For what we call

Tatjana

 

"... Dann sind wir uns also einig: du bringst mir mein Eigentum zurück und ich werde den Bannspruch auf Caleb aufheben."

Prinz Marek fixierte den Mann vor seinem Thron mit kaltem Blick, der ihn ungerührt erwiderte. Marek wußte nicht, ob er dem Mann vertrauen konnte, aber in erster Linie ging es ihm um seine geraubten Schätze, die es zurückzuholen galt. Der Mann, der sich selber Kronos nannte und sich erboten hatte, diese Aufgabe zu übernehmen, hatte es zur Bedingung gemacht, daß der Bannspruch auf einen Bauern aufgehoben wurde. Nun denn, sollte es ihm gelingen, die Kostbarkeiten, die schon seit Generationen in der Familie waren, zurückzubringen, so würde Marek Gnade walten lassen. Aber vertrauen tat er dem Fremden nicht! Und so...

"Ich gebe dir mein Wort! Und ich tue noch mehr: ich gebe dir eine Eskorte meiner besten Leute und meinen besten Söldner. Sie werden dich begleiten und dich bei Bedarf unterstützen! Holt mir Zoidite!" Augenblicklich verschwand ein einfacher Soldat und holte den gewünschten. Schon wenige Augenblicke später erklangen Stiefel auf dem Steinfußboden. Stiefel, wie die Angelsachsen sie zum Reiten trugen.

Zwei Unsterbliche runzelten die Stirn, als sie einander spürten. Trotzdem ließ sich keiner der beiden etwas anmerken, außer, daß der eine etwas im Schritt stockte, bevor er ganz normal weiterging.

Kronos erahnte die Bewegung hinter seinem Rücken, mit der der andere Unsterbliche sich anmutig vor dem Regenten verneigte; er hörte das Geräusch des Mantels, als er gezogen wurde.

"Mein König."

Die geraden Augenbrauen des Älteren zogen sich in die Höhe, als er die Stimme hörte. Eine Frau?! Na, wunderbar! Damit würden sie alle paar Meilen anhalten müssen, weil sie nicht mehr reiten konnte, müßten sich ein Nachtquartier suchen, weil eine Frau nicht im Freien schlief und würden unnötig mehr Zeit brauchen, als eingeplant! Wie gut, daß sie wenigstens nicht sterblich war und so auch nicht "unpäßlich" werden konnte! Kronos war diese Begleitung gar nicht recht! Marek schmunzelte, als er die Reaktion des Kriegers sah. So etwas war nicht ungewöhnlich, tauchte Zoidite auf, aber in der Regel wurden diese Vorurteile schnell aus dem Weg geräumt. Zumindest hätte er mit ihr einen Garant dafür, daß er nicht betrogen wurde!

"Zoidite, ich wünsche, daß du Kronos bei seiner Mission begleitest und ihn unterstützt, sollte er es nötig haben. Sattele dein Pferd!"

"Ja, mein König."

Noch eine schnelle Verbeugung, dann entfernten ihre Schritte sich eilig. Marek gab ihnen noch einen Siegelring mit, etwas Geld und seinen Segen, dann endlich durften sie sich entfernen.

Kronos sah seine Begleiter erst im Hof wieder, als sie ihre Pferde bestiegen. Zoidite saß schon auf und wartete bereits ungeduldig. Schweigend ritten sie los und im flotten Tempo ihrem nächsten Abenteuer entgegen.

Es ging schon auf den späten Nachmittag zu, als Zoidite ihr Pferd zügelte und sich halb umwandte, den Soldaten zu, die sie begleiteten. Ein wenig verächtlich betrachtete sie die Männer, bevor sie sprach: "Wir werden uns trennen. Ihr nehmt den Weg dort, während Kronos und ich den Weg durch den Wald nehmen werden. Wir treffen uns in sechs Tagen am Zielort. Sollte eine Gruppe nicht da sein, schlägt die andere zu und versucht, die Mission zu Ende zu bringen. Alles verstanden? Dann los!" "Wir haben Befehl, bei euch zu bleiben!" Einer der Männer sah Zoidite trotzig an, seiner Miene war anzusehen, was er davon hielt, Befehle von einer Frau entgegen zu nehmen. Als Reaktion auf seine Worte bekam er einen eisigen Blick der Frau und dann ihre fast freundliche Frage: "Hast du meinen Befehl nicht verstanden, Soldat? War dir daran etwas nicht ganz klar?" Der Mann schien auf seinem Pferd zu schrumpfen. "Nein, Herrin..." stotterte er kleinlaut. "Gut, dann tu, was ich dir aufgetragen habe!" Ärgerlich wendete der Angesprochene sein Pferd und sprengte mit seinen Kameraden den Weg entlang, den Zoidite ihm gewiesen hatte. Ausdruckslos verfolgte sie seinen Abgang. "Narr!" schimpfte sie leise vor sich hin, als sie weiter ritt. Belustigt folgte Kronos ihr. "Gibt es einen besonderen Grund, warum du sie weggeschickt hast? Möchtest du mit mir alleine sein?" erkundigte er sich spöttisch. Verächtlich streifte ihn ein Blick von der Seite. "Mach dich nicht lächerlich!" erwiderte sie kalt. Dann deutete sie auf den Wald vor sich: "Der Weg ist uneben und beschwerlich. Glaubst du, wir haben genügend Zeit, um ihn mit diesen Dummköpfen zu betreten?"

Kronos sah sich den Weg genauer an und ihm kam eine Idee, was sie meinte. Diese Abkürzung erforderte einen erfahrenen Reiter, erfahrener, als diese Männer es jemals sein könnten. Reiter, wie sie welche waren! Nachdenklich folgte ihr sein Blick, als sie nun voran ritt und er ihr in einigem Abstand folgte. Der Weg war unbequem und verlangte sowohl Reiter als auch Tier ungeheuer viel Konzentration und Kraft ab, so daß sie bei Einbruch der Dunkelheit sich einen Platz suchten, an dem sie ihr karges Lager aufschlagen konnten. Als sie sich beim Lagerfeuer gegenüber saßen, schwiegen sie, wie fast den gesamten Tag schon. Kronos beobachtete die Frau auf der anderen Seite des Feuers, die an einem Stück Holz schnitzte. Als er ihre Augen gesehen hatte, hatte er sich sofort an sie erinnert. Gott, wie lange war das schon her...

Das monotone Trommeln der Hufe auf dem ausgedörrten Boden war weithin zu hören und ließ den Menschen das Blut in den Adern gefrieren. Dieser Trommelwirbel verhieß nichts Gutes! Er bedeutete, daß der Tod ihm folgen würde und man nicht mehr viel Zeit hatte, seinen Frieden mit den Göttern zu machen. Zwar trieben die Männer ihre Kamele zur Eile an, aber gegen die Geschwindigkeit guter Pferde konnten sie nichts ausrichten. Als die Silhouetten der vier Reiter auf den Kuppen der Dünen auftauchten, ließen die Männer ihre Tiere, ihr Hab und Gut im Stich und flüchteten zu Fuß, um wenigstens ihr Leben zu retten. Panik breitete sich aus, in höchster Angst schrien Frauen und Kinder, die die Karawane begleiteten und drängten sich dicht beieinander, als der Tod auf dem Rücken eines Pferdes sich immer weiter näherte. Der Hufschlag ließ den Boden beben und war gleichbedeutend mit dem Ende der Welt.

Jeder der vier Reiter trug eine Maske vor seinem Gesicht, um noch furchteinflößender zu wirken, das Aufblitzen ihrer Waffen im hellen Sonnenschein war meist das letzte, was die Menschen noch in ihrem Leben sahen. Die Schreie derer, die unter ihren Klingen fielen, das schrille Weinen der Weiber... Eigentlich waren die vier Reiter des Bösen auf der Suche nach einem neuen Lagerplatz gewesen, aber diese einmalige Gelegenheit wollten sie sich nicht entgehen lassen. Die Karawane versprach Decken und Lebensmittel und vielleicht auch ein paar Sklavinnen, bis man weiter zog. Wer würde sich ein solches Angebot entgehen lassen, wenn es doch schien, als hätten die Götter selber diese leichte Beute geschickt?!

