Blick von dem Küchenmädchen, das sich schmeichelnd bei ihm einhängte und so mit ihm weiter schlenderte. "Nein, wirklich?" plauderte sie dabei. "Das klingt ja aufregend! Erzählst du mir davon?..." Als Alana mit Marla und Philippe wieder im Lager ankam, sah sie noch einige andere, die sie schon lange kannte. Freunde und Bekannte, weniger gute Freunde und Leute, denen sie am liebsten nie wieder in ihrem Leben begegnet wäre. Sie alle hatten sich im Lager der Kreuzfahrer zusammengefunden, um den Christen hier zu dienen, um ihnen ihre Wünsche zu erfüllen und für ihr leibliches und seelisches Wohl zu sorgen. Von etlichen Seiten aus grüßte man sie, wenn auch teils sehr zurückhaltend, wußte man doch um ihren Herrn und wollte vermeiden, daß man sie mit dieser Sklavin in Verbindung brachte...
Die in dunkle Schleier gehüllte Gestalt kniete am Boden. Sie hatte die Stirn auf die gefalteten Hände gelegt und schien ganz in Gedanken versunken zu sein. Die Kerzen warfen flackernde Schatten auf den Altar, vor dem sie kniete, und gaben der Umgebung eine Lebendigkeit, die sie nicht besaß. "Betest du für unseren Sieg?" Der alte Mann trat leise hinzu und stellte sich mit auf dem Rücken verschränkten Armen neben die Gestalt, die sich nicht regte. "Nein. Ich bete überhaupt nicht, das solltet Ihr wissen." Langsam erhob die Gestalt sich, die gut zwei Köpfe kleiner war als der Alte, der nach wie vor neben ihr stand. Der winkte nun mit einer knappen Bewegung ab und ging ein paar Schritte weiter. "Was also hast du herausgefunden?" "Die Kreuzfahrer haben Spione eingeschleust, die versuchen sollen, uns und unsere Treffpunkte ausfindig zu machen." Die Gestalt bewegte sich in entgegengesetzte Richtung zum alten Mann und machte bei einer Bank halt. "Durch die vielen Menschen, die den Pilgern folgen, ist es nahezu unmöglich auszumachen, wer Freund und wer Feind ist. Im Moment habe ich auch noch keinen Einfall, wie wir beide voneinander unterscheiden können." "Woran ließen sich die Spione erkennen?" Ein leises Lachen erklang. "Gebieter, wenn ich das wüßte, würde ich mir nicht solche Sorgen machen!" erwiderte sie ironisch, worauf der Mann mißbilligend die Stirn runzelte. Nachdenklich schritt die Gestalt auf und ab. "Am ehesten würde man sie daran erkennen, daß sie unsere Gepflogenheiten nicht kennen und nicht wissen, was wir wissen. Außerdem haben sie keine Ahnung, daß wir von ihrer Existenz erfahren haben. Das gibt uns einen Vorteil." Unruhig drehte sie und schritt den Weg wieder zurück, den sie gekommen war. "Allerdings ist es wichtig, daß wir keine Unschuldigen erwischen." sinnierte sie weiter. "Kannst du es herausfinden?" Die Schultern des Vermummten hoben sich und sanken wieder herab. "Ich werde es auf jeden Fall versuchen, mein Gebieter. Was ich brauche ist Zeit. Und Ruhe. Könnt Ihr mir beides garantieren?" "Ja." "Gut." Zwei Schritte brachten Abstand zwischen die beiden Personen. "Da wäre noch etwas." Zögerlich sprach die Gestalt diese Worte, als wüßte sie nicht so recht, was sie damit anfangen sollte. "Und das wäre?" "Es verbreitet sich das Gerücht, daß die Tempelritter auf dem Weg ins Geheiligte Land sind. Sie werden auch hier vorbei ziehen und sicherlich werden sie sich in diese kleine Episode einmischen, um ihren Ruhm zu mehren. Haben wir die Möglichkeit, sie aufzuhalten?" "Ich habe immer noch Freunde. Sie werden uns helfen. Was schwebt dir vor?" Die dunklen Schleier bewegten sich und verursachten ein raschelndes Geräusch in der ansonsten stillen Höhle. "Ich will kein Massaker. Ich will, daß sie mehr Zeit brauchen für ihren Weg als sie es einplanten. Wird Saladin Euch helfen, Gebieter?" "Wir werden es bald wissen. Wenn seine Leute uns den Rücken stärken, werden wir die Christen aus unserem Land verjagen." Die Gestalt verneigte sich tief, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, und zog sich dann eilig zurück, um ihr weiteres Vorgehen vorzubereiten.....
"Turok!" Die leicht näselnde Stimme überschlug sich fast vor Zorn und schwere Schritte näherten sich dem Zelt, in dem Kronos sich mit seiner Sklavin befand. Der Eingang wurde beiseite gerissen und der Kopf des Kriegers ruckte herum. In seinen Augen loderte es, doch als er den Mann im Eingang erkannte, legte es sich sofort wie ein Schatten über sie. Ein wenig verlegen blickte D'Aguile zur Seite. "Zieht Euch an und kommt in mein Zelt hinüber! Ich habe mit Euch zu reden!" Sprach es und verschwand. Kronos fluchte unterdrückt, als er sich von Alana runter wälzte. "Kann man sich denn nicht einmal in Ruhe amüsieren?" knurrte er böse, nach seinen Hosen angelnd und schlüpfte hinein. Vor sich hinbrummend streifte er sich sein Hemd über. Von hinten umfingen ihn schlanke Arme, die ihm sein Schwert gürteten. "Mmhmm, wenn du so weitermachst, überlege ich es mir noch einmal und ziehe mir lieber den Zorn von D'Aguile zu, anstatt dich zu verlassen, meine Kleine." Das Mädchen legte ihm den Umhang an und befestigte die Schnallen an den Schultern. "Das wäre ein wahrhaft schlechter Tausch, Herr." Sie lächelte ihn sanft an. Ein letztes Mal richtete sie den Umhang, dann konnte er gehen. Noch einmal faßte er sie im Nacken und presste seine Lippen auf ihre. "Warte auf mich!" Leise lachend ließ sie sich wieder auf seinem Lager nieder. Wo sollte sie wohl auch schon hingehen? Manchmal hatte er einen wahrhaft herzigen Humor!
* *
Gereizt sah D'Aguile auf, als sein Berater eintrat. "Da seid Ihr ja endlich!" fauchte er. "Ich konnte Eurer liebenswürdigen Einladung einfach nicht widerstehen." erwiderte Kronos im selben ätzenden Tonfall, so daß D'Aguile zurückfuhr, überrascht von so viel Frechheit. "Setzt Euch!" Leonard wußte nicht, was er als nächstes tun sollte, und so war dieser Befehl der erste Rettungsanker, der sich ihm bot. Brav setzte der dunkle Krieger sich, schlug die langen Beine übereinander und wartete auf eine Erklärung des Kriegsherrn. "Meine Spione in der Stadt wurden fast alle getötet!" entfuhr es dem Adeligen auch sofort. Kronos' linke Augenbraue zuckte. "Und wißt Ihr, was man bei ihren geschändeten Leichen fand? - Das hier!" Mit einer großartigen, theatralischen Bewegung warf D'Aguile seinem Berater eine Münze hin, die der geschickt auffing und eingehend betrachtete. Auf der einen Seite war eine Schrift eingraviert, die er nicht kannte, doch sie mußte schon sehr alt sein. Auf der anderen Seite war das Abbild des Königs zu sehen. Ein Mann im mittleren Alter, gekrönt mit einem Kranz aus Blättern. Lorbeer, vielleicht, oder auch Misteln oder so. Er wußte, daß diese Münzen gleich nach dem Einzug der Kreuzfahrer verboten und allesamt vernichtet worden waren. Eingeschmolzen, um den neuen Besatzern den Reichtum zu mehren. Ratlos drehte er sie zwischen den Fingern hin und her. Wo kamen sie her? Wer hinterließ diese Münzen bei seinen Opfern? Das Abbild des Königs.... Die Palastgetreuen? Dieses Ammenmärchen, das man sich noch immer hinter vorgehaltener Hand erzählte? Oder waren es die Rebellen, die von sich ablenken wollten? Verächtlich warf er die Münze auf den Tisch. "Und? Was soll uns das sagen? Daß Eure Spione bei weitem nicht so gut waren, wie Ihr gedacht habt. Ich habe Euch schon früher gesagt, daß Ihr mir freie Hand geben sollt." Wie eine gereizte Katze fuhr der Franzose herum. "Wollt Ihr mir etwa unterstellen, ich sei nicht fähig, meine Leute zu führen und die richtigen Entscheidungen zu treffen???" "Ich denke, daß Ihr zu beschäftigt seid, um derartig langwierige, minimale Entscheidungen zu treffen und mühselig in die Tat umzusetzen. Man muß jeden Schritt genauestens überwachen und Ihr habt doch wirklich Besseres zu tun, als ständig hinter Euren Männern her zu sein und die richtige Ausführung Eurer Befehle zu kontrollieren." Kronos spielte mit der Münze auf dem Tisch, ließ sie um die eigene Achse drehen, warf sie hoch und fing sie spielerisch wieder auf. D'Aguile beobachtete ihn finster dabei. Der offene Affront war deutlich und er fühlte Wut auf den Mann in sich aufsteigen. Doch ebenso sehr fürchtete er ihn auch, auf eine gewisse Art und Weise, die ihm selber nicht so richtig bewußt wurde. Aber irgendwie hatte Turok recht: er war zu beschäftigt, um sich um alles zu kümmern. Dennoch wollte er nicht so schnell klein beigeben! "Es wird sich alles fügen, glaubt mir!" schloß er diese unfruchtbare Unterhaltung energisch. Achselzuckend stand Kronos auf und ging.
Doch anstatt auf direktem Wege zu seinem Zelt zu gehen, suchte er seinen Knappen. "Markus, du wirst die Führer zusammenrufen. - Du weißt, wen ich meine. Sie sollen sich in meinem Zelt einfinden. Und dann bring uns Weiber! Jung, hübsch und leidlich sauber wenigstens, hast du mich verstanden? Ja? Dann geh! Und beeil dich!!!" Hastig verschwand der Junge zwischen den Zelten und Kronos schlenderte gemächlich in sein eigenes zurück. "Zieh dich an und besorg uns Wein!" wies er Alana an, die gehorsam auf ihn gewartet hatte. Flink kam sie seinem Befehl nach und verließ schnell das Zelt, um ihm den gewünschten Wein zu besorgen.
Als sie mit einigen Krügen im Arm zurückkam, war Kronos nicht mehr alleine. Er saß mit einigen anderen Soldaten, die Alana vom Sehen her kannte, auf dem Boden und sah ihr erwartungsvoll entgegen. Die Soldaten schauten auf und begrüßten sie mit begeistertem Gejohle, worauf ihr Gesicht wie in Blut getaucht aussah. Sie zwängte sich an den Rücken vorbei und stellte ihre schwere Last auf dem Tisch ab. Dann nahm sie einen Krug und schenkte den Männern ein. Sie hatte die Runde schon fast hinter sich, als der Zelteingang sich teilte und Markus die geforderten Frauen hinein schob, die man mit viel Beifall begrüßte. Ein jedes der Mädchen setzte sich an die Seite eines der Männer, doch als eine sich neben Kronos setzen wollte, winkte der ab: "Nein, Mädchen, ich habe schon Gesellschaft." Er winkte Alana zu sich und zog sie auf seinen Schoß. Das Mädchen schmiegte seinen Rücken an die breite Brust und zufrieden registrierte Kronos die neidischen Blicke, die seine Kleine auf sich zog. Seine Hände strichen ihre Arme hoch und runter und er konnte fühlen, wie sich die kleinen Härchen aufstellten. "Ist das gut?" raunte er ihr ins Ohr. Statt einer Antwort rieb sie ihren Rücken an seiner Brust und schnurrte leise. Er grinste. Dieses Treffen der Führer mit Wein und Weib war nur Tarnung, falls Leonard auf die Idee kommen sollte, ihm einen Besuch abzustatten. Selbst dem Gecken mußte es merkwürdig vorkommen, wenn so viele Führer sich zusammenfanden. Die Männer plauderten, tranken viel und vergnügten sich mit den Mädchen. Als die Stimmung sich nahezu auf dem Höhepunkt befand, fand Kronos es an der Zeit, sein Anliegen zu unterbreiten. "D'Aguile hat seine Spione in der Stadt verloren", begann er die Unterhaltung. "Ja, ich habe davon gehört." Der Mann, der sein Gesicht aus dem Ausschnitt seiner Gespielin hob, war William Monnay, ein Engländer mit französischem Ursprung, der seiner mütterlichen Seite der Verwandtschaft folgte und hier als Pilger kämpfte. Ob er so gläubig war, wie er tat, bezweifelte Kronos stark. Wahrscheinlich waren die Beweggründe für diesen Kampf lediglich die Aussicht auf ein Stück Land und ein angemessenes Maß an Wohlstand. "Die Rebellen wachsen sich allmählich zu einem unangenehmen Übel aus!" bemerkte nun auch ein anderer, Robert Clavier. Auch er richtete sich wieder auf, was seiner Gefährtin nicht wirklich gefiel, denn sie angelte nach ihm. Lachend wehrte er sie ab. "Später, mein Kind, später." Er rutschte sich bequemer zurecht und kreuzte die Beine, ließ sich von Alana noch Wein nachschenken und sprach geduldig weiter. "Es wäre an der Zeit, sie ein für alle mal auszurotten. - Doch dafür fehlt einigen Männern hier in diesem Lager wohl das Talent." fügte er boshaft hinzu und seine Augen glitzerten im Schein des Feuers. Patrick setzte sich hin. "Ich denke,..." "Ich denke, daß die folgende Unterhaltung nichts für Frauenohren ist", unterbrach Kronos ihn hier ruhig. Die Männer sahen sich um, so, als würden sie erst jetzt die Frauen wirklich wahrnehmen. Lächelnd klapste Robert seinem Mädchen auf den breiten Hintern. "Komm, Mädchen, geh in mein Zelt und wärme mir mein Lager schon mal an!" Mit nahezu denselben Worten schickten auch die anderen die Mädchen fort, bis nur noch Alana übrig war. - Und Kronos machte keine Anstalten, sie fortzuschicken. Stattdessen schlang er die Arme fester um sie und ließ sie etwas weiter nach hinten sinken, so daß sie leicht gegen seine Beine lehnte. "Nun,..." nahm Kronos den Faden wieder auf. "...ich denke, daß den Rebellen endlich Einhalt geboten werden muß." Zustimmendes Gemurmel erhob sich unter den Männern. "Was wollt Ihr tun, Turok? Habt Ihr schon einen Plan?" Die dunklen Augen glitzerten dämonisch, während sich die Lippen zu einem breiten, wissenden Grinsen verzogen. "Ja, den hab ich in der Tat." Suchend glitten seine Hände über ihren Bauch, sein Atem streifte ihre Schläfe und genüßlich schloß Alana die Augen. "Ich denke, wir sollten neue Spione in die Stadt schleusen. Sie sollten versuchen, herauszufinden, wo und wann die Rebellen sich treffen und wir werden sie dann festsetzen und dem Urteil eines gerechten Richters überlassen. So einfach ist das." Alana gab einen unbestimmten Laut von sich, den Kronos geflissentlich ignorierte. "Und wen werden wir für diese Mission auswählen?" "Ich habe da zwei oder drei Kerle im Auge. Ihr kennt sie, sie dienen unter euch. Morgen werden wir ihnen die passende Kleidung besorgen und dann in die Stadt schleusen. Das alles muß aber still und leise vonstatten gehen. D'Aguile wird es nicht gerne sehen, wenn wir ohne seine ausdrückliche Zustimmung etwas unternehmen." Die anderen nickten in stummer Bewunderung für diesen genialen Führer. Mit einem Mal hatten es alle sehr eilig, in ihre eigenen Zelte zu kommen.
Und während Kronos sich auszog, räumte Alana die Becher und Krüge weg. Von hinten umarmte er sie und drückte sie an seine Brust. "Und? Was denkst du darüber?" Sie verharrte in der Bewegung, drehte sich jedoch nicht um. "Ich... weiß nicht, wovon Ihr redet, Herr." stammelte sie wenig überzeugend. Fest umfaßten seine Hände ihre Schultern und er drehte sie zu sich um und zwang sie, ihn anzusehen. "Lüg mich nicht an! - Du weißt sehr wohl, wovon ich rede. Und ich will deine Meinung dazu wissen!" "Herr, ich bin nur... eine Sklavin. Was verstehe ich denn schon davon, wie man Krieg führt?" "Genau deshalb will ich es ja hören!" brummte er verstimmt. Sie seufzte schwer auf. "Herr, ich denke, wenn es so einfach wäre, die Rebellen zu vernichten, dann würdet Ihr nicht eine solche List anwenden", beantwortete sie dann seine Frage gehorsam. Verblüfft starrte er sie kurz an, dann lachte er laut auf. "Was bist du doch für ein kluges, kleines Mädchen!" lachte er, zog sie an sich und ließ sich mit ihr auf seinem Lager nieder......
Die beiden vermummten Gestalten trafen sich im schützenden Schatten eines Hauses. Kein Laut war zu hören, nur ein paar schnelle Gesten und ein Austauschen von Gegenständen, dann trennten sie sich wieder und verschmolzen mit der Nacht, während sie davoneilten. Die Lippen des Mannes, der diese Szene beobachtet hatte, verzogen sich zu einem dämonischen Grinsen, bevor er seine Kapuze tiefer in die Stirn zog und sich lautlos davon machte. An einigen kommenden Häuserecken stießen andere zu ihm und schweigend entfernten sie sich vom Schauplatz ihres Interesses.
Finster starrte Erisan den Berater D'Aguiles an, der vor ihm stand und ihn eingehend musterte. Langsam schritt Kronos um den Halbwüchsigen herum, kein noch so kleines Detail entging seinen wachsamen Augen. Seufzend beendete er seine Wanderung, indem er wieder vor dem Knaben stehen blieb und ihn fixierte. Der kleine Heide wurde unruhig und fing an, mit den Füßen zu scharren. "Entkleidet ihn!" befahl Kronos dann plötzlich. Erisan erstarrte. Noch bevor er einen klaren Gedanken fassen konnte, wurden ihm seine Sachen vom Leib gerissen, bis er bloß vor dem furchteinflößenden Mann und seinen Leuten stand. Schamrot im Gesicht versuchte er, seine Blöße mit den Händen zu bedecken, was Kronos ein belustigtes Grinsen entlockte. Er schnippte mit den Fingern und sofort stand ihm Markus zur Seite, der seiner Befehle harrte. "Einen Waschzuber und Seife! Dann etwas vernünftiges zum Anziehen! Spute dich!!!" Und während Markus die verlangten Dinge besorgte, betrachtete Kronos den Knaben noch einmal eingehend. Er hatte die typische Form der Menschen hier: schlank, mit einem Hang zum Massigen, kurze Beine und dicke Arme, einen langen Hals und diesen leichten bronzefarbenen Schimmer der Haut. Wie sehr unterschied er sich doch von Alana! Für einen Augenblick sah er sie vor sich: ihre weiße Haut, die leuchtenden blauen Augen, die feinen Gliedmaße, den schlanken, biegsamen Körper. - Da konnte Erisan beim besten Willen nicht mithalten! "Wahrscheinlich wirst du dich fragen, was wir wohl mit dir vorhaben, Knappe." Die flammenden Augen des Jungen begegneten seinen und hinter sich konnte Kronos das Glucksen und teilweise schadenfrohe Lachen seiner Kumpane hören. Ungerührt fuhr er fort: "Wir wollen dir die Möglichkeit geben, heute in dein weiteres Leben einzugreifen. Nutze deine Chance, es wird die einzige sein, die man dir gewährt!" Er wandte sich um. "Ich will ihn sehen, wenn er fertig ist!" bellte er in Richtung Knappen, dann verließ er das Zelt und schritt langsam durch das Lager hindurch, seine Augen suchten seine Sklavin in den Menschenmassen.
* *
Marlas Augen folgten der schmalen, weißgewandeten Gestalt, die - einen Krug geschultert - den langen Weg zum Brunnen antrat, um Wasser zu holen. Das junge Mädchen schüttelte mit einem leichten Stirnrunzeln den Kopf. "Sie ist wahrhaftig nicht zu beneiden." meinte sie dabei. Ishphan sah vom Lesen der Garben auf und folgte dem Blick ihrer Freundin. In ihre Augen trat ein Ausdruck von Mitleid. "Nein, wirklich nicht. Warum ausgerechnet Alana eine solche Prüfung auferlegt wird, ist mir ein Rätsel." "Sprecht ihr über Turoks Sklavin?" fragte eines der anderen Mädchen, die mit ihnen vor dem Versorgungszelt saßen und das Getreide reinigten. "Ja. Kennst du sie?" Das Mädchen schüttelte den Kopf. "Nein, aber Turok als Herrn zu haben, ist schon Strafe genug, wenn ihr mich fragt." Zustimmendes Gemurmel, verstohlene Blicke, ob man sie auch nicht belauschte, dann rutschten - wie auf ein unhörbares Kommando hin - alle näher und steckten die Köpfe zusammen. Marla zuckte mit den runden Schultern. "Keine Ahnung; sie spricht selten von ihm." "Wundert dich das!?" warf einer der eingeteilten Pagen ein, der zufällig gerade zu ihrer Runde stieß und die letzten Sätze aufgeschnappt hatte. "Es heißt, er habe bei Konstantinopel alleine gegen eine ganze Armee von Sarazenen gekämpft und alle getötet! Der Comte sei ihm so dankbar gewesen für das Retten seines Lebens, daß er ihn in seine Dienste nahm. Meine Herren sagen, er muß den Teufel im Leib haben. Habt ihr mal gesehen, wie er sein Schwert führt? Als wäre er damit geboren worden. Er reitet wie kein anderer. So etwas kann kein normaler Mensch tun! Wäre ich an ihrer Stelle, ich würde mich auch fürchten!" "Das ist doch kein Leben!" schnaufte ein Mädchen und zog schaudernd die Schultern hoch. "Wo sie doch so nett ist. Ich treffe sie manchmal morgens, wenn sie...." "Turok kommt!" Augenblicklich verstummten die Gespräche und alle Köpfe senkten sich wieder über die Garben, als wären sie das einzig Wichtige auf dieser Welt.
* *
Verstimmt sah Kronos die Leute, die sich dem Lager angeschlossen hatten: Bauern und Tagediebe, dreckige Kinder und schlampige Mädchen, Bettler, die auf Almosen hofften oder um ein Stück Brot, das man ihnen hinwarf, Alte und Kranke, die sich von den Pilgern Hilfe und Unterhalt erhofften. Sie alle waren in einem chaotischen Durcheinander hier vermischt und man mußte arg aufpassen, daß man nicht bestohlen oder des Nachts gemeuchelt wurde, wenn man ohne Begleitung unterwegs war. Sie alle würden sich umgucken, wenn das Heer weiterzog! Kaum einer von ihnen wäre in der Lage, ihnen zu folgen. Sein scharfer Blick streifte ein paar junge Männer, die am Boden saßen und würfelten. Zu nichts anderem nutze, als daß man sie vorschickte und so die Stellungen der Feinde auskundschaftete!, dachte er finster. Wo war sie nur? "Edler Herr, so alleine? Braucht Ihr etwas Gesellschaft?" Ein Mädchen in Kleidern, die vor Schmutz standen, trat ihm in den Weg und wiegte sich verführerisch in den Hüften. Fest sah er sie an und seine Stimme klang kalt: "Verschwinde, bevor ich dir Beine mache!" Eine ältere Frau, aber offensichtlich aus dem gleichen Gewerbe, zog das Mädchen eilig weg, so daß Kronos ungehindert weitergehen konnte. "Weißt du denn nicht, wer das ist? Das ist Turok, der Berater des Herrn D'Aguile!" Er bekam noch mit, wie das Mädchen scharf den Atem einsog, dann war er auch schon um eine Ecke verschwunden. Sein Name hatte also immer noch eine Bedeutung! Er war sehr mit sich zufrieden. Und als er sich nun weiter durch die Leiber schob, merkte er, wie man ihm Platz machte und ihn ungehindert passieren ließ, sorgfältig darauf bedacht, ihn nicht zu berühren. Schon wollte er seine Suche aufgeben, da erspähte er eine ihm sehr bekannte schmale Gestalt, die sich vorsichtig durch die Mengen bewegte. Auf ihrer linken Schulter trug sie einen Krug mit Wasser und ihr Haar lag naß und schwer auf ihren Schultern. Gemächlich blieb er stehen und wartete. Als Alana ihren Herrn gewahr wurde, beschleunigte sie ihre Schritte und stand kurze Zeit später vor ihm. "Du hast gebadet?" Sie nickte lächelnd. "Ich mußte Wasser holen und dachte, es wäre eine gute Gelegenheit. Habt Ihr Eure Besprechung beendet?" Ebenso langsam, wie er gekommen war, schritten sie gemeinsam seinem Zelt zu, sie immer einen Schritt hinter ihm, wie es ihr gebührte. "Mehr oder weniger", beantwortete er ihre Frage und zwängte sich zwischen tratschenden Weibern hindurch, die ihn teils neugierig, teils bewundernd musterten. - Ein Affront, der deutlich zeigte, daß sie keine Ahnung hatten, wer vor ihnen stand! Für Alana machten sie keinen Platz, sondern schlossen ihren Kreis wieder, so daß sie um die Frauen herum gehen und einen Schritt zulegen mußte, um Kronos folgen zu können. Hinter sich hörten sie noch, wie eine der Frauen verächtlich schnaufte: "Was glaubt die wohl, wer sie ist? Eine Sklavin! Soll sie doch laufen! - Aber ihren Herrn, über den können wir reden..." Und sie steckten wieder die Köpfe zusammen und tuschelten und kicherten. Er warf ihr einen schnellen Blick zu. Wenn die Worte der gehässigen Alten sie getroffen hatten, so zeigte sie es nicht. Ihr Gesicht war gleichmütig und ihre Schritte so beschwingt wie zuvor. Bei sich angekommen, ließ er ihr den Vortritt und schloß den Eingang sorgfältig hinter sich. Als sie den Krug abstellte, trat er hinter sie und legte sein Kinn auf ihr Haupt. "Würdest du dich besser fühlen, wenn ich sie für ihre Frechheit bestrafen lasse?" fragte er leise. Verwundert sah das Mädchen auf. "Was? Wen? Oh!... Nein, nein.... Das ist nicht nötig." Achselzuckend drehte er sich um und nahm sich am Tisch einen Becher Wein. Seit Alana bei ihm war, hatte sich die Qualität des Weines bedeutend verbessert. Eines Tages würde er ihr Geheimnis schon noch erfahren. - Selbst D'Aguile hatte keinen solchen Wein! Bequem setzte er sich verkehrt herum auf den Stuhl, legte seine Ellenbogen auf die Lehne und betrachtete ihren Rücken. "Mir scheint, du hörst so was öfter." stellte er ruhig fest. Für einen Augenblick verharrte sie in der Bewegung, dann stellte sie die Schale langsam ab und drehte sich um. "Menschen wie ich haben kein sehr angenehmes Leben, Herr." Fragend hob sich seine linke Augenbraue. "Menschen wie du?" Sie hob ihre Arme und streckte ihm die Handgelenke mit den goldenen Manschetten entgegen, die selbst hier im zwielichtigen Dämmerlicht des Zeltes hell blinkten. Eine Geste, die nichts Anklagendes oder Jammervolles an sich hatte, sondern nur die nüchterne Realität beinhaltete. "Denkst du, daß ich dich wie eine Sklavin behandle?" Sie lächelte und ihre Züge wurden weich, als sie mit wenigen Schritten bei ihm war und sich vor ihm auf die Erde kniete. "Herr, es ist vollkommen egal, was ich denke. Sie sehen nur das, was sie sehen wollen. Für sie bin ich nichts Besseres als einem Bauern der Ochse. Wollt Ihr sie dafür verdammen?" Vorsichtig nahm sie seine Hände in die ihren. "Sie sind halt so. Ihr solltet Euch über derart sinnlose Dinge nicht den Kopf zerbrechen." Wunderbar! Da saß er nun und ließ sich von einem kleinen Mädchen, mit ihren paar Lebensjahren!, über den Sinn des Lebens aufklären! Kronos mußte grinsen, als er mit seinen Gedanken an dieser Stelle angelangt war. Natürlich wußte er, daß sie recht hatte und er hatte in der Tat wichtigere Dinge im Kopf, als sich um unverschämten Mob zu kümmern, aber so ganz ungeschoren sollte ihm dieses Klatschweib nicht davon kommen! Nun, er würde sich später einen Kopf darum machen. Erst mal stand etwas ganz anderes an, dem er seine ganze Konzentration widmen mußte, sollte es kein Fehlschlag werden. Sein Zeigefinger fuhr über ihre Lippen und sie schloß für einen Moment die Augen. Dann liebkosten ihre Lippen zuerst seinen Finger, dann die Hand, die Innenfläche, das innere Handgelenk, erst der Ärmel seines Hemds hielt ihren Weg auf. Er konnte in ihren Ausschnitt sehen und ihm kamen ganz und gar unkriegerische Gedanken. An einer der Spangen, die das Gewand auf ihren Schultern hielten, zog er sie nahe zu sich heran. Eilige Schritte näherten sich seinem Zelt, dann wurde der Eingang vorsichtig beiseite gezogen. "Herr? Wir sind fertig. Wenn Ihr Euch den Knaben ansehen wollt?" Ein schweres Seufzen entrang sich dem Mann und sein Kopf sank kurz nach vorne. Dann erhob er sich ergeben und schritt schwer dem Ausgang zu. "Warte nicht auf mich, Kleines. Ich werde spät zurückkehren." Zustimmend neigte sie den Kopf, ihr Gesicht sorgsam vor ihm verbergend. Sonst hätte er gesehen, daß sie ziemlich traurig blickte und ihre Kiefer arbeiteten. Wie immer war keine Zeit für sie! Sie schluckte schwer, stand dann auf und verrichtete ihre Arbeiten. Sorgsam nahm sie den Umhang vom Tisch, den er heute Morgen so achtlos dahin geworfen hatte, setzte sich auf sein Lager und begann, ihn auszubessern. Prüfend hielt sie ihn ins Licht und begutachtete ihre Arbeit. Dann senkte sie wieder den Kopf und stichelte weiter....