"Ansa, schnell! Gib mir den Schmuck!!!" Die junge Frau, der man diesen Befehl erteilte, lief geduckt zu den großen Paketen, die eigentlich auf den Rücken der Kamele festgebunden waren, jetzt aber am Boden lagen, weil die Tiere in hellster Aufregung fortgelaufen waren, und riß hastig die Stoffe fort, die die Habe ihrer Herrin schützten. Um sie herum tobte ein Kampf um Leben und Tod, den die Leute, die sie begleiteten, verloren und sie hatte es sehr eilig, diesen Ort wieder zu verlassen. Ängstlich raffte sie alles zusammen und rannte wieder geduckt zurück.

Methos, der nahe an ihr vorbei ritt, wandte den Kopf. Dieses Gefühl, als bekäme man eine Gänsehaut... Diese Kleine da war wie sie: unsterblich! Nein, noch war sie es nicht, aber bald, wenn sie mit diesem Gesindel erst einmal fertig wären! Aus den Augenwinkeln sah er, wohin sie lief und merkte sich die Stelle. Er neigte sich vom Pferd, sein Schwert bohrte sich in den weichen Leib eines Beduinen und schlitzte ihn vom Bauch bis zum Hals auf. Gnadenlos trieb Methos sein Pferd weiter durch die Menschen, die planlos umher irrten....

"Du bleibst hier und sorgst dafür, daß wir ungehindert flüchten können, hast du verstanden!?!?" Ernst nickte die junge Frau. "Ja, Herrin." Flüchtig warf sie einen Blick über ihr Versteck hinaus und sah zu ihrem großen Erschrecken, daß diese Banditen ihr mörderisches Werk nahezu vollendet hatten. Es wäre nur eine Frage von Herzschlägen, bis sie auf die Weiber aufmerksam werden würden! Die edlen Damen duckten sich und liefen los, eine jede mit ihrem Schmuck in den Händen, nur Ansa blieb zurück. Sie kletterte mühsam auf den Packen aus Decken und Stoffballen und betete zu jedem Gott, der ihr gewogen war, daß sie erfolgreich war. Kronos zügelte sein Pferd und wendete es. Er nahm seine Maske ab und sein kalter Blick glitt über das halbe Kind, daß ihnen ängstlich entgegensah. Wie Methos hatte auch er gespürt, wer sie war.

"Da, sie fliehen!" Caspian zwang sein Pferd zur Ruhe, als es ungeduldig tänzelte.

"Holt sie zurück!"

So sehr die Frauen sich auch beeilten, nichts war so schnell wie ein Pferd! Silas und Caspian trieben sie zusammen und unter Heulen und lautem Lamentieren brachte man sie an den Ort zurück, an dem unzählige Leichen Unschuldiger lagen. Ein Ort des Grauens! Jede der Frauen war sich sicher, daß sie auch bald dort liegen würden. Man wußte von den Reitern, hatte all die Geschichten gehört, von denen die Männer hinter vorgehaltener Hand munkelten, kannte das Schicksal, das sie erwartete. Weder Heulen noch Zähneklappern würde ihnen jetzt noch helfen können!

Kronos ließ die Frauen in einer Reihe antreten und sie am Boden knien. Langsam schritt er die Reihen ab und musterte jede einzelne eingehend. Nein, keine Sklavin, hatte er beschlossen! Aber er sah in jedes hoffnungsvolle Gesicht, sah das zurückhaltende Lächeln auf manchen Lippen, den koketten Augenaufschlag, das Locken, wenn man sie - und nur sie! - verschonte.... Und dann zückte er sein Schwert und machte jeden Hoffnungsschimmer zunichte, indem er die nutzlosen Leben dieser Schlampen auslöschte. Ein glatter Strich durch die Kehle, ein Stich ins Herz, - keine fand Gnade vor seinen Augen.

Und dann kam er an die letzte. Sie kniete wie all die anderen, das Kinn hoch erhoben, die Augen geschlossen. Sie hörte die Angstschreie der anderen, wie manche mit dem Tod kämpften und wollte es nicht sehen. Es war schon schlimm genug, es mitanzuhören! Sie spürte die Bewegung, mit der der Barbar an sie heran trat. Jetzt, jeden Moment mußte der tödliche Streich kommen! - Aber er kam nicht. Stattdessen fühlte sie, wie man ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht hinter das Ohr strich, wie er ihr Gesicht anhob. Und dann hörte sie seine Stimme: "Sieh mich an!" Gehorsam kam Ansa seinem Befehl nach und öffnete ihre Augen. Kronos starrte verblüfft in eine Farbe, die er noch niemals zuvor gesehen hatte. Sie waren nicht blau, sondern irgendwie anders, aber außergewöhnlich! Furcht war in ihnen zu lesen, aber auch Neugier und die Demut einer Sklavin, denn etwas anderes war sie nicht, wie unschwer an ihrer Kleidung zu erkennen war. Kronos stützte sich auf den Knauf seines Schwertes und betrachtete sie eingehend. Er lächelte. "Du hast Glück, Kleine. - Ich habe heute gute Laune. Ich lasse dir die Wahl: willst du leben oder willst du wie die anderen hier sterben?" Ihr Blick huschte unruhig zwischen den Männern hin und her, streifte die Toten und es flackerte in dieser merkwürdigen Farbe, als sie ihren Blick wieder auf ihren Häscher richtete. Sie wußte nur zu gut, was für ein Schicksal sie erwartete, aber sie war als Sklavin geboren; ein Herr war ebensogut wie der andere. "Ich will leben!" Sein Lächeln vertiefte sich. "Streck deine Hände aus!" Auch diesem Befehl kam sie ohne zu zögern nach. Kronos band sie und ließ sie dann hinter seinem Pferd her laufen, bis in ihr Lager, wo er ihr die Regeln, die hier herrschten, erklärte....


Sie ritten weiter, sobald die Sonne ihre ersten Strahlen am Horizont blicken ließ. Schweigend legten sie Meile um Meile zurück, keiner versuchte, sich mit dem anderen zu unterhalten.

Kronos war noch nie ein großer Redner gewesen und Zoidite hing ihren eigenen Gedanken nach. Die einen drehten sich um ihren ungewollten Partner dieser Mission, andere um ihre Vergangenheit und wieder andere um die schwierige Aufgabe, die vor ihnen lag. So leicht, wie Marek es sich vorstellte, würde es nicht werden. Sicher, seine Spione hatten herausgefunden, wer den Schmuck gestohlen hatte und wo man ihn jetzt aufbewahrte, aber für sie war es eine zu große Aufgabe, als daß sie ihr wirklich gewachsen wäre, das Familiengut zurückzuholen. Selbst mit guten Männern hätte sie mit hohen Verlusten zu rechnen, die den Einsatz nicht rechtfertigten. Vielleicht brauchte es ja aber einen Mann wie Kronos, um es zum Gelingen zu bringen? Einen wirklichen Führer, einen Mann, der mehr Erfahrung mit einbrachte, als sie vielleicht jemals erringen könnte.

"Wieso tust du das?"

"Was?" Kronos reagierte verständnislos auf ihre plötzliche Frage, die sie mehr aus den Gedanken heraus stellte. Jetzt hob sie ihren Kopf und sah ihn offen an.

"Diese Sache... Wieso tust du das?"

Jetzt ging ihm ein Licht auf und er lächelte katzengleich vor sich hin, während er erst einmal schwieg, um ihre Spannung noch zu steigern. Dann endlich antwortete er gut gelaunt: "Vielleicht steht mir nur der Sinn nach Kurzweil, hast du daran schon mal gedacht?"

Kurzweil... Männer abschlachten, Blut und Dreck, Taktik und Strategie, das also waren für Kronos lediglich Dinge, die ihm die Zeit verkürzten, damit er sich nicht langweilte. Zoidite verspürte einen schalen Geschmack im Mund, während sie darüber nachdachte. Offensichtlich standen ihre Gedanken ihr ins Gesicht geschrieben, denn der Unsterbliche neben ihr auf dem Pferd lachte nun laut heraus. Verstört schnoberte ihr Pferd nervös und warf den Kopf herum. Beruhigend tätschelte sie ihm den weichen Hals.