* *
"Jaa, das sieht doch schon ganz anders aus. Findet ihr nicht auch?" Über die Schulter hinweg wandte er sich an seine Kumpane, die sich wieder einmal in seinem Fahrwasser befanden und den Berater und sein Werk begutachteten. "Ja, ganz ordentlich." "Hoffentlich weiß er was damit anzustellen!" "Vielleicht sollte das Gewand ihn nicht zu sehr einengen?" So und ähnlich klang es durcheinander und Erisan wurde es anders zumute. Was ging hier vor? Was wollten die Männer von ihm? Warum redeten sie so komisch? Vertraulich nahm Kronos ihn nun beim Arm und führte ihn ein paar Schritte weiter, wo er mit leiser Stimme auf ihn einredete: "So, mein Junge, jetzt hör mir mal gut zu. Ich habe gesehen, daß du wirklich gut arbeiten kannst und will dich dafür belohnen. Alleine kann ich das aber nicht, denn eigentlich ist das Aufgabe von unserem edlen Herrn, dem Comte D'Aguile. Ich konnte ihm dazu raten, daß er heute Abend mit dir sein Mahl einnehmen wird und dir obliegt es, ihn zu unterhalten. Verkaufst du dich gut, wird er dich gewiß befördern, wenn nicht gar zu seinem persönlichen Knappen machen." Kronos sah, wie es in den Augen des Knaben zu funkeln begann bei seinen Worten. Er glaubte ihm jedes Wort! "Du weißt, daß eine Beförderung in ein derart hohes, verantwortliches Amt mit einer ansehnlichen Summe verbunden ist, nicht wahr." Das Glitzern wurde gierig. Jetzt hatte Kronos ihn da, wo er ihn hin haben wollte. "Ich habe dir die besten Sachen bringen lassen, die aufzutreiben waren. Du hast gebadet und riechst wie ein französischer Adeliger. Der Rest liegt bei dir. Bist du bereit?" "Ja, Herr!" Erisan war fest davon überzeugt, daß er Turok falsch eingeschätzt hatte. Stets hatte er einen Feind in ihm gesehen und nun half ihm dieser edle Mann, in der Gunst des Herrn aufzusteigen, ganz ohne persönlichen Nutzen daraus ziehen zu wollen! Die Götter hatten seine Gebete erhört! So wäre es für ihn weitaus leichter, IHNEN den Weg zu ebnen und den richtigen Zeitpunkt abzuwarten, damit sie zuschlagen konnten. Kronos nickte ernst, weder seiner Miene noch seinem Gesicht war anzumerken, was er dachte oder vorhatte. Er nahm den Knaben beim Arm, wie einen Freund, und führte ihn zum Zelt des Comte D'Aguile. Offenbar demütig meldete er sich bei "seinem" Herrn. "Edler Herr, ich bringe Euch Eure Gesellschaft zum heutigen Abendmahl und ziehe mich mit meiner Sklavin zurück. Ich wünsche Euch einen angenehmen Abend." Damit schob er Erisan ins Zelt und eilte davon.
Ein Dutzend vermummter Männer, in langen, dunklen Mänteln, die im Nachtwind wehten, die durch die schlafende Stadt eilten. Sie verursachten keinen Laut, obwohl sie in voller Rüstung steckten, die schweren Stiefel wirbelten den losen Sand auf, der sich in kleinen Wolken sammelte und sich dann in der Dunkelheit verlor. Der Anführer hob die Hand und sie stoppten. Ein Wink nach links, einer nach rechts und die Gruppe teilte sich auf und eilte in zwei Lager gespalten weiter, einer kleinen Grotte zu, die im hinteren Teil eines großen Gartens lag, der zu einem Haus gehörte, nahe der Stadtmauern, und in dem ein Greis mit seiner Schwester lebte. Vor dem Zugang zur Grotte verbargen sie sich in den Büschen und warteten. Die Kapuzen tief in die Gesichter gezogen, verschmolzen die stummen Gestalten fast gänzlich mit ihrer Umgebung und waren nur mit sehr viel Mühe zu sehen. Sie hatten Zeit. Sie konnten warten. Ein paar Straßen vorher trafen sich zwei ebenfalls verhüllte Gestalten. Die eine zog die andere beim Ärmel und wisperte ihr hastig etwas ins Ohr, dann ließen sie sich los und verschwanden in verschiedene Richtungen. Eine von ihnen zurück in die Stadt, eine in die Richtung, wo die unsichtbaren Gegner lauerten. Die Schleier flatterten im Wind, während der Vermummte vorwärts hastete, nicht nach links oder rechts blickend, sondern nur seinem Weg folgend, bis er plötzlich von der Straße abbog und zwischen Büschen hindurch verschwand. Die Schritte waren auf dem ausgedörrten Boden kaum zu hören; der Fremde wußte, was er tat. Er rannte, wie um sein Leben. Um eine Ecke, über einen Graben, durch Büsche und Beete, durch verwilderte Gärten und über einen kleinen Schuppen. Er fegte um die Ecke und blieb wie angewurzelt stehen. Erschrocken fuhr die Gestalt zurück und preßte sich dicht an die Wand in ihrem Rücken. Vorsichtig lugte sie um die Ecke und beobachtete aus scharfen Augen die anderen, die vor dem Zugang zur Grotte auf ihre Opfer warteten. Verflucht! Es war bereits zu spät! Nie im Leben konnten jetzt noch alle gewarnt werden! Sie würden ihren Häschern in die Hände fallen und dann mochten ihnen die Götter gnädig gesonnen sein! Dem Verhüllten blieb nur abzuwarten und zu hoffen. Hoffnungen waren etwas sehr trügerisches! Kurz, nachdem der dunkel gewandete Schatten seinen Beobachterposten bezogen hatte, wurde es in der Grotte lebendig und fünf ebenfalls in lange, dunkle Schleier gehüllte Gestalten erschienen im Eingang. Und dann ging alles ganz schnell: sie wurden gefaßt und blitzartig überwältigt, ohne jegliche Gelegenheit zur Gegenwehr. Man band ihnen die Hände und schlug sie zusammen. Und als sie halb besinnungslos am Boden lagen, band man sie mit einem Strick an den Hälsen zusammen, zwang sie hoch und stieß sie vor der Schar her, die ihre groben Späße mit den Bedauernswerten trieben. Die versteckte Gestalt stöhnte unterdrückt auf. Mögen die Götter euch beschützen! So leise, wie sie gekommen war, so leise zog sie sich auch wieder zurück und unbemerkt eilte sie davon.
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"Was soll mit ihnen geschehen, Turok?" Der nahm die Kapuze ab und schüttelte sich das Haar auf, das ihm verschwitzt und verklebt in der Stirn hing. Mit dem Handrücken wischte er sich den Schweiß von der Stirn, dann bohrten sich seine dunklen Augen in die Gefangenen, die gefesselt und geknebelt, mit verbundenen Augen, zu ihren Füßen hockten und auf die Erfüllung ihres Schicksals warteten. "Ich möchte,..." begann er salbungsvoll, dann stockte er und blickte die fünf sinnend an. Ein breites Grinsen zog sich über sein Gesicht, weder freundlich noch fröhlich, sondern kalt und berechnend war es, und dem Mann, der gefragt hatte, wurde es kalt. Wieviel mehr war er überrascht, als er die Antwort hörte, die Kronos nun gab: "Ich möchte, daß sie in vier Tagen wieder frei gelassen werden!" "Wie bitte?" "Vier Tage!" Kronos drehte sich um und ging, ohne eine weitere Erklärung abzugeben. Vor der unterirdischen Höhle, in der sie die fünf gefangen hielten, bestieg er sein Pferd und ließ es im gestreckten Galopp ins Lager zurück laufen. Er war müde und fühlte schon den ganzen Tag das Prickeln in den Adern, das Alana bei ihm verursachte. Heute Nacht würde sie niemand mehr stören!
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Als Kronos sein Zelt betrat, blieb er stehen und betrachtete das Mädchen: sie schlief schon, das Haar war naß und an ihrem Körper konnte er Schweiß sehen. Diese Nacht war unerträglich heiß und er wollte nur noch aus seinen Sachen raus. Wie sehr wünschte er es sich, unter freiem Himmel zu schlafen und leben, wo ein leichter Wind ging und angenehm kühlte. Hier im Zelt stand die Luft und man hatte das Gefühl zu ersticken. Er beugte sich über sie. "Wach auf!" "Hm?" Sie schlug verschlafen die Augen auf und setzte sich schlaftrunken hin. "Steh auf!" Ohne nach dem Wieso und Warum zu fragen tat sie es und ließ sich willig von ihm mitziehen, aus dem Zelt, zu seinem Pferd. Er hob sie hoch und schwang sich dann selber wieder in den Sattel. Ohne ein Wort der Erklärung wendete er und preschte in die Wüste hinaus. Als er den richtigen Platz gefunden hatte, hielt er an, stieg ab und hob sie wieder herunter. Er nahm seinen Umhang ab und breitete ihn sorgfältig auf der Erde aus. Schweigend nahm er ihre Hand und zog sie mit sich runter auf den Mantel. "Komm her!".... Als er mit ihr fertig war, wickelte er seinen Umhang um sich und das Mädchen. Und wenn sie auch fast sofort einschlief vor Erschöpfung, blieb er wach und starrte in den Nachthimmel, wo seine Augen den Sternbildern folgten. Er überdachte seine nächsten Schritte, jetzt hatte er endlich genug Ruhe dafür. Auf seiner Brust spürte der das nicht nennenswerte Gewicht von Alana, am Hals ihren gleichmäßigen Atem. Ihre Wärme tat ihm gut und er fühlte so etwas wie Frieden in sein Innerstes einziehen. - Ein merkwürdiges Gefühl......
* *
Als der erste Strahl des neuen Morgens am Horizont auftauchte, rüttelte Kronos seine Sklavin leicht an der Schulter. "Wach auf! Wir reiten zurück." Müde fuhr sie sich mit der Hand über die Augen und gähnte herzhaft, wobei sie sich ausgiebig reckte und streckte. Langsam erhob sie sich und dehnte die steifen Glieder. - Auf dem Boden schlafen war alles andere als bequem, noch dazu, wenn es so kalt war, wie in der letzten Nacht. Mit beiden Händen rieb sie sich das Gesicht, fuhr sich durch die Haare und richtete ihr Gewand. Verfolgt von den belustigten Blicken des Kriegers, der ihr interessiert zusah. "Bist du fertig? Gut, dann können wir ja." Ihr entging nicht der leichte Spott in seiner Stimme, als er mit ihr sprach, doch sie verschwendete keinen weiteren Gedanken darauf. Zu sehr hatte sie sich schon an diesen Ton gewöhnt. Zurück im Lager machte er sich frisch und zog eine andere Uniform an. Als Alana ihm die alte abnahm, schnupperte sie an ihr und Kronos sah, wie sie das Gesicht verzog. "Wir sind im Krieg, mein Kind. Niemand wird erwarten, daß ich wie in einem adeligen Salon rieche." Schuldbewußt senkte sie den Kopf. "Verzeiht mir." Lässig winkte er ab. Er stellte sich in den Raum und breitete beide Arme aus, damit sie ihn ankleiden konnte. Leicht glitten ihre Hände über ihn und vollendeten das Werk, das er begonnen hatte. "Turok?" D'Aguiles näselnde Stimme störte die friedvolle Stimmung, als er sich nun dem Zelt seines Beraters näherte und den Eingang beiseite zog. Fragend wandte der Angesprochene den Kopf. D'Aguile sah sehr zufrieden aus und war bester Laune. Kronos grinste verhalten. Ob es Erisan wohl ebenso gut ging? Gemütlich setzte D'Aguile sich auf den Stuhl und betrachtete Turok und seine Sklavin, wie sie ihn ankleidete. Sein Berater hatte einen guten Geschmack, was Frauen anging, und sie schien still und willig zu sein. - Zumindest hatte er nie gehört, daß Turok die Stimme gegen sie erhob, so, wie es bei vielen anderen Männern und deren Sklaven der Fall war. Die Menschen aus diesem Landstrich waren in der Regel aufsässig und alles andere als willig, widerspenstig und frech, und wenn jemand einen von ihnen in seine Dienste nahm, so hatte er sich das gewiß nicht gut überlegt. Es war angenehm, mal einer Ausnahme zu begegnen. Mit einem seligen Lächeln dachte er an Erisan, den Turok ihm letzte Nacht gebracht hatte. Auch er war abweisend gewesen, doch Leonard kannte genug Mittel und Wege, sein Gegenüber davon zu überzeugen, daß es besser wäre, ihm zu gehorchen. Und letztendlich hatte der Junge sich fügen müssen.... Kronos sah die entrückte Miene Leonards und dachte sich seinen Teil. Es geschah, seiner Meinung nach, dem kleinen Heiden recht, daß er D'Aguile in die Hände fiel und er hatte kein Mitleid mit ihm. Außerdem hatte Erisan seinen Teil zum Gelingen des ersten Teils von Kronos' Plan, der die Vernichtung der Rebellen zum Ziel hatte, beigetragen, und das sollte ihn doch eigentlich stolz stimmen. Auch, wenn er heute gewiß nur auf dem Bauch schlafen könnte, aber so hatte halt jeder seinen Anteil am gemeinsamen Sieg zu tragen. Ein triumphierendes Glitzern trat in Kronos' Augen. Alles lief genauso, wie er es vorausgesehen hatte! Alana legte ihm sein Schwert um und er zurrte den Gürtel fest. "Geh. Ich werde dich rufen, wenn ich dich brauche!" wies er sie an. Sie verneigte sich und nur ein leichter Lufthauch zeigte, daß sie seinem Befehl nachgekommen war, als sie lautlos ging. "Ihr scheint sehr entspannt zu sein, edler Herr. So wart Ihr mit dem Knaben zufrieden, den ich Euch ausgewählt habe?" Der Franzose sollte auf gar keinen Fall vergessen, wem er dieses Glück zu verdanken hatte, daß er jetzt so strahlte. Lächelnd nickte der Kriegsherr. "Ja, und ich danke Euch für dieses überaus reizvolle Geschenk, Turok. Doch zu etwas anderem: meine Spione berichteten mir, daß Unruhe unter den Rebellen herrsche. Mit ein wenig Glück werden sie nun unvorsichtig und wir können ihnen ein für alle Mal das Handwerk legen. Was wißt Ihr darüber?" Kronos war nicht anzumerken, was er dachte oder fühlte. Er strahlte Unbeteiligung aus, Ruhe, Gelassenheit. Seine Miene war ausdruckslos, als er sich D'Aguile nun gegenübersetzte und seine Stimme klang fast verwundert, als er antwortete: "Unruhe unter den Rebellen? Was versteht Ihr unter Unruhe? Und wie äußert sich das?" Die schlanke Hand des Franzosen wischte durch die Luft. "Das konnten sie mir nicht sagen, doch es scheint, als wäre etwas geschehen, das man nicht erwartet hatte oder so. Ich dachte, Ihr wüßtet etwas darüber." Er erhob sich und Kronos tat es ihm gleich. "Nun, wie dem auch sei: wir werden sie weiterhin scharf beobachten und beim ersten Anzeichen von Gewißheit zuschlagen. Begleitet Ihr mich, Turok? Ich möchte mir die Lager ansehen." "Aber gerne, Herr." Kronos ließ dem Gecken den Vortritt, als sie nach draußen traten, und so entging Leonard das kalte Grinsen in seines Beraters Gesicht.
* *
Die Lager waren - wie nicht anders zu erwarten - in bester Ordnung. - Soweit man hier davon sprechen konnte. Stellenweise mußten die Zelte mit Sachen geflickt werden, die dafür nicht gedacht waren, weil es hier einfach an allem fehlte: Leder, Metall, Stoffe, alles. Die christlichen Kreuzfahrer mußten sich mit primitivsten Dingen zufriedengeben, denn selbst die zunehmend verarmte Bevölkerung konnte ihnen nicht helfen, auch wenn sie es gewollt hätte. Die Nachschubwege funktionierten schon lange nicht mehr und so bot sich den beiden Befehlshabern ein recht gewohntes Bild, als sie durch die Zeltstadt gingen. Das übliche halt: Zelte, die herunterkamen, abgerissene Gestalten, die vor ihnen herumlungerten, umherliegende Waffen und sie hatten einiges Diebesgut sicherstellen können, das sich irgendwelche einfache Soldaten wohl bei einem Zug durch die Stadt gesichert hatten. Eigentlich konnte Kronos zufrieden mit sich sein. - War er aber nicht! Es lag ihm im Magen, daß er mit den Rebellen nicht so schnell weiterkam, wie er es gerne hätte, und das ließ ihn gereizt wirken. Ihm saß die Zeit im Nacken, die Tempelritter rückten immer weiter vor und in ein paar Wochen würden sie auf die christlichen Kreuzfahrer treffen, um mit ihnen weiter zu ziehen. Damit sah Kronos seinen Plan vom eigenen Königreich in unerreichbare Ferne rücken und das stimmte ihn alles andere als glücklich. Zwischen seinen brennenden Augen stand eine kleine, steile Falte und jeder, der ihm begegnete, sah zu, daß er schnell an Land gewann, wollte er es sich nicht mit Turok verscherzen. Wieder einmal hatte Kronos D'Aguile darauf hingewiesen, daß sie mehr Pferde brauchten, erst recht, wenn sie ihr Lager abbrechen und weiterreisen würden, Edessa zu, dem Ort ihrer Bestimmung. Obwohl der erfahrene Krieger sich sicher war, das der jetzige Herrscher über Edessa schon seine Vorbereitungen bezüglich des Eintreffens der Kreuzfahrer getroffen hatte. Gewiß würden sich einige Träume nicht verwirklichen lassen, doch was kümmerte es ihn, wenn er sich unterwegs absetzte und sich sein eigenes Reich erschuf? Er konnte es schon vor sich sehen: ein blühendes Land, seinem Herrscher vollkommen ergeben, gesegnet mit Reichtum und einer Armee von vernichtender Durchschlagkraft, unerschrocken und tapfer, ganz so, wie eine Armee sein sollte. Er sah sich schon in königlichen Gewändern, auf einem Thron aus Gold, umgeben von.... In seine Gedanken schob sich ein Gesicht: hübsch und sanft, mit blauen Augen, die ihn anstrahlten. Ein winziges Lächeln zuckte in seinen Mundwinkeln. Vielleicht sollte er Alana mitnehmen? Im Moment hatte er das Gefühl, als könnte er ihrer niemals überdrüssig werden. Sie war so anders als all die anderen Frauen, die er kannte. So sanft und lieb, zärtlich, mit einer schier unstillbaren Leidenschaft und einem echten, tiefen Gefühl für ihn. Allerdings wäre der Weg wohl zu beschwerlich für sie und sofort verdüsterte sich Kronos' Miene wieder. Neben sich hörte er das endlose Blabla seines Heerführers, das an seinen Ohren vorbeirauschte. Er hörte kaum zu, was der andere redete. Sie schritten nebeneinander her, kreuz und quer durch die Zeltstadt und D'Aguile redete und redete, ohne Unterlaß und ohne Pause. Ob er wohl auch einmal Atem holte?
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"He, warte doch!" "Laß mich in Ruhe!" Das Mädchen riß sich los und funkelte den Jungen zornig an. Der Knabe dachte gar nicht daran. Er machte einen Satz und erhaschte den Zipfel ihres Gewandes. Sie hatte es so eilig, daß das Ergebnis ein sattes Geräusch war, mit dem der dünne Stoff riß. Wutentbrannt fuhr sie herum und eine saftige Ohrfeige landete dem Unverschämten mitten im Gesicht. Sofort färbte die Haut sich dort tiefrot und verwundert rieb er sie sich. Dann packte ihn die Wut. "Was glaubst du wohl, wer du bist, Sklavin? Wenn ich es will, hast du mir zu Willen zu sein, hast du das verstanden?" Einen Augenblick lang sah Alana Erisan fassungslos an, dann brach ein wahrer Lachanfall aus ihr heraus. "Du Narr! Für wen hältst du dich? Du bist nicht besser als ich und glaubst, dich hier zum Herrn aufschwingen zu können? Geh mir aus den Augen, Knappe, sonst wirst du es bereuen!" Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, dann packte er sie plötzlich bei den Schultern und drängte sie mit dem Rücken gegen das Gatter einer Koppel. "Du kleine Hure! Hast du denn gar keinen Stolz? Du wirfst dich denen an den Hals, die uns vernichten werden! Aber was kann man von einer wie dir schon erwarten?" zischte er böse, und fuhr dann aufgebracht fort: "Doch tu es nur weiter! Wir werden unser Land und unsere Herrscher zurückbringen und dann werden all die, die uns verraten haben, einen grausamen Tod sterben und mit ihren Untaten vor die Götter treten müssen! Und ich schwöre dir, Hure, du wirst eine der ersten unter ihnen sein!!!" In Alanas Gesicht zuckte es bei diesen harten Worten, doch ihre Augen lebten. Sie verdunkelten sich und sprühten Blitze gegen diesen unverschämten Kerl, der sie belästigte, seit er sie das erste Mal hier im Lager gesehen hatte. In ihr brodelte es. Sie hatte genauso viel Stolz und Ehre wie jeder andere hier auch! Wie konnte er es wagen, sie derart anzugehen??? Sie fühlte, wie die Hände des stinkenden Knaben sich fester um ihre Schultern schlossen und sie glaubte, die Knochen müßten ihr zerbersten unter diesem Griff. Sie wußte sich nicht anders zu helfen, als daß sie kräftig zutrat und ihn an einer sehr empfindlichen Stelle traf, so daß er stöhnend von ihr abließ. Sie nutzte die Gelegenheit und lief eilig fort. Doch Erisan erholte sich schnell und setzte ihr nach. Bei einem Zelt, in dem Waffen aufbewahrt wurden, holte er sie ein, riß sie herum und streckte sie mit einem Faustschlag zu Boden. Rüde griff er ihr ins Haar und zog sie hoch, um sie noch einmal zu schlagen, da wurde seine Faust abgefangen und ein weitaus kräftigerer Schlag traf ihn im Magen. Nach Luft ringend wälzte Erisan sich am Boden. Über ihm stand Markus und blickte finster auf ihn nieder. "Versuch dich mal nicht an Schwächeren!" knurrte er zornig. Er hatte die beiden schon eine ganze Zeit lang beobachtet und gesehen, daß Alana D'Aguiles neuen Knappen loswerden wollte. Als sie weggelaufen war und Erisan sie eingeholt und geschlagen hatte, hatte er sich genötigt gesehen, doch mal einzugreifen. Alana und er hatten sich schnell angefreundet, nachdem er sich bei ihr für die etwas rüde Behandlung entschuldigt hatte, und sie verstanden sich sehr gut. Zudem hatte sie Anteil daran, daß sein Herr selten schlecht gelaunt war und er dadurch ein etwas leichteres Leben hatte. Auch ein Grund, ihr dankbar zu sein und sich um ihr Wohlergehen zu kümmern. Sie steckte in Schwierigkeiten? Er würde ihr jederzeit helfen! Als Erisan Anstalten machte, sich zu erheben, ballte Markus die Hand zur Faust und ließ sie drohend vor dem Gesicht des anderen schweben. "Ich rate dir, halt dich von ihr fern! Sehe ich dich noch einmal in ihrer Nähe, kannst du was erleben!" Noch einmal trat Markus dem am Boden liegenden in die Seite, dann wandte er sich an Alana, die mittlerweile aufgestanden war und ihnen ängstlich zusah. "Alles in Ordnung mit dir?" Sie nickte tapfer. "Ja, danke." Sanft faßte Markus ihr unter das Kinn und hob es ins Licht. Auf ihrer Wange zeigten sich die ersten Anzeichen einer Schwellung, da, wo Erisan sie geschlagen hatte. "Soll ich es unserem Herrn berichten? Er wird sich darum kümmern." "Nein!" wehrte sie erschrocken ab. Markus sah sie mitleidig an. Schämte sie sich, weil sie geschlagen worden war und sich nicht hatte wehren können? Lächerlich! Erisan war groß und stark und selbst ein Knappe konnte seine Not mit ihm haben. Nun gut, wenn sie es nicht wollte, würde er schweigen. "Komm, wir werden deine Wange kühlen. Mit etwas Glück wird er nichts sehen." Sie lächelte verzerrt und folgte ihm dann stumm, keinen Blick mehr an Erisan verschwendend.
Kronos' dunkle Augen folgten ihnen, obwohl sie es nicht merkten. Er hatte alles gesehen und nahm sich vor, mal ein ernstes Wort mit Erisan zu reden. - Und zwar jetzt gleich! Er wartete, bis Alana und Markus weit genug weg waren, dann lenkte er die Schritte seines Herrn in die Richtung, in die er wollte. Ganz unauffällig, ganz harmlos, so, als wäre es ihm selber nicht bewußt, welchen Weg er wählte und würde immer noch den Worten des Franzosen lauschen. Als Erisan sie kommen sah, rappelte er sich eilig auf und verschwand. Kronos tat einen Schritt in seine Richtung, als ein Soldat überhastet angelaufen kam und sich überstürzt vor D'Aguile und Turok verneigte. "Edle Herren, wir benötigen Eure Hilfe!" sprudelte er hervor. "Was gibt es?" fragte D'Aguile streng. "Da hinten..." Der Soldat machte eine Handbewegung zu seinem Rücken hin. "...da haben sich ein paar Städter zusammengerauft und angefangen zu pöbeln. Und unsere Soldaten, sie haben die Herausforderung angenommen und nun..." Mehr brauchte er nicht zu sagen. Bis hierher waren das Lärmen und die Schreie zu hören, das Klirren von Waffen und das rhythmische Stampfen von Füßen, welches die Kämpfenden anfeuerte. In einer nahezu lächerlich anmutenden Bewegung warf D'Aguile sich seinen Umhang um und schritt eilig davon, um seine Autorität an den Ort dieses ungeheuerlichen Geschehens zu bringen und die Männer zu trennen. Kronos folgte ihm. Er war wütender denn zuvor, war ihm doch der Knappe durch die Lappen gegangen dadurch. Nun ja, der würde ihm schon nicht entkommen....