"Du tust es für einen anderen." Die Frau dachte gar nicht daran, das Thema fallen zu lassen. Sie versuchte, zu verstehen, was über ihr Fassungsvermögen hinaus ging. Sie kannte Kronos. Sie hatte Jahre ihres Lebens damit zugebracht, ihm zu dienen, und niemals war ihr aufgefallen, daß es jemanden geben könnte, für den er einstehen würde. Nein, korrigierte sie sich schnell. Einen hat es gegeben. Aber selbst wenn dieser Mann noch leben würde, so wird es sich bei Caleb kaum um IHN handeln. DER brauchte niemanden, der ihn hätschelte. DER konnte ganz gut auf sich selber achtgeben.

Mißtrauisch beäugte sie den Mann auf dem Pferd, der lässig neben ihr her ritt und heiter und zufrieden aussah. Zu gerne hätte sie erfahren, an was er wohl gerade dachte. Dachte er auch an IHN...? Jäh griff Kronos ihr in die Zügel und zwang ihr Pferd zum Stehen. Fest sah er die Frau an, die seinen Blick furchtlos erwiderte. "Es ist nicht von Bedeutung, weshalb ich das tue, verstehst du. Wichtig ist doch, daß ich hier bin.... - Bei dir." Ein eisiger Schauer rann ihr über den Rücken. "Die Zeiten haben sich geändert, Kronos!" brachte sie so ruhig wie nur irgend möglich hervor. "Du kannst mir nichts mehr befehlen! Ich bin nicht mehr deine kleine Sklavin. Ich bin Soldat, und ich bin gut! Fordere mich nicht heraus!!" Auf einen leichten Schenkeldruck seines Reiters hin, machte der stattliche Hengst zwei Schritte nach vorne und stand nun so, daß Zoidites Pferd nicht weg konnte. Zoidites Herzschlag beschleunigte sich schlagartig. Sie fühlte, wie ihr Blut wie eine heiße Welle durch ihre Adern jagte, aber dieses Mal war es nicht das Hochgefühl wie bei einer Schlacht. Dieses Mal war es ein ihr sehr vertrautes Gefühl. Etwas, das sie eigentlich schon lange verloren glaubte, wäre es ihr jetzt nicht so nahe: es war Angst! Ihre Kehle wurde trocken und sie atmete flacher, während ihr Puls raste und es hinter ihren Schläfen rauschte. Ihre Finger schlossen sich fester um die Zügel und sie betete zu allen Göttern, daß ihr nicht ihre Gefühle ins Gesicht geschrieben standen.

Lange sah Kronos sie an, bevor er wieder sprach: "Denkst du, ja? Na, hoffentlich irrst du dich da nicht, meine Liebe." Damit gab er sie frei und ritt unbekümmert weiter, ohne sie noch länger zu beachten. Für einen Augenblick sank Zoidite auf dem Sattel zusammen und barg ihr Gesicht in der langen Mähne ihrer Stute. Tief atmete sie ein und aus und versuchte, ihre aufgewühlten Gefühle zu beruhigen. Dann straffte sie sich wieder und folgte ihm....


Als die Schatten länger wurden, kamen sie an eine der steileren Stellen im Wald, wo sie hinunter mußten. Ohne sich abzusprechen lagerten sie für die Nacht, bevor sie sich ausgeruht und frisch am nächsten Morgen an den Abstieg machten. Zu Fuß, die Pferde an den Zügeln hinter sich herführend, mehr schlitternd als gehend tasteten sie sich Elle um Elle, Meile um Meile vorwärts, bis sie endlich die unteren Ebenen erreicht hatten. An einem nahegelegenen Fluß machten sie Halt, um die Pferde zu tränken und sich selber zu erfrischen.

"Wir sollten die Pferde hier lassen. Die Stadt ist nicht mehr sehr weit, den Rest des Weges legen wir besser zu Fuß zurück." Zoidite vermied es, Kronos anzusehen, als sie ihm ihren Vorschlag unterbreitete. Der wusch sich gerade den Staub ab, als er innehielt und zu ihr aufsah. "Gut." Die junge Frau nahm von ihrem Pferd ein Bündel herunter und entfaltete es. Zu Kronos' Überraschung kamen da alte, getragene Sachen von Mareks Bediensteten zu Tage....

Schmunzelnd beobachtete Kronos Zoidite, wie sie sich umzog. Über die Sachen des Soldaten zog sie ein grobes Kleid aus harter Wolle, das ihre Uniform verdeckte, die feinen Stiefel wichen ein paar groben Holzpantinen und die langen, gepflegten Haare verschwanden unter einem kunstvoll geknoteten Tuch. Eine riesige Schürze, wie sie die einfache Landbevölkerung häufig trug, und ein zerschlissenes Tuch um die Schultern vervollständigten ihre Erscheinung noch.

"Wahrlich, so kann man jede schöne Frau zur häßlichen Vettel machen!" spottete er freundlich, als sie fertig war und mit in die Seiten gestemmten Armen überlegte, ob sie nicht etwas vergessen hatte. Ihr Blick traf auf seinen und in ihren Augen funkelte es fröhlich auf. "Ich werte das jetzt als Kompliment, und ich danke Euch dafür, edler Ritter." erwiderte sie ironisch. "Die Kunde von Mareks Söldner hat selbst die entlegensten Teile des Landes erreicht und es ist nicht vonnöten, daß man uns auf Anhieb erkennt, findet Ihr nicht auch. Denn immerhin möchten wir doch Erfolge haben, nicht wahr!?" Sie zupfte an dem langen Rock herum. "Doch Halt, nein! ICH muß ja gar keine Erfolge vorweisen können... IHR müßt es! Hach, was bin ich doch für ein Dummerchen..." Sie drehte Kronos mittlerweile den Rücken zu und er nutzte die Gunst der Stunde und erhaschte ihren Schürzenzipfel. Geschickt löste er blitzschnell die Schleife, war an sie herangetreten und zog die Schürzenbänder so fest zu, daß ihr die Luft ausging. Sein Mund war ihrem Ohr ganz nahe: "Mir gefällt Euer Mundwerk nicht, mein Herr." raunte er ihr zu. "Ich werde Euch gerne beweisen, wer von uns der Stärkere ist, sofern Ihr Wert darauf legt, es herauszufinden." "Du tust mir weh!" japste Zoidite kurzatmig. Der Schmerz breitete sich in ihr aus und sie hatte das Gefühl, als würde sie innerlich zerquetscht werden. "Ich weiß." Kronos war und blieb ruhig, machte aber keine Anstalten, sie aus ihrer schmerzhaften Lage zu entlassen. - Noch nicht... Stattdessen zog er noch ein bißchen fester zu. Zoidite keuchte. Abrupt ließ er von ihr ab und sie stolperte zwei Schritte weiter, wobei sie hastig an den Schnüren zerrte, um wieder atmen zu können und starrte ihn wütend an. Gelassen deutete er auf ihren Aufzug. "Du bist zu sauber für eine Bäuerin." stellte er fest. Schon setzte sie zu einer heftigen Erwiderung an, hielt inne und drehte sich dann schwungvoll um, um ihrer Aufmachung den letzten Schliff zu geben. Kronos' leises Lachen begleitete sie.....

"Und nun?"

Kronos betrachtete eingehend Zoidites Werk und befand es fast für perfekt. Nur eine winzige Kleinigkeit fehlte noch. Aber da zauberte sie auch schon aus dem Unterholz eine schnell zusammengebaute Kiepe hervor, stopfte etwas Reisig hinein und schulterte sie gekonnt. Nachdenklich runzelte sie die Stirn, warf ihr Bündel noch einmal ab und versteckte ihre Waffen unter dem dürren Holz.

"Ja, so was... Was man wohl noch so unter deiner Last finden wird?"