Als sie die Raufenden erreicht hatten, bot sich Kronos und dem Comte ein ziemlich gewohnter Anblick: an die sieben Städter balgten sich mit einer ebensolchen Anzahl an Soldaten am Boden. Sie benahmen sich wie Weiber: sie rissen sich an den Haaren, kratzten, bissen und spuckten, traten um sich und prügelten sich mit einer Verbissenheit, die Kronos' Heiterkeit erregte. Belustigt beobachtete er die Zankenden, die sich im Sand wälzten und sich wüste Beschimpfungen an den Kopf warfen. Neben sich hörte er, wie der Franzose schwer atmete. Er wandte den Kopf und mußte sich ein lautes Auflachen verbeißen: da stand er, der Comte D'Aguile, Schweiß auf seiner adeligen Stirn, ein Taschentuch malträtierend in den schweißnassen Händen, während er auf die verschwitzten Leiber am Boden starrte, auf das Blut, auf die Muskeln, die in der Sonne glänzten,.... Ihm schwanden fast die Sinne! Bevor sein edler Gebieter hier umkippte, mischte Kronos sich ein: "Schluß damit!!!!" donnerte er und erschrocken fuhren die Streitenden auseinander. Betreten sahen sie den Berater D'Aguiles an, dessen dunkle Augen sie finster anfunkelten. Alle, sowohl Soldaten als auch Stadtbewohner, fühlten sich unwohl unter den prüfenden Blicken des Kriegers, dessen kühle Überlegenheit sie einschüchterte. "Was geht hier vor?" verlangte Kronos herrisch zu wissen und die Männer zuckten zusammen. "Es... war nichts, Herr.... Ein Mißverständnis, nichts weiter... Ihr... hättet Euch nicht hierher bemühen müssen...." "Mir scheint, wir hatten sehr wohl Grund, uns hierher zu bemühen!" mischte sich eine näselnde Stimme ein, die ein wenig zu hoch und zu atemlos für einen Kriegsherrn klang. Kronos' Kiefer zuckten, als er sie hörte. Er sah das krampfhafte Verbeißen von Lachen in den Gesichtern der Städter, das auf-der-Stelle-treten der Soldaten und er wußte, daß er diese Frechheiten nicht durchgehen lassen konnte. - Obwohl er es ihnen nicht verdenken konnte. So setzte er seine strengste Miene auf und befahl einigen Soldaten, die ihnen am nächsten standen: "Nehmt sie und gebt jedem von ihnen fünfzehn Stockhiebe! - Das wird sie lehren, sich zu prügeln wie Straßenköter." Er drehte sich um. "Und ihr???? Habt ihr nichts Besseres zu tun, als hier zu stehen und zu gaffen????" herrschte er die Menge an, die sich um sie herum gebildet hatte. "PACKT EUCH!!!!" Aufgeschreckt stob die Menge auseinander und zurück blieben Leonard und Kronos, die gemütlich, als sei nichts geschehen, ihren Weg fortsetzten. "Ich muß schon sagen, Turok, Ihr versteht es, mit den Leuten umzugehen. Wo habt Ihr das gelernt?" Kronos grinste schmal. "So was lernt man nicht, edler Herr, so was liegt einem im Blut. - Mir ebenso wie Euch." Es war nicht das schlechteste, dem Franzosen ab und an um den Bart zu gehen und ihm vor Augen zu führen, wie treu ergeben er ihm doch war. Mochte der Narr darauf reinfallen, - ihm konnte das nur recht sein. So lächelte Leonard denn auch geschmeichelt. "Ja, da habt Ihr recht, mein Freund. Keine noch so gute Schule vermag so etwas zu lehren." Wie wahr, wie wahr, mein Freund!, dachte Kronos spöttisch, doch er neigte lediglich zustimmend sein Haupt und schwieg, während Leonard sich darin erging, wie er die hohe Schule der Kriegsführung und der Taktik gelernt hatte und wie sehr er die Gefahr liebte, die er immer wieder suchte, um sich ihr zu stellen, ihr zu trotzen und sich dann als Sieger zu behaupten. Insgeheim stöhnte Kronos auf. Warum wurde ausgerechnet er mit so einem Idioten gestraft? Er sehnte sich nach gehaltvoller Unterhaltung, nach derben Späßen und einem Becher guten Weines. Wurde Zeit, sich mal wieder bei Methos einzufinden. Wenn er diesem verfluchten Franzosen noch länger zuhören mußte, würde er ihn umbringen, er war sich ganz sicher! In einiger Entfernung konnte er hören, wie die Soldaten seinem Befehl nachkamen und das Klatschen der Peitsche auf der nackten Haut machte Leonard aufmerksam. Er wirkte zunehmend nervöser und wurde fahrig, unterbrach sich häufig, verlor den Faden, bis er sich endlich entschuldigte, mit der fadenscheinigen Entschuldigung, er müsse wohl besser die Ausführung der Strafe überwachen, man werde es sonst nicht sorgfältig genug tun. "Wollt Ihr mich begleiten, Turok?" fragte er noch anstandshalber. Doch der winkte mit einem leichten Lächeln ab, das noch nicht einmal seine Wangen erreichte, sondern schon in den Mundwinkeln versiegte. "Danke, aber ich werde mich mit Eurer Erlaubnis zurückziehen und mich der Punkte annehmen, die wir beim Lagerdurchgang besprochen haben. Ihr verzeiht?" Er dienerte leicht, beinahe untertänig, und hoheitsvoll erlaubte D'Aguile es ihm. "Obwohl es mir ein Rätsel ist, wo Ihr in dieser Wüstenei Pferde herbekommen wollt, Turok. Nun gut, es ist Eure Sache. Geht und seht zu, daß sich diese Probleme erledigen." Kronos neigte leicht den Kopf und verließ den Gecken in entgegengesetzter Richtung.
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Alana hockte auf einem Schemel in einem der geräumigen Küchenzelte und kühlte ihre Wange mit einem feuchten Lappen, den Marla ihr reichte. Besorgt hockte die Freundin sich neben das zarte Wesen, das ihr Gesicht schmerzlich verzog, als sie den Lappen auf die geschundene Stelle legte, und strich ihr mitfühlend über den Arm. "Geht es wieder?" erkundigte sie sich leise. Alana nickte stockend. "Ja, ich glaube schon." "Was wollte dieses Ekel von dir?" Marla warf einen finsteren Blick in Richtung der Koppeln, auf denen Erisan heute seine Arbeiten zu verrichten hatte. Dieser Nichtsnutz war nirgends zu sehen! "Er..." Alanas Stimme senkte sich immer weiter und Marla mußte sich anstrengen, um sie überhaupt noch verstehen zu können. "Er sprach von den Palastgetreuen und... daß ich eine der ersten wäre, die wegen Verrats sterben werden, sobald sie wieder an der Macht sind." "Verrat? Wieso???" Jetzt zeigte sich ein verschmitztes Grinsen auf Alanas Gesicht und es funkelte fröhlich in ihren strahlend blauen Augen, um die Marla sie schon oft beneidet hatte. "Er wollte, daß ich... na, du weißt schon..." "Neee, was soll ich wissen?" "Na, da hinten sind doch die Schirrzelte und da wollte er mit mir hin, um zu..." Erst sah Marla verwirrt aus, weil Alana ihre Sätze nicht zu Ende führte, dann kam die Erkenntnis und sie prustete lauthals los. "Nein, wirklich??? Bei den Göttern, was für ein Narr!" Sie kicherte ausgelassen vor sich hin, bis sie mit einem Mal sehr ernst wurde. "Weißt du, Alana, mit den Palastgetreuen... So verkehrt ist das nicht. Ich denke,..." "Nein, bitte!" Hastig unterbrach Turoks Sklavin den beginnenden Redeschwall ihrer Freundin, und sie sah plötzlich sehr ängstlich aus. "Bitte, sag nichts davon!" bat sie eindringlich. Sie wollte gar nicht hören, was Marla ihr sagen wollte, die jetzt tatsächlich innehielt und die Jüngere mitleidig musterte. Wie sehr mußte Alana sich doch vor Turok fürchten! Das arme Ding! Als wollte sie der Freundin Mut machen, reichte Marla ihr ein paar Datteln, auf denen Alana bedächtig herum kaute, während sie sich weiter über belanglose Dinge unterhielten......
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Kronos saß über einige Dokumente gebeugt, als er von draußen das helle Lachen seiner Sklavin hörte. Sie schien sich prächtig zu amüsieren, denn sie hörte sich richtig fröhlich an, wie sie da auf sein Zelt zu schritt und immer noch lachend eintrat. "Ja, wir sehen uns später!" grüßte Alana noch einmal hinaus, dann trat sie endgültig ein. "Dir scheint es ja richtig gut zu gehen, mein Kind." bemerkte er trocken, als sie ihn nicht sofort sah. Erschrocken fuhr sie herum, entspannte sich jedoch sofort wieder, als sie ihn erkannte. "Verzeiht, ich hatte Euch noch nicht erwartet, Herr." "Ja, das scheint mir auch so", versetzte er mit scharfer Stimme, so daß sie zusammenzuckte. "Herr, wenn ich Euch verdrossen haben sollte,..." setzte sie an, doch er unterbrach sie kurzerhand: "Schweig! Oder siehst du nicht, daß ich arbeite?" Eingeschüchtert von seinem harschen Ton schwieg sie und stand etwas unschlüssig herum, bis sie sich endlich seinen Mantel nahm und anfing, ihn auszubessern. Der Saum war ausgefranst und sie trennte die alte Naht auf und säumte das ganze noch einmal neu. So enthob sie sich der Verpflichtung, mit ihm zu reden und konnte Beschäftigung vortäuschen und er hatte seine gewünschte Ruhe. Bei den Göttern, war er schlecht gelaunt! Eine ganze Zeit lang breitete sich Schweigen zwischen ihnen aus, bis Kronos mit einem unterdrückten Fluchen mit der Faust auf die Tischplatte hieb. Erschrocken fuhr sie zusammen, als sie so vollkommen unerwartet gestört wurde. Am Tisch sah sie ihren Herrn sitzen, den Kopf in den Händen vergraben. Seine Brust hob und senkte sich heftig und obwohl er sie kurz vorher so angefahren hatte, stand sie auf, ging leise zu ihm und kniete sich neben ihm auf den Boden. Sanft strich ihre Hand über sein Knie, fragend, fast bange hingen ihre Augen an seinen Lippen. Als er ihre Hand fühlte, lächelte er flüchtig und legte seine große Hand auf ihr Haupt. Es tat ihm leid, daß er so ungerecht zu ihr gewesen war, doch ihre scheue Zuneigung tat ihm gut und freute ihn. Sacht nahm sie seine Hand in ihre kleinen und streichelte sie zärtlich. Er übte mehr Druck auf sie aus und endlich legte sie ihren Kopf in seinen Schoß. "Ihr seid verdrossen, Herr. Ist etwas nicht zu Eurer Zufriedenheit?" Er schnaufte verächtlich. "Es ist so manches nicht zu meiner Zufriedenheit." brummte er verstimmt. "Aber es liegt nicht an dir, Kind, falls du das denken solltest." Er konnte fühlen, wie sie aufatmete und lächelte ein wenig darüber. Sie war ja so durchschaubar! Dabei fiel ihm etwas ein. "Sag mir, Alana: was war da vorhin zwischen dir und dem Knappen?" Ihre Hand blieb einen Moment lang still liegen und sie fragte sich, woher er das wohl wußte. Manche, um nicht zu sagen ziemlich viele im Lager behaupteten, Turok wäre der Leibhaftige. Nichts blieb vor ihm geheim, nichts ließ sich vor ihm verbergen, er durchschaute alles. Ob das doch stimmte?, fragte sie sich ängstlich. "Nichts, was Euer Interesse erregen könnte. Er hat mich verwechselt." "So, so, verwechselt...." murmelte der Mann und dem Mädchen wurde unbehaglich zumute, als sie es hörte. Er hob den Blick und heftete ihn auf die Plane seines Zeltes, als könnte er dort die Wahrheit erfahren, die sie ihm vorenthielt. Und das so offensichtlich, daß es fast schmerzte. "Vielleicht kleide ich meine Sklavin nicht gut genug, daß man sie für eine Lagerhure hält?" überlegte er dann halblaut. Verwechselt! Sie war in ihrer Art, in ihrem ganzen Aussehen und Auftreten so einzigartig hier in dieser Gegend, daß es selbst einem Blinden auffallen mußte! In einem Anflug von Schwarzem Humor lachte Alana heiser auf. "Ja, das wird es sein, Herr. Er hat mich nicht als zu Euch gehörig erkannt. Vielleicht solltet Ihr mir eines dieser edlen Kleider der französischen Damen anlegen und mich mit Schmuck überhäufen, damit der Tropf es merkt?" Er grinste. "Ja, das wäre doch was! Komm, steh mal auf und zieh dich aus! Wollen wir doch mal sehen, ob wir was Passendes für dich finden!" Sie lachte hell auf, dann wurde ihre Miene jäh wieder ernst. "Ich bin dankbar, Euch dienen zu dürfen, Turok. Und ich bete dafür, daß Ihr noch recht lange nicht weiterzieht", wisperte sie aufgeregt, rote Flecken erschienen auf ihren Wangen und an ihrem Hals. Milde lächelnd legte er seine Hand an ihre Wange. "Zerbrich dir über solche Dinge nicht den Kopf, Mädchen", murmelte er. Mit Leichtigkeit zog er sie auf seine Knie und umarmte sie fest. Seine Hand spielte an ihrer Brust, während er sie küßte. Alana schwanden die Sinne. Seine warme Hand fuhr unter ihrem Gewand an ihren Schenkeln hoch und kitzelte sie an den Innenseiten, so daß sie anfing zu glucksen. Kronos grinste. Noch nie war ihm eine Frau begegnet, die so kitzelig war wie Alana. An manchen Tagen brauchte man sie nur schief anzusehen und schon begann sie zu lachen! Sie war wirklich einzigartig! Seine Lippen tasteten sich den Weg an ihrem Hals hinab und knabberten zärtlich an ihrer Schulter, bevor er sich mit ihr erhob und sie sich auf seinem Lager niederließen.......
Nur ein leises Rascheln kündigte sie an, und in der Mitte einer Straße, die im verlassenen Dunkel lag, trafen fünf verhüllte Gestalten aufeinander. Ihre Hände bewegten sich schnell, als würden sie mit ihnen anstatt mit Worten sprechen, dann trennten sie sich wieder. Zwei blieben zurück. Die eine gab der anderen einen kleinen Dolch oder ein Messer oder etwas ähnliches, der schnell eingesteckt wurde. Als von Ferne schwere Schritte von Stiefeln der Soldaten, welche die Ausgangssperre überwachten, erklangen, machten sie fast augenblicklich auf dem Absatz kehrt und waren wie ein Spuk in der Nacht verschwunden. Zwei dunkle Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, dann wickelte der stille Beobachter seinen Mantel fester um sich und verschwand ebenfalls, unbemerkt von den Wachen, die ziemlich nahe an ihm vorbei gingen.
Kronos lag auf dem Rücken, hielt die Augen geschlossen und ließ den unbeteiligten Beobachter glauben, er schlafe. Er hörte leichte Schritte, die in sein Zelt kamen, das leichte Rascheln von Kleidung, dann Stille. Er wandte den Kopf und blinzelte müde. Vor sich sah er auf den gebeugten Rücken seiner ergebenen Sklavin. Er grinste leicht bei diesem Gedanken. Sie kniete am Boden und goß Wasser in eine große Schale, die ihm zum Waschen diente. Vorsichtig und nahezu lautlos ging dies alles vonstatten und erregte sein Wohlwollen. Nun stellte sie den Krug beiseite, tauchte ein Tuch in das kalte Wasser, wrang es aus und hängte es feucht über den Rand der Schale. Dann erhob sie sich, um sein Frühstück zu holen. Kronos beobachtete ihre geschmeidigen Bewegungen, während sie schaffte. Das leichte Spiel ihrer Muskeln, das Schimmern ihrer weißen Haut, die durch die Sonne gebräunt worden und nur an den Stellen, wo die Manschetten lagen, schneeweiß geblieben war. Ihr Haar war feucht. Also war sie heute morgen schon Baden gewesen. Als sie an seinem Lager vorbeischwebte, griff er nach dem Zipfel ihres Gewandes und hielt sie zurück. Erschrocken schrie sie leise auf, worauf er dunkel lachte. "Was ist? Hast du gedacht, ich wäre tot oder so was?" Eine heiße Welle schlug ihr ins Gesicht. "Nein, Herr. So was dürft Ihr nicht mal im Scherz sagen!" "Beruhig dich!" Er zog sie mit sanfter Gewalt zu sich herunter und legte die Arme um ihre Mitte. Sacht strichen ihre Finger durch sein Haar, das er der Mode entsprechend kinnlang und glatt trug, während er sein Gesicht in ihrem Schoß vergrub und mit geschlossenen Augen ihren leichten Duft tief einsog. Sie roch ja so gut! Seufzend setzte er sich wieder auf. Seine Hände öffneten die goldenen Spangen auf ihren Schultern, dann den Gürtel, der die Mitte hielt. Genießerisch streifte er den Stoff fort, umarmte sie dann und rollte sich mit ihr auf sein Lager. Schelmisch blitzte sie ihn an. "Aber, Herr, Ihr habt doch noch gar nichts zu Euch genommen! Was, wenn Euch die Kräfte schwinden?" Mit beiden Händen hielt er ihre Arme über ihrem Kopf fest und zwei Handbreit über ihrem Gesicht schwebte das seine. "Willst du damit etwa andeuten, ich sei nicht in der Lage, dich zu befriedigen, wenn ich nicht vollgefressen bin wie einer dieser hohen Herren da draußen?" fragte er lächelnd. Sie spielte die Verlegene und schlug scheu die Augen nieder. Kronos senkte Gesicht und Stimme. "Du weißt, daß ich dich für eine solche Frechheit bestrafen muß", stellte er gelassen fest. Jäh konnte er sein Antlitz in dem tiefen Blau sehen, das ihn anstarrte, erschrocken, etwas ängstlich. Mit einem Mal ließ er ihre Arme los und kitzelte sie tüchtig durch. Sie quietschte und lachte, wand sich und bettelte um Gnade, die er ihr nicht gewährte; - gnadenlos machte er weiter. Prustend schaffte sie es endlich, sich auf den Bauch zu wälzen und versuchte, von ihm fort zu rutschen, doch er warf sich auf sie und sein Gewicht nagelte sie auf dem weichen Lager fest. "Bitte!" japste sie schließlich kraftlos. "Ich bitte Euch untertänigst um Vergebung, Herr, doch laßt Gnade vor Recht ergehen." Breit grinsend sah er auf den schweißbedeckten Rücken unter sich nieder. "Hmm, ich weiß nicht." Scheinbar nachdenklich wiegte er den Kopf. "Mich dünkt, du bist widerspenstig und aufsässig, schwer belehrbar eben." Sein Haar streifte ihren Rücken, sein Zeigefinger fuhr das Rückgrat hinauf. "Sag mir, was soll ich nur mit dir tun, damit du endlich Gehorsam lernst?" Seine melodische Stimme senkte sich immer mehr, bis sie kaum noch zu verstehen war. Atemlos hörte sie ihm zu. Der Finger wanderte wieder hinunter. "Sag es mir!" "Züchtigt mich!" "Eine sehr gute Idee." lobte er ihren Vorschlag und seiner Stimme konnte man die Vorfreude anhören auf das, was geschehen würde. Vor einigen Nächten hatte er Alana gezeigt, daß Schmerz ihre Lust zu steigern vermochte und ihnen beiden höchsten Genuß verschaffen konnte. Offenbar hatte sie Gefallen daran gefunden, wenn sie nun selber danach verlangte und das erfüllte ihn mit Freude. "Herr?" Wild flog der Kopf des Kriegers herum und der Knappe machte unwillkürlich einen Schritt rückwärts. "WAS???" Zorn loderte im Blick des Beraters und der Knabe wünschte sich Meilen von hier weg. Zögernd, beinahe entschuldigend hielt er ein Tablett hoch. - Das Tablett, das Alana holen wollte, als Kronos sie zurückgehalten hatte. "Euer Mahl." "Stell es da hin und scher dich raus!!!" Gehorsam kam der Junge dem einen Teil des Befehles nach, blieb jedoch zögernd im Eingang stehen. Es verlangte ihm viel Mut ab, dies zu tun, aber er mußte es seinem Herrn sagen. Kronos verspürte Mordgelüste. "Was ist denn noch???" Er beherrschte sich mühsam, doch es fehlte nicht mehr viel und er platzte. "Herr, Ihr habt mir doch befohlen, Erisan nicht aus den Augen zu lassen." "Ja, und?" "Herr, Erisan hat heute Nacht das Lager verlassen und ist erst im Morgengrauen wieder zurückgekehrt." Interessiert setzte Kronos sich auf, keinen Blick von dem Knaben wendend, dem heiß und kalt wurde, als er den nackten Frauenkörper gewahr wurde, der bei seinem Herrn lag. "So, er hat also das Lager verlassen. Und wo ist er hingegangen?" "Das... weiß ich nicht." "UND WIESO WEIßT DU DAS NICHT???" "Herr, ich darf das Lager nicht verlassen. Ihr wißt doch,...." "Ach ja." Ernüchtert winkte Kronos ab. "Geh! Ich werde dich holen, wenn ich dich brauche." Eilig verließ der Junge das Zelt und frustriert fiel Kronos rückwärtig auf sein Lager und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Düster starrte er an den Zelthimmel. Ihm hatte es gründlich die Stimmung verdorben! Ratlos betrachtete Alana ihn, dann erhob sie sich still und bereitete ihm sein Frühstück. Erst der Duft des bitter-heißen Getränkes, daß die Menschen hier Kaffee nannten, holte den Unsterblichen aus seinen finsteren Gedanken. Das Mädchen hielt ihm den dampfenden Becher hin und er nahm ihn und trank. Schwarz wie die Nacht, bitter und süß. - Dieses Getränk weckte die Lebensgeister! Mit einem beinahe entschuldigenden Lächeln zog er sie wieder zu sich heran. "Tja, so wie es aussieht, wird es wohl mal wieder nichts, mein Kind. Du wirst warten müssen." Sie lächelte nur still.......
Genau vier Tage nach ihrer Gefangennahme wurden die gefangenen Rebellen auf Kronos' Geheiß wieder freigelassen. Der Berater hatte sehr darauf geachtet, daß ihr Kleidung ordentlich gebürstet, die Männer wohlgenährt und in bester Verfassung waren Keiner seiner eingeweihten Kumpane wußte, warum, doch sie wagten auch nicht, ihn zu fragen. Außerdem schien Turok in den letzten Tagen in einer sehr guten Stimmung zu sein. Ob das mit seiner neuen Sklavin zusammenhing? Die Rebellen wurden noch vor dem ersten Morgengrauen aus der Höhle geholt, man hatte ihnen die Augen verbunden, so daß sie den Weg zurück nicht finden würden, und brachte sie in die Stadt zurück, wo man sie laufen ließ. Eilig hasteten die Entführten heim, um ihre Familien vom vermeintlichen Wunder zu erzählen, das ihnen zuteil geworden war. Von sicherer Warte aus beobachtete Kronos das Geschehen. Seine Augen glitzerten kalt und ein dämonisches Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Alles war perfekt und sie brauchten jetzt nur noch abzuwarten.
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Ishphan schulterte gekonnt den Korb und Marla ließ sich vom kleinen, dicken Duprès noch einmal genau erklären, was er haben wollte. Dann drückte er ihr Geld in die Hand und die beiden Mädchen durften los. Alana kreuzte ihren Weg und ein wenig verwundert musterte sie die beiden Freundinnen, von denen sich bisher keine dazu hatte hinreißen lassen, freiwillig in die Stadt zu gehen, um einzukaufen. Wieso ausgerechnet heute?, fragte das Mädchen sich nachdenklich. "He, Alana! Sollen wir dir was mitbringen?" riefen die beiden ihr zu und die Sklavin Turoks lachte. "Ja, fünfzig Ellen feinste Seide und ein Diadem aus Gold, wenn ihr schon so fragt!" erwiderte sie gut gelaunt. Fröhlich lachend gingen die drei Mädchen ihrer Wege: die beiden Küchenmädchen in die Stadt, Alana zum Brunnen. Um nichts in der Welt wäre sie in die Stadt gegangen und dankte allen Göttern dafür, daß ihr diese undankbaren Aufgaben erspart blieben, indem sie dem listigen Berater Turok dienen durfte. Und wenn sie ganz ehrlich zu sich selber war, wollte sie auch gar nicht wissen, aus was für Gründen auch immer ihre beiden Freundinnen so erpicht darauf waren, den Markt zu besuchen...
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Am frühen Nachmittag ritt Kronos mit einer kleinen Eskorte in die Stadt, um - wie er sagte - Pferde für seinen Herrn auszusuchen. Er liebte den Markt! Die Luft, angefüllt mit den unterschiedlichsten Gerüchen von Gewürzen, mit Düften von Blumen, Kräutern und Duftessenzen, das lauthalse Feilschen der Händler mit den Käufern, das emsige Treiben, das rastlose Hin und Her, - dies alles war eine Atmosphäre nach seinem Geschmack und wieder einmal wanderten seine Gedanken in die Vergangenheit, bis er sie gewaltsam abschüttelte. Er war sich der scharf beobachtenden Blicke sehr wohl bewußt, als er auf dem Markt von Händler zu Händler schlenderte, scheinbar auf der Suche nach einem günstigen Angebot. Alles lief genau so, wie er es erwartet hatte! Kronos war in einer solch aufgeräumten Stimmung, daß er mehrere Ellen feines Tuch für Alana kaufte. Sollte sie sich daraus was Nettes nähen! Gemächlich ging er zum Pferdehändler und sah sich die Tiere an, die der Mann anbot. Allesamt Klepper, gerade mal für Bauern gut genug, doch keines, das das Zeug zum Schlachtroß hatte! Kronos trat zu einem Pferd hin und strich ihm mit der Hand über den Rücken und dann über die Seite. - Man konnte jede einzelne Rippe fühlen! Das Fell war räudig und stellenweise konnte er kahle Stellen ausmachen. Er strich ihm mit sanfter Gewalt die Beine herunter und hob einen Huf hoch. Prüfend fuhr sein Finger über das rauhe Horn, das sich ihm darbot. Dann stellte er den Fuß wieder hin und richtete sich auf. Sich die Hände abklopfend, fragte er den Händler: "Was soll er denn kosten?" "Vierhundert Denare, Herr." Kronos schnaufte verächtlich. "Kerl, das sind mindesten Fünfhundert zu viel!!!" Er ging einmal um das Tier herum, das mit hängendem Kopf dastand, wie in sein Schicksal ergeben. "Ist er beschnitten?" "Ja, Herr." Kronos trat nach vorne und zwang das Tier, das Maul zu öffnen. "Wie alt ist er?" Der Händler wurde ein wenig unruhig. "Zwei Jahre, Herr." Kronos warf ihm einen scharfen Blick zu. "Acht Jahre, Herr", bekannte der schmierige Kerl dann, kam ihm Kronos' Blick doch drohend vor. Schnaufend wandte Kronos sich ab. Acht Jahre! Die Mähre war schon so gut wie tot! - Und dabei sah es noch am besten von allen aus! "Gibt es noch andere, die Pferde verkaufen?" wollte er wissen. "Nein, Herr, ich bin der einzige in dieser Stadt." So was ähnliches hatte der gut gekleidete Mann sich schon gedacht. Wortlos wandte er sich zum Gehen, gefolgt von seinen Männern, die aufmerksam herumspähten, ob sich nicht etwas verdächtiges zeigte. Als die Sonne zu sinken begann, schwang er sich mit seinen Leuten wieder auf die Pferde und sie ritten ins Lager zurück. "Ich hab dir was mitgebracht!" Kronos warf Alana sein Bündel hin. Überrascht blickte sie auf. Sie hatte sich von irgendwo her Leder organisiert und war dabei, ihrem Herrn eine neue Scheide zu nähen. Es verwunderte ihn immer wieder, wie sie an solche Dinge kam, waren sie doch allgemein rar. Eine Tages!, schwor er sich. Eines Tages werde ich all deine Geheimnisse schon erfahren, meine Süße! "Na, pack es aus!" forderte er sie auf und sorgsam entfaltete sie das Bündel, das ihr zu Füßen lag. "Aber, Herr!" stotterte sie verblüfft. Behutsam strichen ihre Finger über das weiche Material, das teuer und furchtbar kostbar war. Er lächelte. Er freute sich über ihre kindliche Freude über sein Geschenk, ließ es ihr hübsches Gesicht doch strahlen und ihre blauen Augen hell aufleuchten. "Das...ist wunderschön, Herr", flüsterte sie andächtig. "Es wird einen schönen Mantel für Euch abgeben." Nachsichtig lächelnd setzte er sich neben sie, seine Hand legte sich auf ihre. "Eigentlich wollte ich dir eine Freude machen. Warum nähst du dir nicht etwas Schönes?" Ihre Wangen waren mit einem roten Hauch überzogen, als sie nun mit gesenktem Kopf antwortete: "Herr, es würde mir die größte Freude bereiten, wüßte ich Euch nicht frierend und wohlbehalten." Er lachte leise, zog sie in seine Arme und drückte sie sacht. "Na, so ein Pech aber auch!" spottete er liebevoll. "Und dabei hatte ich gehofft, du würdest dich dankbar zeigen." "Dankbar?" "Dankbar", schmunzelte er. Sie rutschte etwas von ihm weg, ihre sanften Hände bahnten sich ihren Weg durch seine Hose und er holte tief Luft, als er ihre weichen Lippen spürte. "So etwa?" vernahm er ihr heiseres Wispern. Leise stöhnte er auf. "Ja, so in etwa." Seine Finger gruben sich in ihr Haar und drückten sie noch etwas weiter runter. Sie gab einen unbestimmten Laut von sich, worauf er hochruckte. "Bei den Göttern!" keuchte er unterdrückt. Sie lächelte.....