Ein giftiger Blick traf Kronos.

"Vielleicht den Kopf eines unbekannten Mannes?!"

Kronos lachte gemütlich auf und klopfte ihr wohlwollend auf die schmale, zerbrechlich wirkende Schulter. Er amüsierte sich königlich in ihrer Gegenwart! "Was willst du denn, mein Kind?" fragte er lachend. "Meine Erneuerung würde dich umbringen, so stark ist sie. Und du glaubst doch wohl nicht wirklich, daß ich mich von dir besiegen lassen werde, oder? Na, siehst du." Er legte den Kopf in den Nacken und prüfte den Stand der Sonne. "Wir sollten gehen." sagte er dann. "Es wird bald Mittag und es werden eine Menge Leute unterwegs sein. Auf uns wird man wohl kaum achten." "Sicher." Zoidites Stimme klang wie Samt. "Für die werde ich nur eine Bäuerin sein. Aber was ist mit dem wohlhabenden, fremden Soldaten, dem man den Reichtum schon von weitem ansieht?" "Reichtum?" "Für die Menschen hier trägst du als Handschuhe schon mehr Reichtum mit dir herum, als sie jemals in ihrem Leben besitzen werden. - Auch, wenn wir beide wissen, wie billig ihre Anfertigung ist." "Und das sagt mir jemand, der sich seine Stiefel extra anfertigen läßt!" Kronos schüttelte grinsend den Kopf. "Machst du dir etwa Sorgen um mich, meine Liebe?" stichelte er gut gelaunt und freute sich daran, wie sie rot wurde und sich dann verärgert abwandte. "Kümmere du dich um deine Aufgabe, Soldat!" beschied er ihr dann. "Um den Rest kümmere ich mich schon." Zurechtgewiesen wie ein Kind schwieg Zoidite und sie machten sich auf den Weg in die Stadt.


Der Weg war doch noch ziemlich lang und sie wurden immer wieder von Bauern und Handwerkern überholt, die ihnen neugierige, verstohlene Blicke zu warfen, bevor sie weiter ihres Weges gingen. Zoidite würde auf Nachfragen angeben, sie habe dem Soldaten erlaubt, sie zu begleiten, weil er nicht von hier sei. Er hingegen versuchte wenigstens, seine Überheblichkeit ein wenig zu zügeln, um nicht schon weit im voraus unangenehm aufzufallen. Es war bereits früher Nachmittag, als sie endlich die Stadttore erreichten und sich anschickten, die beiden Wachen zu passieren. Zu ihrer Überraschung kreuzten sich zwei Lanzen vor ihren Augen. Zoidites Herz schlug einen Takt schneller.

"Halt! Ihr da! Wer seid ihr? Wo kommt ihr her?" verlangte einer der beiden Männer barsch zu wissen. Kronos lächelte glatt. "Ich bin fremd hier und dieses nette Mädchen hat sich großzügig angeboten, mir den Weg hierher zu zeigen, da sie auf den Markt will." Ein prüfender Blick streifte den verkleideten Söldner, der der jungen Frau das Blut in die Wangen steigen ließ. "Den Weg gezeigt, hm?" hakte er nach. Kronos' Lächeln wurde breiter. "Unter anderem." bestätigte er mit einem Schnurren in der Stimme. Hastig senkte der Söldner Mareks den Blick und biß sich auf die Lippen. Du gottverdammter Bastard, das wirst du mir büßen!, dachte sie rebellisch. Die Torwache grinste verstehend und winkte sie durch. Nach ein paar Schritten blieb Kronos aber noch einmal stehen und wandte sich um. "Gute Herren, bitte sagt mir doch noch, wo man sich hier einquartieren kann für wenig Geld." bat er unschuldig. Stur wanderte Zoidite weiter, innerlich kochend vor Wut, äußerlich eiskalt und bis zum letzten aufmerksam. "Wir haben nur eine Herberge." antwortete der Mann, der schon den kleinen Disput mit den beiden gehabt hatte. "Sie ist ganz ordentlich. Gewiß wirst du dort ein Lager zur Nacht finden können." Kronos deutete eine leichte Verbeugung an. "Ich danke euch für diese Auskunft."

Ein paar Häuserecken weiter holte der Unsterbliche seinen Weggefährten für die nächsten paar Tage wieder ein und schlenderte auffällig gut gelaunt neben ihr her. Endlich riß ihr der Geduldsfaden: "Was hast du dir dabei gedacht? Wahrscheinlich denkt er jetzt, ich sei eine Hure!" zischte sie böse. "Schon möglich." bestätigte er neben ihr ruhig. "Du..." Zoidite stockte und tat schnell einen Schritt hinter Kronos, den Kopf gesittet gesenkt und darauf bedacht, daß man sie so wenig wie möglich wahrnahm. Ein paar Männer in der Kleidung einer Leibgarde schoben sich an ihnen vorbei, laut schwatzend und lachend. Im Vorbeigehen kniff einer der Männer die vermeintliche Bäuerin in den Hintern, aber sie gab keinen Laut von sich, außer ein gemurmeltes: "Verzeiht mir, Herr."

"Wer war das?"

Mit einem schnellen Blick vergewisserte die Frau sich, daß die Garde vorbei war, dann ging sie wieder neben dem unsterblichen Mann her. Ihr Blick starr geradeaus gerichtet, antwortete sie ihm: "Das waren Vlad und seine Männer." "Wer ist das?" "Vlad? Er nennt sich Vlad, der Große, und behauptet, der größte Kriegsherr zu sein, der jemals gelebt hat. Unbesiegbarer Krieger, Zerstörer der Ungläubigen und so weiter und so fort." "Und?" "Was und?" "Kennst du ihn?" Zoidite lächelte flüchtig und es sah richtig zufrieden aus. "Hast du die Narbe gesehen, die er trägt? Vom Gesicht an abwärts, bis hinunter zum Knie. Mein Schwert hat ihn beinahe gespalten. Mag der Teufel wissen, wieso er das überlebt hat.... - Ich glaube, er ist nicht wirklich gut auf mich zu sprechen." "Wieso fängst du mit jemandem wie ihm Streit an?" "Ich war der Meinung, daß er nicht der beste und unbesiegbare Kriegsherr ist, wie er immer behauptet." Kronos lachte leise. "Woher willst du das wissen?" Ein langer, dunkler Blick streifte ihn. "Weil ich den Mann kenne, der diesen Titel für sich beansprucht!" Sie deutete auf ein hölzernes Schild, das über einer Tür hing. "Hier ist die Herberge...." Stimmengewirr drang aus den Gassen zu ihnen und wie ein gehetztes Tier sah Zoidite sich um. Vlad und seine Leute kamen zurück! Kurzerhand packte Kronos sie am Arm und schob sie in den dämmrigen Schankraum.

Mißtrauisch sah der Wirt die beiden Neuankömmlinge an, die fast in seine Herberge hinein stolperten. Er: ein Soldat mit teuren, fein gearbeiteten Sachen, sie: eine Magd oder so, recht ansehnlich, aber dreckig wie ein Straßenköter. Der feiste Kerl hinter dem Ausschank fragte sich, was die beiden wohl hier wollten, als der Soldat sich lässig auf den Tresen lehnte, ohne den Arm des Mädchens loszulassen. "Ich will ein Zimmer!" verkündete er mit selbstsicherer Stimme. Ein stumpfes Nicken folgte auf diese Forderung. "Essen?" "Ich werde zum Essen kommen, wenn ich Hunger habe." Wieder ein Nicken, dann ein Nicken mit dem Kopf in Richtung Mädchen. "Und sie?" Kronos grinste breit. "Sie wird keine Zeit zum Essen finden." erwiderte er und fühlte, wie sich unter seiner Hand ihr Oberarm spannte. Verständnisvoll nickte der Wirt nun und wies dem Fremden den Weg in das für ihn gedachte Zimmer. Kronos mußte die junge Frau nicht erst zur Eile antreiben, sie legte auch so einen Schritt zu, als sie die steile Stiege hinauf kletterten, und der dicke Wirt grinste beim Gedanken an die beiden, die es wohl kaum erwarten konnten, endlich aus den Sachen zu kommen.