Unruhe entstand unter den Vermummten, die sich wieder einmal trafen, diesmal allerdings nicht in der sonst benutzten Grotte, sondern in einem anderen geheimen Versteck. Die fünf von ihnen, die man - nach ihren eigenen Aussagen - entführt hatte, standen vorne und hatten soeben von ihren Erlebnissen berichtet. Für wie dumm mußte man sie halten? Die fünf waren sauber und wohlgenährt zurückgekehrt und erwarteten allen Ernstes, daß man ihnen die Geschichte mit der Entführung glaubte??? Niemand, den man verschleppte, wurde so gut behandelt! Und erst recht keine Rebellen, wenn sie von Soldaten der Pilger gefangen genommen wurden!!!! Eine Gestalt trat einen Schritt nach vorne. "Was ist, wenn es stimmt? Wenn Turok eben dieses erreichen wollte?" Eine andere Gestalt gesellte sich zu der ersten. "Ja, es kann durchaus seinem Plan entsprechen, unter uns Zwietracht zu säen, denn nur gemeinsam sind wir stark genug, um ihnen zu trotzen." "So ein Unfug!" Ein anderer trat nach vorne, seine dunkle Stimme klang ein wenig zu hoch, so, als wäre er sehr erregt. "Wenn Turok uns wollte, würde er sich nicht solch perfide Taktiken einfallen lassen! Ich sage, sie stecken mit den Kreuzfahrern unter einer Decke!!!" Zustimmendes Gemurmel. Die erste Gestalt meldete sich wieder zu Wort: "Turok ist listig, es entspricht durchaus seinem Charakter, sich einen solchen Plan auszudenken." Der alte Mann, der dieser wie jeder anderen Zusammenkunft beiwohnte, mischte sich nun ein: "Meine Spione im Lager der Kreuzfahrer haben mir berichtet, daß Turok sich in letzter Zeit deutlich zurückhält" "Ist das nicht erst recht ein Grund, mißtrauisch zu werden?" Die erste Gestalt bewegte sich etwas, die dunklen Schleier raschelten leise, als sie ihre Position veränderte. Ein dreckiges Lachen von weiter hinten machte sie aufmerksam. "Und mit gutem Grund: er hat sich eine Sklavin zugelegt. - Eine aus der Stadt. Und scheinbar ist sie keine von uns, denn sonst würde sie wohl kaum sein Lager teilen!!!" "Denkst du, er ist überfordert?" Wieder dieses Lachen. "Ja, genau das denke ich! Er hält sich auffallend oft in seinem Zelt auf und ist jedesmal bester Laune, wenn er heraustritt. Wenn das nicht alles sagt?" Ein Raunen ging unter den Menschen einher. Eine aus der Stadt, die sich an den Teufel in Person verkaufte! Es war ungeheuerlich! Hatten die Mädchen denn gar keinen Stolz mehr??? "Es gibt viele Gründe, sich ins Lager zu begeben. Unsere Leute haben kaum mehr genug für sich selber zu essen. Ist..." "Deshalb bleibt sie, was sie ist: eine Hure!" Der Sprecher erhob sich nun etwas und hob drohend seine Hand gegen den Himmel. "Wenn es nach mir ginge, würden wir all die Verräter zu den Göttern schicken, damit sie ihre gerechte Strafe erhalten!" Ein anderer mischte sich ein: "Wenn es nach dir gegangen wäre, wären wir heute nicht hier!" "Haltet ein! Ihr benehmt euch ja wie Waschweiber!" donnerte der alte Mann, mit einer erstaunlich kräftigen Stimme, die man ihm kaum zugetraut hätte. Bevor es zum Streit untereinander kommen konnte, gebot er Einhalt. "Wir wollen nicht über andere richten!" fuhr er ruhiger fort. "Es mag gewiß gute Gründe geben, sich an die Pilger zu verkaufen. - Es ist nicht an uns, darüber zu richten. Wir sollten uns ernsthafte Gedanken um Turok machen." "Nein, ich sage, wir sollten uns in erster Linie Gedanken um die fünf Verräter, die eben jetzt mitten unter uns weilen, machen!" Die fünf, um die es hier ging, wurden unruhig. Die Stimmung in ihrem Rücken war angeheizt und ihnen wurde beklommen zumute. Sie hatten stets im Dienste der Krone gestanden und nun wurden sie als Verräter bezeichnet!? Was sollten sie anderes berichten, als ihnen widerfahren war? Die Palastgetreuen waren zwiegespalten. Die einen waren für, die anderen gegen sie. Einerseits verständlich, waren sie doch auf absolutes Vertrauen angewiesen bei all ihren Aktivitäten. Sie konnten sich keine Fehler erlauben! "Hast du Beweise für deine Anschuldigungen?" Die rauhe, des Sprechens scheinbar ungewohnte Stimme kam aus dem Pulk derer, die für die Angeklagten waren. Atemlose Stille! "Ist ihr Auftauchen nicht Beweis genug? Sieh sie dir doch an! Sehen so Gefangene aus???" "Darum geht es nicht!" unterbrach die Stimme den Sprecher scharf. "Wir dürfen es nicht zulassen, daß wir uns schon bei bloßen Anschuldigungen gegenseitig an den Hals gehen. Wenn sie sagen, sie waren Gefangene, werden wir es glauben. Hast du gegenteilige Beweise, dann bringe sie vor und wir werden dann über weitere Schritte sprechen." Ein allgemeines Nicken bestätigte den Sprecher, der so kluge Worte sprach. Der andere Sprecher schwieg verstimmt. "Ich denke, wir sollten erst mal abwarten. Alles weitere wird sich zeigen." "Ja, das denke ich auch." fügte der Alte hinzu. Damit war ihre Versammlung aufgehoben und sie verschwanden in verschiedene Richtungen wie lautlose Schatten.
Eine leichte Bewegung weckte Kronos' ohnehin sehr leichten Schlaf und er blinzelte. Alana legte ihren Umhang ab und er konnte ihre weiße Haut im Mondlicht schimmern sehen. Sie flocht sich das lange Haar und steckte es fest. "Du warst Baden?" Sie kniete sich neben ihn aufs Lager. "Ich wollte Euch nicht wecken, Herr, verzeiht." Ohne ein Wort der Erwiderung zog er sie an sich und deckte sie zu. Ihre feuchte Haut fühlte sich unverschämt gut an und wieder einmal wurde ihm ihr Duft bewußt. Dieses Spiel praktizierten sie fast jede Nacht: nachdem er mit ihr fertig war, stand sie auf und ging baden, damit ihr Schweißgeruch ihn nicht störte. Meist wurde er wach davon, hielt sie aber nicht auf. Und wenn sie dann wiederkehrte, legte sie sich zu ihm, so sacht und vorsichtig, daß er es manchmal kaum merkte, schmiegte sich an ihn und schlief dann. Und manchmal lag er dann noch wach und atmete ihren leichten Duft ein und dachte daran, was er mit einer wie ihr alles tun könnte, wäre sie wie er: unsterblich! Er konnte sich gut vorstellen, ein paar Jahrhunderte mit ihr an seiner Seite zuzubringen. Aber leider, leider war sie sterblich und es war fraglich, ob er sie nach dem Kreuzzug jemals wiedersehen würde....
* *
"Steh auf!" Die dunkle, melodische Stimme riß Alana aus ihren Träumen und verwirrt blinzelte sie in den hellen Sonnenschein, der durch den offenen Eingang des Zeltes fiel. Als ihre Augen sich an die Helligkeit gewöhnt hatten, konnte sie Kronos ausmachen, der ihr den Rücken zuwandte und sich ankleidete. Flugs war sie aufgestanden und ging ihm zur Hand, noch ehe sie daran dachte, sich selber anzukleiden. Mit einem kleinen Lächeln breitete er die Arme weit aus, so daß sie ihm sein Schwert gürten konnte und zog den Gürtel dann selber fest. "Zieh dir was an, wir haben etwas vor!" wies er sie freundlich an. Ihre blauen Augen streiften ihn mit einem verwunderten Blick, doch sie tat, was er ihr aufgetragen hatte. Kronos beobachtete ihre Bewegungen, als sie sich ihr Gewand überstreifte und dann die Sandalen schnürte. Alles mit einer schlichten Eleganz, die ihr gut zu Gesicht stand und ihm gefiel. Sie nahm die Nadeln aus den Haaren, entwirrte sie und schüttelte sie dann locker auf, so daß die volle Pracht ihr in langen schwarzen Wellen über den Rücken floß. Erwartungsvoll sah sie ihn an und Kronos mußte seine Gedanken gewaltsam von ihr losreißen, bevor er sich an sie wandte: "Wir werden in die Stadt reiten, mein Kind." Schweigend neigte sie den Kopf. Sie verstand nicht so recht, was das mit ihr zu tun hatte. In die Stadt reiten... Das tat er in letzter Zeit häufiger und sie konnte sich keinen Reim darauf machen, wieso er ihr das jetzt so nahelegte. Kronos schmunzelte. "Ich hoffe, du kannst reiten", sprach er über die Schulter hinweg zu ihr, schon das Zelt verlassend. Ungläubig starrte Alana auf seinen breiten Rücken. "Herr, ich..." Eilig folgte sie ihm hinaus, wo er stand und auf sein Pferd wartete. Erstaunt drehte er sich zu ihr um und sein dunkler Blick ruhte auf ihr. "Ihr wollt mich mitnehmen in die Stadt?" fragte sie ihn atemlos. Er nickte. "Ja, wollte ich. Ich dachte mir, du möchtest vielleicht selber nach etwas Stoff für ein neues Gewand oder einen Umhang schauen. Also, wie ist es nun? Kannst du reiten?" Alana starrte einen Augenblick unschlüssig auf ihre Füße. "Nein, Herr." Achselzuckend wandte er sich wieder ab. "Dann wirst du mit mir mitreiten." "Ja, Herr." flüsterte sie fast unhörbar. In die Stadt..... Tausend Gründe fielen ihr ein, die sie ihrem Herrn sagen könnte, warum sie dort nicht hin wollte; einige würde er als töricht abtun, andere vielleicht nicht, vielleicht würde er sie sogar verstehen und ihr erlauben, hier im Lager zu bleiben, aber Alana wußte, daß sie stumm bleiben würde. Er hatte sie nicht gefragt, nicht gebeten, nein, er hatte beschlossen, daß sie ihn zu begleiten hatte, und es war ihr nicht gegeben, sich dagegen aufzulehnen. Immer noch war sein Wunsch ihr Befehl, und wenn sie sich noch so sehr dagegen sträubte!
Als Markus das riesige Pferd brachte, weiteten sich Alanas Augen vor Schrecken. War er schon immer so groß gewesen? Sie hatte Angst vor diesem Ungetüm, und es half auch nicht viel, daß Kronos sie nun fest um die Mitte faßte und vor den Sattel setzte. Mit einem geschmeidigen Schwung saß er selber auf und lenkte das Tier in Richtung Lagermitte. Krampfhaft klammerte Alana sich in die Mähne und als der Hengst nun unwillig den Kopf senkte und schüttelte, wäre sie um ein Haar herunter gefallen! Fest umfaßte sie ein starker Arm von hinten und sie konnte hören, wie ihr Herr sich amüsierte, als er ihr nun zuraunte: "Wenn man nicht ohne Sattel und Zaumzeug reitet, läßt man besser die Finger aus der Mähne." Er drückte sie sanft. "Hast du Angst?" Stumm nickte sie. "Keine Bange, ich lasse dich schon nicht fallen. Hast du kein Vertrauen zu mir?" Sie kam nicht mehr zum Antworten, denn just in diesem Moment trafen Kronos' Begleiter ein und sie wendeten erneut und verließen das Lager im scharfen Galopp. Es war angenehm zu spüren, daß Alana sich ihm ganz überließ. Kronos hatte seinen Arm fest um ihre Mitte gelegt und sie ging leicht in seinen Bewegungen mit, was es ihm und dem Pferd leicht machte, die doppelte Last zu ertragen. Ungehindert passierten sie die Stadttore und im gemütlichen Schritt lenkten sie die Tiere dem Marktplatz zu, auf dem wie immer ein reges Treiben herrschte. Als die Reiter auftauchten, schien es, als würden die Menschen für einen winzigen Augenblick innehalten mit ihren Tätigkeiten, aber die Männer konnten sich auch täuschen. Die zunehmende Wut eines Teils der Bevölkerung auf die Christen mochte sie Gespenster sehen lassen. Die Menschen, die sie fürchteten, hatten auch allen Grund dazu, egal ob es sich bei ihnen um Rebellen handelte, um Palastgetreue oder wen auch immer. Vor einer der zahlreichen Spelunken hielten sie und stiegen ab. Schwungvoll holte Kronos seine kleine Begleiterin herunter und setzte sie sicher auf dem Boden ab. "Wir treffen uns hier bei Mittag", wies er seine Begleiter an und machte sich dann auf den Weg, gefolgt von Alana, die ihren angemessenen Schritt hinter ihm blieb. Als das Gedränge zunahm, faßte Kronos sie bei der Schulter und schob sie vor sich her, damit er sie nicht im Gewühl verlor. Viele Menschen, die ihnen begegneten, streiften sie mit dunklen Blicken, besonders Alana mußte sich manch gehässigen Blick und ein Tuscheln hinter vorgehaltener Hand gefallen lassen. Man kannte sie hier und gewiß zerriß man sich das Maul über ihren Begleiter und ihre Kleidung! Trotzdem suchte niemand den offenen Affront. - Turok war auch hier bekannt! Zwar hatte hier noch niemand Grund gehabt, ihn wirklich zu fürchten, aber sein Ruf eilte ihm voraus und die Menschen wichen ihm aus, wo es nur ging und sie nahmen weitaus größere Umwege in Kauf als unbedingt notwendig um ihn zu meiden, sobald auch nur der Schatten seines Mantels oder die Spitze seines fremdartigen Breitschwertes auftauchte. Man fürchtete ihn wie den Leibhaftigen und glaubte, daß Dämonen in sie fahren müßten, würde sie ihn berühren. An einem Tisch mit Stoffen blieb er stehen, damit sie gucken konnte. Die Frau, die hinter dem Tisch stand, sah Alana an, ihre Augen wurden kalt und dann wandte sie sich ab und ging, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Das Mädchen, auf dessen Schulter immer noch seine Hand ruhte, schluckte schwer und er konnte an ihrer Stimme hören, daß sie mit den Tränen kämpfte: "Ich... denke, wir werden hier nicht bedient, Herr. Wenn Ihr nichts dagegen habt, würde ich gerne wieder zurück ins Lager gehen." "Doch, ich habe da was gegen", erwiderte er kühl. Ihn ärgerte das Verhalten der Städter, doch er hatte ein derartiges Verhalten schon öfter beobachtet. Und jedesmal stand ihm Alanas betroffenes Gesicht vor Augen, auch wenn sie ihm gegenüber immer tat, als berühre sie das Gerede nicht. 'Menschen wie ich haben kein sehr angenehmes Leben.' 'Für sie bin ich nichts Besseres als dem Bauern der Ochse. Wollt Ihr sie dafür verdammen?' Oh ja, das wollte er! Aber jetzt noch nicht. Später, viel später.....