Während Kronos die Tür sorgfältig hinter sich schloß, war Zoidite ans Fenster getreten und warf aus sicherer Entfernung einen Blick in die Gasse hinunter, wo die Garde sich eben lärmend näherte und laut palavernd vor der Tür der Herberge stehen blieb. Schnell trat sie einen Schritt zurück; unnötig, denn von unten aus konnte man sie nicht sehen. Gemächlich entledigte Kronos sich seines Schwertgurtes und lehnte das Langschwert gegen den einzigen Stuhl in dieser stickigen kleinen Bude, die man ihnen als Zimmer angepriesen hatte.

"Was ist los?" erkundigte er sich mäßig interessiert, während sein Blick gleichzeitig nach einer Waschgelegenheit suchte, um sich den Staub abzuwaschen und sich etwas zu erfrischen. Als er nichts fand, was seinen Vorstellungen entsprach, gesellte er sich zu Zoidite, die immer noch atemlos lauschte. "Sie kommen rein!" flüsterte sie heiser, ihre Stimme vibrierte bei dem Gedanken daran. Das hatte ihnen noch gefehlt! Ein Zusammenstoß mit Vlads Leuten. Zwar waren sie beide gute Krieger, aber gegen eine geballte Garde und der dahinter stehenden Armee konnten zwei Leute nicht viel ausrichten, da gab's nichts zu rütteln. Gefangen im Ort ihrer Zuflucht, welch Ironie!

Kronos legte dem jungen Söldner seine Hand auf die Schulter und gebot ihm Schweigen. Unten, im Schankraum, polterten schwere Stiefel, laute Stimmen füllten die Stube aus und es schien nicht so, als würden sie vorhaben, die Schenke schnell wieder zu verlassen. Verärgert knirschte er mit den Zähnen. Nun gut, es war nicht ihre Schuld. Ein unglücklicher Zufall, wenn auch ein sehr ärgerlicher! Er besann sich einen Augenblick, dann riß er die beiden kleinen Fenster weit auf und beugte sich weit hinaus. Unten, in der Straße, war niemand und er zerrte den verkleideten Soldaten neben sich und deutete raus.

"Schaffst du das?" fragte er barsch.

Prüfend sah Zoidite in die Tiefe. Gute zwei Meter unter ihr befand sich die Stange, an der das Wirtshaus-Schild angebracht war, darunter ging es noch mal ungefähr zwei Meter runter. Selbst für jemanden wie sie war dies keine leichte Übung. Blieb ihr eigentlich eine andere Wahl? Wenn sie sich weigerte, würde Kronos sie wahrscheinlich gewaltsam hinunter werfen, dessen war sie sich sicher. Ihre Aufgabe bestand darin, herauszufinden, wie sie schnell und möglichst unkompliziert an den Schmuck kamen, dazu mußte sie erst einmal Erkundigungen einholen und dafür MUSSTE sie das Zimmer verlassen! Tief holte sie Luft.

"Ja." erwiderte sie dann leise. "Nur alleine werde ich nicht mehr hereinkommen."

"Laß das meine Sorge sein." Sorgfältig schloß Kronos die Fenster wieder und entledigte sich seines Umhangs. "Zieh dich aus!"

"Wie bitte???"

"Mach schon oder soll ich nachhelfen?!"

Achtlos landete der dunkle Umhang auf dem Stuhl, gefolgt von seinem Hemd, bevor er sich setzte und seine Stiefel auszog. Zoidite glaubte, sie dürfte ihren Augen nicht trauen! Das konnte es doch gar nicht geben! Also so was von...!

"Wenn Vlad Verdacht geschöpft haben sollte, wird er jemanden zum Spionieren hoch schicken. Sieht schon komisch aus, wenn wir dann hier sitzen und uns unterhalten, findest du nicht auch?" Bevor sie auch nur in Empörungsstürme ausbrechen konnte, hatte er ihr auch schon mit diesem vernünftigen Argument den Wind aus den Segeln genommen und Zoidite klappte ihren Mund wieder zu. Wo er recht hatte, hatte er recht, auch wenn es ihr nicht paßte!

"Laß die Hosen an!" Kronos krabbelte unter die geflickte Decke und lehnte sich bequem mit dem Rücken gegen die Wand, stopfte dann doch lieber noch ein Kissen hinein und machte es sich dann gemütlich, während er die junge Frau beim Ausziehen beobachtete.

"Macht dir Spaß, hm?" knurrte sie ungnädig, als sie ihr Oberteil ablegte und der Unsterbliche ungeniert ihre entblößte Brust musterte. "Ja, was soll ich sagen? Kein Auftrag ist perfekt und wir haben alle unsere Opfer zu bringen. Na, komm schon!" Einladend hielt er die Decke hoch und zu ihrer Erleichterung sah der Söldner, daß Kronos auch noch seine Hosen trug. Immer noch nicht restlos von seiner uneigennützigen Gesinnung überzeugt, kroch sie zu ihm und er breitete den Flicken über sie beide aus. Von unten her erklangen laute Gespräche, das Klingen von Bechern und Hochrufe. Die Garde amüsierte sich wahrlich königlich in der Gaststätte! Als Kronos keine Anstalten machte, sich ihr zu nähern, entspannte Zoidite sich und verschränkte beide Arme hinter dem Kopf.

"Wie lange sollen wir warten?"

Kronos gab nicht sofort Antwort und so verrenkte die junge Frau sich ihren Hals und betrachtete sein Gesicht mit den geschlossenen Augen, das sehr entspannt aussah. Das halblange Haar lag um seinen Kopf und die Haarspitzen berührten seine Schultern. Er schien ihren forschenden Blick zu spüren und grinste.

"Du mußt dich noch gedulden, wenn du meinen Kopf willst, Kleines." scherzte er und sah sie an. In den dunklen Augen blitzte es belustigt auf und zum ersten Mal in ihrem Leben fiel Zoidite auf, daß sie blau waren, blau und unergründlich... "Bis es dunkel ist." unterbrach er ihre Betrachtungen. "Dann wird dich keiner sehen oder - was wichtiger ist - es wird dich keiner erkennen."

Schritte auf der Stiege ließen ihn im Satz abbrechen. Augenblicklich rollte er sich auf den zierlichen Körper der Frau und zischte: "Obacht!" Zoidite war nicht auf den Kopf gefallen, nicht umsonst rühmte ihr Lehnsherr ihre Klugheit, und sie schlang ihre Arme um den Hals ihres "Partners" und zog seinen Kopf tiefer, während sie gerade mal so laut anfing zu stöhnen, daß man es an der Zimmertür hören mußte. Kronos sorgte für die passende, quietschende Geräuschkulisse, indem er sich im Takt dazu bewegte. Die Schritte verstummten vor der Tür, die beiden Soldaten wechselten einen schnellen Blick. Dann klopfte es leise. Kronos stoppte in der Bewegung und ließ ein unwirsches "Ja?" erklingen, unauffällig schob sich sein Körper so in Positur, daß er den der Frau fast vollkommen verdeckte und so eine Identifizierung unmöglich machte.

Eine weibliche Bedienung öffnete schüchtern und schob sich halb herein. Als sie die eindeutige Pose des Paares wahrnahm, lief sie rot an und mit einer verlegenen Geste hielt sie den Krug mit Bier hoch, den sie trug.

"Den schicken Euch die Herren aus der Stube, Herr." stammelte sie tödlich verlegen. "Ihr mögt ihn auf ihr Wohl leeren."

Hastig stellte sie den Krug ab und sah zu, daß sie das Zimmer so schnell es ging wieder verließ. Hinter der geschlossenen Tür legte sie aufatmend ihre Hand auf das wild klopfende Herz. Was für ein Mann! Diese Muskeln, dieses Gesicht! Was für ein Glück hatte die andere doch! Zu gerne hätte sie mit ihr getauscht!