Er brachte sie dazu, weiter zu gehen. Endlich hatten sie einen Stand gefunden, wo sie bedient wurden und Alana wählte ein weiches Tuch aus, sieben Ellen in Scharlach und sieben Ellen in Schwarz. Dazu erstand sie einige Spangen und etwas Garn. Er war froh, daß sie wieder lachte, als sie ihm ihre Schätze zeigte. Dann verstummte sie jäh. "Oh!" Schmunzelnd sah er auf sie nieder. "Was ist?" "Ich denke, ich habe zu viel Geld ausgegeben." Der Mann lachte schallend, dann schob er sie weiter. "Magst du einen Kuchen?" fragte er sie dabei. Strahlend blickten ihn ihre Augen an und mehr Antwort brauchte er nicht. Er geleitete sie zu einem kleinen Stand und kaufte zwei von diesen süßen, kleinen Kuchen, die hier Sitte waren. Ein Stück davon drückte er ihr in die Hand. Seine Aufmerksamkeit wurde von etwas abgelenkt und so entging ihm, daß eine ältere Frau Alana kritisch musterte und dann auf sie zuging. Das Mädchen wurde blaß, als sie die Alte sah, doch mit einem energischen Gesichtsausdruck blieb sie stehen und wartete. Sie kannte die alte Frau: es war eine der Frauen, die sie einst erzogen hatten, eine Vertraute ihrer Mutter, der man sie anvertraut hatte. Sie konnte am Blick der Frau sehen, daß sie alles andere als zufrieden mit ihrem Aufzug war, und das machte sie beklommen. Die Alte stellte sich ganz nah vor das Mädchen hin und betrachtete angelegentlich deren Gewand und die goldenen Manschetten um die Handgelenke und Fesseln, die Alana als Sklavin auswiesen. Sie sagte kein Wort, doch das beruhigte Alana nicht im mindesten. Kronos wandte seinen Blick wieder seiner kleinen Begleiterin zu und beobachtete die Szene mit einem gewissen Interesse. Jäh spuckte die Alte die Sklavin an und warf ihr ein Wort an den Kopf, das Kronos nicht verstand, doch sein Mädchen sah sehr schockiert aus. Reflexartig schlug er zu und die alte Frau wurde in den Staub geschleudert. Mit vor Wut lodernden Augen sah sie ihn an, dann rappelte sie sich auf und humpelte eilig davon, finstere Worte vor sich hinmurmelnd. Kronos wollte ihr nach, doch Alana hielt ihn zurück: "Nein, Herr! Bitte!" Ihre Hand hatte sich auf seinen Arm gelegt und hielt ihn auf. Als er einen kurzen Blick auf ihre Hand warf, zog sie sie hastig zurück. "Ich werde es nicht dulden, wenn..." "Bitte." wiederholte sie fast unhörbar. Mit dem Zipfel ihre Gewandes fuhr sie sich über das Gesicht, bewegte sich jedoch nicht eine Handbreit vom Fleck. Der große, dunkle Mann betrachtete sie einen Moment mitleidig, dann schritt er zur Kneipe zurück, wo ihre Pferde auf sie warteten. "Was hat sie zu dir gesagt?" "Nichts." würgte sie hervor. "Und wegen nichts weinst du?" "Ich... weine...nicht..." Ruckartig holte sie Luft, als hätten ihre Lungen nurmehr Platz für einen winzigen Atemzug. Sie tat ihm leid, trotzdem ging er auf ihre Stimmung nicht ein, sondern schritt weiter, als sei alles in bester Ordnung. Alana folgte ihrem Herrn, immer noch bemüht, ihr Gesicht zu wahren und ihren Gleichmut wieder zu gewinnen. Es klappte nicht so recht, mußte sie zugeben. Das Wort der Alten hatte sie mehr getroffen, als alle Anfeindungen, die sie bisher erlebt hatte. HURE!!! Dieses winzige, kleine Wort schmerzte, es brannte sich tief in ihre Seele ein und peinigte sie. War sie es denn? War sie wirklich eine Hure, bloß, weil sie nicht im selben Elend lebte, wie all die anderen? Ging es ihr dadurch besser? Wie viele Menschen begegneten ihnen, die sie kannten, und wie viele wandten sich ab, als sie ihr Gewand, die goldenen Spangen und ihren Begleiter gewahr wurden? Dieses eine, kleine Wort von jemandem zu hören, der sie schon so lange kannte und der es eigentlich besser wissen sollte, das schmerzte tief.... Herausfordernd warf sie den Kopf in den Nacken, ihre Augen blitzten kalt auf und hochaufgerichtet und stolz schritt sie hinter Turok her, der sich nun an einen der freien Tische vor der Kneipe setzte. Das Mädchen, das bediente, kam heraus, und als sie den hohen Herren in Turok erkannte, lächelte sie ihn kokett an und neigte sich ihm so tief herunter, daß er ihr direkt in den Ausschnitt blicken konnte. Alana lächelte bitter, als sie es sah. Würde man Dina jetzt auch eine Hure nennen? Wahrscheinlich nicht. Dina würde danach eine Spange oder Geld nach Hause bringen und ihr Tun damit rechtfertigen, daß es ihr Überleben sicherte. Ihres und das ihrer Familie. Ja, bis man sie erwischte! Auf Diebstahl stand der Henker, das wußte selbst Alana. Und wieder stiegen ihr die Tränen in den Hals. Sie würgte sie tapfer herunter, ihre Kiefer traten stark hervor, dann machte sie einen Schritt auf den Tisch zu, an dem Turok saß. Der hatte sich soeben einen Becher Wein bestellt und Dina richtete sich mit diesem einladenden Lächeln auf, das ihr so zu eigen war, wenn sie einen gutaussehenden Mann erblickte. Dann traf ihr Blick auf Alana und die beiden starrten sich finster an. Schweigend, Momente lang. Die blauen Augen des jungen Mädchens verengten sich für die Dauer eines Lidschlags lang zu schmalen Schlitzen, keine Miene verzog sie. Dann raffte Dina eilig ihre Röcke und verschwand schnell im Haus, um den bestellten Wein zu holen. Kronos registrierte es mit einem kaum wahrnehmbaren Zucken in den Augenwinkeln. Der dunkle Krieger zog das Mädchen auf seine Knie und legte seine Arme um ihre Taille. "Was ist dir? Denkst du immer noch an die boshafte Alte?" erkundigte er sich leise. Sie nickte stockend. "Sie hat Euch verflucht, wißt Ihr das?" Belustigt zuckte Kronos' Augenbraue nach oben. "Ach? Und was genau hat sie gesagt?" "Sie wünscht Euch, daß Eure Dämonen Euch heimsuchen mögen. Daß sie sich Eurer Seele bemächtigen und Euch nie mehr loslassen mögen." Kronos lachte schallend, so daß sich die Leute auf der Straße nach ihnen umdrehten und sie verwundert musterten. Er drückte sie leicht. "Mach dir um mein Seelenheil mal keine Gedanken, mein Kind. Meine Dämonen und ich, wir leben schon so lange miteinander, daß wir uns mittlerweile recht gut verstehen."
Aufatmend ließ einer von Kronos' Begleitern sich in diesem Moment auf einen freien Stuhl fallen. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und grinste ermattet. "Wißt Ihr, Turok, so ein Markt ist ein ganz schön aufregender Platz. Man weiß nie, was einem als nächstes begegnet.... Aber Hallo, schönes Kind, wer bist denn du?" Dina lächelte geschmeichelt. Der Mann trug einen Umhang aus feinem Tuch, nicht so wertvoll wie der, den Alanas Begleiter trug, aber immerhin. Etwas Aufmerksamkeit konnte dem Kerl nicht schaden. - Und außerdem sah er auch noch ganz gut aus! Kronos grinste ein wenig, als er beobachtete, wie sich Dinas Aufmerksamkeit ruckartig von ihm auf den anderen verlagerte. Er bemerkte Alanas verächtlichen Blick und tätschelte ihr beruhigend den Hintern. Sie sah ihn an und lächelte entschuldigend. Nach und nach kamen immer mehr von seinen Begleitern zurück, dann warteten sie nur noch auf zwei. Die Männer tranken in der Zwischenzeit Wein und trieben derbe Späße mit den Mädchen, die entweder bedienten oder schon direkt auf den Schößen des einen oder anderen saßen. "Ah, seht nur: dort kommen sie ja!" rief einer der Soldaten aus und deutete mit der Hand in die gemeinte Richtung, was zur Folge hatte, daß alle den Kopf wandten. Von dort aus kamen nun tatsächlich die letzten beiden Soldaten auf die Kneipe zugeschlendert. Auf halbem Wege trafen sie auf drei einheimische Männer und sie blieben stehen und redeten auf sie ein. Manchmal sah man eifriges Kopfnicken, dann mal ein Kopfschütteln, aber immer mit einem prüfenden Blick der Städter, ob sie vielleicht bei diesem Gespräch beobachtet wurden und man ihnen vielleicht Kollaboration mit den Pilgern anhängen konnte. Nach ein paar weiteren Sätzen und einem freundlichen Kopfnicken seitens der Soldaten, gingen sie wieder ihrer Wege. "Und Danke noch mal!" rief einer der Soldaten ihnen hinterher und winkte offenkundig. Der Angesprochene zog hastig den Kopf ein und sah zu, daß er verschwand. Gemächlich kamen die beiden Soldaten nun herüber und holten sich zwei Stühle heran. "Bringt uns auch einen Becher Wein!" riefen sie der Bedienung zu und flugs wurde ihnen serviert. Angewidert verzog einer der Männer das Gesicht, als er den ersten Schluck getan hatte. "Zur Hölle, ist der sauer!" Kronos grinste bedeutsam. "Habt ihr alles bekommen, was ihr haben wolltet? Können wir dann aufbrechen?" Der Soldat, der sich über den Wein beschwert hatte, nickte. "Ja, wir sind vollauf zufrieden, Herr. Wir können aufbrechen." Man winkte der Bedienung, zahlte und stieg dann auf. Alana saß wieder vor Kronos und sein beschützender Arm gab ihr Geborgenheit. Sie war müde und legte den Kopf leicht zurück, so daß er an seiner Schulter ruhte. Ihr weiches Haar kitzelte angenehm seinen Hals und er senkte seine Nase hinein. Sie schwiegen, während die Männer hinter ihnen laut schwatzten und sich mit ihren amourösen Abenteuern brüsteten.
"Hure", murmelte sie schläfrig. "Was?" Im ersten Moment wußte er nicht, was ihm dieses Wort sagen sollte, das sie ihm so emotionslos mitteilte. "Sie hat mich eine Hure genannt, weil ich Euch diene." Er dachte einen Augenblick nach, dann fiel ihm ein, wovon sie sprach. "So, hat sie? Und du hältst mich davon ab, sie für ihre Frechheit zu strafen?" Sie schwieg und Kronos wurde mit einem Mal bewußt, worüber sie sich Gedanken machen mußte. "Hat sie recht?" fragte er leise, obwohl er sich für einen Herzschlag lang nicht sicher war, ob er ihre Antwort überhaupt hören wollte. Sie schien nachzudenken, denn sie schwieg eine Zeit lang, bevor sie antwortete: "Wie Ihr schon gesagt habt: es ist ein Handel und ich werde meinen Teil der Abmachung einhalten." Ernüchtert hob er den Kopf. Er hatte es ja selber so gewollt! Sein Arm umfaßte sie enger und er trieb seinem Pferd die Stiefel in die Flanken und es galoppierte wie rasend los. Im Lager angekommen, setzte Kronos seine Sklavin vor seinem Zelt ab, mit den Worten: "Warte nicht auf mich." und entfernte sich dann, ohne auch nur noch ein Wort zu verlieren. Beschämt senkte sie den Kopf und schlich hinein. Sie ahnte, wo sein plötzlicher Stimmungswechsel herkam und es tat ihr leid. Hätte sie ihn anlügen sollen? Er hätte sowieso gewußt, daß sie nicht die Wahrheit sagte, und dann hätte er ihr erst recht gezürnt. Alana war müde und verwirrt und alles, was sich an diesem Tag zugetragen hatte, kam in ihr hoch und schluchzend warf sie sich auf sein Lager und weinte sich in den Schlaf.
"Na ja, was anderes war sie ja eigentlich auch wirklich nicht." Nachdenklich ließ Ceal das dicke ledergebundene Buch auf ihre Knie sinken und sinnend starrte sie auf einen imaginären Punkt an der Wand. "Ich weiß gar nicht, was er hat. Er muß sich doch denken können, daß sie es so empfindet. Warum also regt er sich so auf?" "Ach, Schätzchen, woher soll ich das denn wissen? Ich schreibe doch nur auf, was ich so mitbekomme. Vielleicht hat er zu dem Zeitpunkt schon gehofft, er würde in ihrem Leben eine größere Rolle spielen, als die des..." Er suchte nach dem richtigen Wort. "Besitzers", beendete Ceal den Satz. Grübelnd nagte sie an ihrer Unterlippe. "Das entbehrt doch jeder Logik." schimpfte sie endlich. - Methos hatte nur auf ihre Fortsetzung gewartet! "Wieso?" "Na ja, irgendwo am Anfang stellt er doch schon fest, daß sie sich anscheinend in ihn verliebt.... Wo steht es denn nur?.... Is' ja auch egal! Was ich eigentlich sagen will: als er denkt, sie habe sich in ihn verliebt, ist ihm das nicht recht. Gut. Als er jetzt denkt, sie sei nicht in ihn verliebt, ist ihm das auch nicht recht. Wat will er denn nu'???" "Gewißheit." Ceal war aufgestanden und auf dem Weg ins Bad. Von dort aus rief sie in den Wohnraum zurück: "Die gibt es nicht! Alt wie ein Dinosaurier und weiß das nicht?!" Methos mußte schmunzeln. "Doch, bestimmt wußte er das. Aber du weißt ebenso gut wie ich, daß Wissen und Wünschen zwei völlig unabhängige Dinge sind." "Heißt das, er will doch? Oder traut er sich nicht? Oder wie jetzt?" Nachsichtig lächelnd zog er die junge Frau neben sich auf die Couch zurück, wo er ihre Beine auf seinem Schoß bettete. "Lies weiter!"...... weiterlesen im nächsten Teil |