Es fiel Zoidite schwer, nicht laut herauszuplatzen, sobald die Tür sich wieder geschlossen hatte. Ein unerklärlicher Lachreiz quälte sie und letztendlich blieb ihr nichts anderes übrig, als ihn in der Decke zu ersticken, während Kronos sich das Bier holte und genüßlich trank. Unten hatte wohl soeben das Mädchen verkündet, was sie hier oben taten, denn von der Schankstube aus erklang so etwas wie Anfeuerungen und Hochrufe, die gegen die Decke gerichtet waren. Nur langsam beruhigte die Unsterbliche sich wieder und verspürte den quälenden Durst, den der lange Marsch in der Mittagshitze mit sich gebracht hatte. Wortlos bot Kronos ihr von seinem Bier an und durstig spülte Zoidite den Staub der Straße damit fort. Als sie den Krug zurück geben wollte, stand Kronos schwungvoll auf und kleidete sich wieder an. Sein Blick kreuzte sich kurz mit dem des Söldners, dann nickte sie langsam.

Manchmal bedurfte es keiner Worte, um zu verstehen. Er würde nach unten gehen, um die Meute abzulenken, wohingegen sie hier auf eine günstige Gelegenheit wartete, um aus dem Fenster entwischen zu können. Ein knappes Nicken, dann war er auch schon hinaus und seine Schritte waren selbstsicher auf der Stiege zu hören, als er sie hinunter stieg. Unten wurde der Soldat mit lautem Hallo begrüßt, das sich noch steigerte, als er auf die Frage eines Gardisten nach dem Verbleib seiner Gespielin antwortete: "Zu erschöpft, um sich zu bewegen!"

In Gedanken grinste er. Was hätte er nicht dafür gegeben, hätte Zoidte das hören können! Ihre leidenschaftliche Wut zog ihn unwiderstehlich an, wie Honig die Biene, aber noch war es nicht soweit. Noch wollte er sie ein bißchen zappeln lassen. Sie sollte von alleine zu ihm kommen, sollte ihn förmlich darum anflehen, daß er ihr Bett teilte!


Zoidite wartete noch, bis es vollends dunkel war, dann öffnete sie lautlos die kleinen Flügel der Fenster und schwang sich hinaus auf das Fensterbrett. Etwas unsicher blickte sie in die Tiefe. Eine solche Höhe war selbst für Menschen wie sie nicht ungefährlich und außer viel Geschick war hier wohl nur noch eine Menge Glück von Nutzen. Tief holte sie noch einmal Luft, dann stieß sie sich ab und ließ sich in die Tiefe fallen.

Hart machte die junge Frau Bekanntschaft mit dem Schildermast, auf dem sie rittlings landete, und verzog schmerzlich das Gesicht. Mühsam kämpfte sie sich in eine halbwegs vernünftige Position und lauschte den Stimmen in der Schenke. Kronos amüsierte sich köstlich! Er lachte und trank und scherzte mit den Gardisten, daß Zoidite davon ganz schlecht wurde! Fast lautlos landete sie auf dem Boden. Ihre Stiefel verursachten kaum einen Laut, als sie sich voran schlich, und in Gedanken leistete sie bei den Stiefelmachern Abbitte, weil sie damals so um den Preis gefeilscht hatte. Zoidite schlich sich voran, immer eng an die Häuserwände gedrückt, damit man sie auch ja nicht sah, kaum wagte sie zu atmen, während sie sich unaufhaltsam ihrem Ziel näherte.

Als sie vorsichtig um eine Ecke spähte, konnte sie ein düsteres Grinsen nicht unterdrücken. Fast wie in alten Zeiten!, dachte sie halb belustigt, halb schaudernd. Früher, im Lager der Reiter, war sie auch öfters so umhergeschlichen, stets darauf bedacht, daß man sie weder sah noch hörte. Manche Gewohnheiten schienen sich nie zu ändern! Hastig preßte sie sich in eine Nische und hielt die Luft an. Ganz nahe an ihr gingen drei Männer vorbei, lebhaft schwatzend und offensichtlich auf dem Weg ins hiesige Freudenhaus, wie man ihren Worten entnehmen konnte. Alle Nackenhaare hatten sich aufgestellt, als sie weiter wieselte, sobald die Luft wieder rein war. Endlich, nach einer halben Ewigkeit wie es ihr schien, hatte sie ihr Ziel erreicht...


Das Geräusch von Kieseln, die gegen das Fenster geworfen wurden, machte Kronos aufmerksam und er erhob sich, um zu öffnen. Unten auf der Straße stand Zoidite und sah sehr ungeduldig aus. Ihre ärgerliche Handbewegung sagte so etwas aus wie: He, wird's bald? Wie lange soll ich hier noch stehen? Oder doch besser den Eingang benutzen? Er winkte ihr und mit einem kraftvollen Sprung katapultierte die junge Unsterbliche sich an den Schildermast, auf den sie kunstvoll hinauf turnte. Langsam richtete sie sich auf, balancierte ihr Gewicht aus und reckte sich dann so weit es ging hinauf, damit er sie hochziehen konnte. Als sie endlich auf dem Fensterbrett saß, ließ sie seine Hand augenblicklich los und schwang sich elegant hinein. Kronos ging ins Bett zurück, während sie sich schweigend entkleidete. Erst, als sie neben ihm lag, redete er mit ihr.

"Und?"

"Ich kam nicht weit genug hinein."

Ein Laut neben ihr ließ sie aufhorchen. Zutiefst verärgert über diese Anmaßung zischte sie ihn wütend an: "Willst du es machen?" "Schschhht, reg dich doch nicht so auf." Er machte es sich bequem und schloß entspannt seine Augen. "Übrigens eine sehr nette Erinnerung, die du Vlad verpaßt hast." bemerkte er nebenher. "Und ich denke, du hast gut daran getan. Er ist arrogant, überheblich und..." "Impotent. Aber das interessiert dich ja - Gott sei Dank - nicht." beendete Zoidite den Satz trocken und provozierte bei dem Älteren neben sich so ein herzhaftes Lachen, bis er sich endlich auf den Bauch wälzte und vor sich hin grinste. Für einen Moment war die junge Frau noch unentschlossen, dann drehte sie sich abrupt auf die Seite und schloß die Augen. Kronos ließ ihr nicht viel Platz und sie mußte sich schon sehr eng an ihn schmiegen, um überhaupt etwas von der Decke abzubekommen, geschweige denn, nicht aus dem Bett zu fallen.

"Das könnte mir gefallen." murmelte Kronos nach einer Weile. Zoidite schnaufte verärgert. "Wag nicht einmal, daran zu denken!" giftete sie in die Dunkelheit. - Und sah nicht das Lächeln, das sie ihm damit entlockte.


Die Ausspionierungsversuche dauerten drei Nächte an. Mittlerweile war ihre Nachhut eingetroffen und hatte sich unter die Leute gemischt, um möglichst unauffällig zu wirken, ganz so, wie Kronos es ihnen aufgetragen hatte. Vom Söldner ihres Königs hatten sie weder etwas gesehen, noch gehört, aber es war ihnen ein Dorn im Auge, wie vertraut der fremde Soldat mit der Garde Vlads umging. Sollte er am Ende Zoidite verkauft haben? Keiner von ihnen hatte Grund, den Söldner Mareks zu lieben, nichtsdestotrotz konnten sie ihn anerkennen und begegneten ihm mit Hochachtung, - etwas, was der Fremde sich erst noch verdienen mußte.

"Hier!"

Achtlos warf Kronos der jungen Frau im Bett ein Stück Brot zu, die es geschickt auffing und finster darauf herum kaute. Es paßte ihr nicht, daß sie immer noch tatenlos hier herumsaßen, während der Schmuck vielleicht schon verschachert oder weggebracht oder gestohlen wurde! Wieso nur wurde Kronos nicht tätig???

Der Ältere spürte die unbändige Ungeduld seiner Begleiterin und lächelte nachsichtig darüber mit dem Wissen des Alters und der Abgeklärtheit, die sein Leben so mit sich gebracht hatte. Er wußte, wenn es nach der jungen Frau gegangen wäre, würden sie schon längst in die Behausung Vlads eingedrungen sein und hätten versucht, sich des Schmuckes zu bemächtigen. - Und wären gescheitert an den unzähligen Wachposten, die der Nichtsnutz aufgestellt hatte, weil er zu Recht befürchtete, Marek könnte sich sein Eigentum zurückholen wollen. Ungestüme Jugend!, schmunzelte er vor sich hin.

"Ich werde heute Abend nicht da sein."

Schweigen.

"Vlad hat mich zu einem Fest eingeladen, dessen Ankündigung ich nicht widerstehen konnte."

"Ein Fest?" Zoidite spie dieses Wort regelrecht aus. Ihre dunklen Augen loderten unheilvoll und wütend warf sie mit dem Brot nach ihm, dem er geschickt auswich. "Du hast allen Ernstes noch die Stirn, dich nicht nur mit seinen widerlichen Leuten zu amüsieren, nein!, du feierst auch noch mit ihm???"

Mit einem eleganten Satz war Kronos auf das Bett gesprungen, das verdächtig ächzte, seine Hände hatten ihre Handgelenke gegen den Rahmen gepreßt und sein Gesicht war dem ihren ganz nah. So nah, daß Zoidite sich des unangenehmen Gefühls nicht erwehren konnte, das sich ihrer bemächtigte.

"Hast du etwa was dagegen, meine Liebe?" Die Stimme des Unsterblichen war nurmehr ein heiseres Raunen, gefährlich leise, und das Vibrieren in ihr jagte der Frau einen Schauer nach dem anderen über den Rücken. "Wenn ja, dann sag es mir nur. - Ich werde dich dann so lange hier festbinden, bis ich wieder da bin." Eine eiserne Hand faßte nach ihrem Kinn. "Nun?"

"Nein..." brachte sie mühsam über die Lippen und fast im selben Augenblick ließ er sie los, daß ihr Kopf von der Wucht zurückgeschleudert wurde und sie sich am Bettrahmen stieß. Verlegen rieb sie sich die Stelle am Hinterkopf, nicht, ohne ihn wütend anzustarren. Das indes glitt an ihm einfach ab, er grinste lediglich.

"Halt mir meinen Platz warm, mein Herz!" warf er ihr zu, dann fiel die Tür hinter ihm ins Schloß und ließ einen völlig frustrierten Söldner zurück, der außer sich vor Zorn auf die Matratze einhieb, als sei sie der Feind und nicht Kronos.


Als Kronos gegen Morgengrauen in die Herberge zurückkehrte, fand er Zoidite vollständig angezogen - in ihrer Uniform! - auf dem Stuhl sitzend vor, hellwach, die langen Beine lagen lässig auf dem Tisch und in ihren Augen glomm ein wildes Feuer.

"Ich hoffe, du hast dich gut amüsiert."

Ihre Stimme klang wie geborstenes Glas und erst jetzt wurde der Unsterbliche das Schwert gewahr, das gut sichtbar auf dem Tisch vor ihr lag. Seine dunklen Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, während er sich den Mantel abnahm.

"Willst du mich herausfordern?" grollte er.

"Aber nicht doch." Zoidites Stimme war eine einzige Beleidigung, ihre ganze Haltung drückte Abscheu vor ihm aus. "Würde ich dich töten, würde man mich danach wahrscheinlich als Hexe verbrennen. Selbst ich kann eine Erneuerung nicht glaubwürdig erklären. Ich möchte nur, daß du wachsam bleibst. Du weißt doch: dein Wohlergehen liegt mir sehr am Herzen."

Kronos beugte sich über sie, seine Hand legte sich auf das blanke Metall der Klinge und hielt es fest, obwohl die junge Frau keine Anstalten machte, ihr Schwert an sich zu nehmen.

"Um mich zu besiegen braucht es mehr als eine kleine, schmutzige Magd, Soldat!" zischte er ihr zu und richtete sich mit einem zufriedenen Grinsen wieder auf. Geschickt schnürte er sich sein Hemd auf und streifte es sich provozierend langsam ab. Dieser selbstbewußte Mann war sich durchaus der Wirkung seines durchtrainierten Körpers auf die junge Frau bewußt, die ihn mit stoischer Ruhe beobachtete. "Weißt du, Vlads Burg ist wirklich beeindruckend." Er warf ihr sein Hemd ins Gesicht, wo sie es mit einem zornigen Funkeln in den Augen wegzog. "So gut gesichert, so viele Wachposten,... - genau so muß eine Burg gerüstet sein. Wie bist du eigentlich da rein gekommen?" "Geht dich gar nichts an!" Ein langer Blick ruhte auf ihr, und die Unsterbliche wurde unruhig. "Es gibt da einen kaum gesicherten Nebeneingang, der von.... von Leuten benutzt wird, die nicht unbedingt etwas in der Burg zu suchen haben." murmelte sie dann vor sich hin und ärgerte sich halbtot über das anzügliche Grinsen des Mannes. "Was du nicht alles weißt." stichelte er freundlich und kroch unter die Decke. "Wird wohl unsere einzige Möglichkeit bleiben, hm. Es sei denn, wir gehen direkt über die Mauern." "Warum klopfen wir nicht gleich an Vlads Pforte und verlangen die Herausgabe des Schmucks, hä?" "Auch kein schlechter Gedanke." Mit diesen Worten rollte Kronos sich auf die Seite und schloß genüßlich die Augen. Fassungslos starrte Zoidite auf seinen breiten Rücken; sie öffnete den Mund, um ihm ein paar warme Worte zu sagen, schloß ihn aber ebenso schnell wieder, weil es ja doch keinen Sinn hatte. Sie konnte ja schon froh sein, daß sie mit Kronos so gut auskam, wozu sollte sie dann noch unnötig Öl ins Feuer gießen? Eine Auffrischung in Sachen Gehorsam und Widerworte brauchte sie nicht und verzichtete liebend gerne darauf, daß er den Herrn und Meister raushängen ließ. Dann doch lieber so...

"Wieso Zoidite?"

"Was???" Die Frau war gänzlich überrumpelt von dieser Frage, hatte sie doch nachgedacht und sich schon damit abgefunden, daß er schlief.

"Wieso du dir einen solchen Namen aussuchst. Ist er nicht etwas ungewöhnlich?"

Unangenehm berührt starrte der Söldner auf seine Stiefelspitzen, die er verlegen hin und her bewegte. Ein Schatten hatte sich auf sein Gesicht gelegt, der schnell wie ein Gedanke wieder verflog.

"Ich bin lange im Land der Aufgehenden Sonne gewesen. Die Menschen dort haben mir diesen Namen verpaßt."

Kronos antwortete nicht und nur wenige Momente später zeugte sein leises Schnarchen davon, daß er einen gesunden Schlaf hatte. Nachdenklich blickte die Unsterbliche auf den Mann nieder, dann lächelte sie nachsichtig und schloß die Augen, um selber noch ein paar Stunden Ruhe zu finden.


Rücksichtslos trat Kronos den Stuhl unter Zoidite weg und mit einem lauten Poltern fiel die Unsterbliche hinten rüber, rollte sich trotz des unsanften Weckens geschickt ab und stand fast augenblicklich wieder auf den Beinen. Ihr schneller Atem füllte den stickigen kleinen Raum aus, bis er stockte und sie atemlos auf Geräusche von unten lauschte. Wütend wirbelte sie zu Kronos herum, der ihrem Treiben mit einem winzigen, schmalen Lächeln in den Mundwinkeln zugesehen hatte, und dem man ansah, was für eine diebische Freude es ihm bereitete, sie zu piesacken. Er glaubte nicht daran, daß sie ihn ernsthaft herausfordern würde, trotzdem würde er es versuchen. War aus dem kleinen Mädchen, das er gekannt hatte, wirklich eine selbstbewußte, kriegerische Unsterbliche geworden? Früher oder später würde er es wissen....

"Wenn du schon unbedingt meine Autorität untergraben willst, dann unterbreite mir auch Verbesserungsvorschläge, Soldat!"

"Du bist das arroganteste, überheblichste, mieseste..." begann sie, kam aber nicht weit.

Mit einem sanften Lächeln unterbrach er sie, seine gedämpfte Stimme und die geschmeidige Handbewegung, mit der er ihr das Wort abschnitt, zeugten einmal mehr von der Gefährlichkeit, die unter seinem eher unscheinbaren Äußeren verborgen lag: "Hör auf mir zu schmeicheln, ich bitte dich!" schnurrte er. Ein rebellisches Prickeln rann durch Zoidites Adern, als sie es hörte. "Wie ich dich einschätze, würdest du bei Vlad eindringen, den Schmuck nehmen und wieder verschwinden, liege ich da richtig? Und weißt du auch, warum ich es nicht tue?" "Weil es meine Art wäre?" "Nein, weil wir gar nicht erst so weit kämen, daß wir den Schmuck zu Gesicht bekämen. Die Burg ist bestens gesichert, wir würden unmöglich Erfolg haben können. Was ist mit dem Nebeneingang, von dem du sprachst?" Zoidite ließ sich Kronos gegenüber auf der Tischkante nieder; die Meinungsverschiedenheit war vergessen, jetzt zählte nur noch das geschäftliche. Sie überlegte einen Augenblick, dann winkte sie entschlossen ab. "Inakzeptabel. Doch Pforte?" Kronos grinste verschmitzt. "Mauer." entschied er dann. Er fing ihren skeptischen Blick ein und sein Grinsen wurde noch breiter. Er stand halb auf und neigte sich über die Tischplatte, seine Fingerspitzen fuhren an den Aufschlägen ihres Hemdes her und die belustigten Funken, die in seinen Augen tanzten, gefielen Zoidite überhaupt nicht. "Nicht wir, mein Herz. WIR werden den Haupteingang benutzen. Nur du und ich."

Nie würde er den Augenblick vergessen, in dem Zoidite die Kinnlade herunterklappte! Die großen Augen weit aufgerissen, starrte sie ihn fassungslos an, während er beinahe zärtlich ihre Wange tätschelte und sich dann lachend auf den Weg ins Dorf machte, um die letzten Vorbereitungen für den großen Coup zu treffen. Dieses Gesicht entschädigte ihn für all die Beleidigungen, die sie ihm während der letzten Tage so an den Kopf geworfen hatte, und er würde sich noch in tausend Jahren daran erinnern!


".... werdet ihr über die Mauern eindringen. Ich habe euch Fanghaken besorgt und Taue; hoffentlich könnt ihr damit umgehen!?" "Was ist mit Zoidite?" Ungnädig runzelte Kronos die Stirn und sah den Soldaten an. Es war derselbe, der am Tage ihres Aufbruchs nicht auf die Befehle der Frau hatte hören wollen und den sie so eiskalt abserviert hatte. Aufsässig starrte der nun den fremden Söldner an, nicht gewillt, sich abwimmeln zu lassen. Er hatte sich schon lange Gedanken um das Verbleiben von Mareks Söldner gemacht, jetzt schien ihm der richtige Zeitpunkt gekommen, um das Thema anzusprechen. Huh, wie finster der andere ihn anfunkelte! So, als wollte er ihm an den Hals springen!

"Zoidite wird mit mir einen anderen Weg benutzen. Ist das nicht in deinem Sinne, Soldat?" Jetzt wurde es dem Mann doch ungemütlich zumute. "Doch, doch..." murmelte er unbestimmt. "Ich dachte nur,... Wie lauten deine Befehle?" Mit einem knappen Nicken nahm Kronos diesen Sinneswandel zur Kenntnis, schon wandte er sich wieder seinen Plänen zu und erläuterte den paar Männern, wie er sich die Durchführung dachte.


"Hier!" Schwungvoll warf Kronos Zoidite ein Bündel zu, für das sie von ihrer Tätigkeit - dem Schleifen ihres Schwertes - aufsah. "Wenn du so weiter machst, wird von deinem Schwert bald nichts mehr übrig sein!" frotzelte Kronos munter und spielte damit auf ihre Lieblingsbeschäftigung der letzten beiden Tage an, in denen sie immer und immer wieder ihre Klinge schärfte, so daß das Blatt bestimmt schon schärfer war als ein Rasiermesser.

Jetzt legte sie die schlanke Klinge weg und nahm sich das Bündel. "Was ist das?" "Schau nach!"

Die Unsterbliche entfaltete das Bündel und packte die Sachen auf das Bett, und mit jedem Kleidungsstück, das sie hervorzog verfinsterte sich ihre Miene mehr, bis sie endlich zornentbrannt den Älteren anfunkelte.

"Du glaubst doch wohl nicht, daß ich SO ETWAS anziehe, oder???" schnappte sie bissig.

Mit einem Lächeln nahm Kronos einen Hauch von Stoff auf und hielt ihn an den Körper der Söldnerin.

"Oh, doch, du wirst!"

"NIEMALS!!!"

"Ich habe dich einmal verkauft, meine Liebe, ein zweites Mal wird mir das nicht passieren! - Dann werde ich dafür sorgen, daß du dir nie wieder Gedanken um deine Sachen machen mußt..."

Damit drückte er ihr die Sachen nachdrücklich in die Hand und ließ sie mit einer knappen, herrischen Handbewegung wissen, daß sie sich umzuziehen hatte. Zögernd kam Zoidite diesem schweigenden Befehl nach und schlüpfte in die Sachen, die Kronos einem Amüsiermädchen aus dem Freudenhaus abgekauft hatte, um - wie er sagte - seine Geliebte etwas in Stimmung zu bringen...

Als sie fertig war, trat Kronos hinter sie und strich mit beiden Händen an ihren Armen entlang. Er fühlte den Widerstand, den sie ihm entgegenbrachte, nahm ihren Duft auf, der sie umwehte, und war versucht, ihr seinen Willen aufzuzwingen, bevor er diesen Gedanken wieder verwarf. Dies war weder die richtige Zeit, noch der richtige Ort dafür....

"Dein Hintern ist zwar etwas... üppig für dieses Kleid und vorne ist der Ausschnitt nicht tief genug, aber ich glaube, das wird dem Ganzen keinen Abbruch tun.... Ich hoffe, du kannst tanzen!?" "Ich hasse dich!" "So lange es dein Blut in Wallung bringt, bitte. Aber laß deinen Frust bitte nicht an meinem Mantel aus, - ich habe nur den einen. Können wir?" Damit legte er ihr seinen Mantel um, nahm sanft ihren Arm und führte sie fast bis zur Unkenntlichkeit verhüllt die Stiege hinunter und aus dem Gasthaus heraus.


Es war schon dunkel und niemand achtete auf die beiden Gestalten, die es nicht allzu eilig hatten, als sie sich Vlads Burg näherten. Als sie um eine Ecke bogen und am Ende der Gasse die Burg des "Befreiers" sehen konnte, blieb Zoidite stehen.

"Was, wenn er mich erkennt?"

"Du mußt halt Sorge dafür tragen, daß es so lange wie möglich nicht geschieht! Tanz ihm was vor, zieh dich aus, mach irgendwas, aber stell dich nicht so mädchenhaft an! Erinnere dich bitte, wie ich es ahnde, wenn man meine Befehle nicht befolgt! Muß ich noch mehr sagen?" Mit einem unsanften Stoß in den Rücken trieb Kronos die Frau voran. Die Wache ließ den neuen Freund des Burgherrn anstandslos passieren und warf dem Amüsiermädchen, das ihn begleitete, einen lüsternen Blick hinterher. Was würde er nicht dafür geben, könnte er an Stelle der beiden Kerle - und damit meinte er sowohl den Fremden als auch seinen Herrn - dieses Mädchen da heute Nacht haben....

"Curan, was für eine unerwartete Freude, dich hier zu sehen!"

Vlad winkte Kronos aus seinem Stuhl heraus mit einem Becher Wein zu, der augenscheinlich nicht sein erster war. Um genau zu sein, war der Rumäne schon ziemlich angetrunken und nahm deshalb auch das zusammenzucken der leicht bekleideten Gestalt hinter seinem neuen Freund nicht wahr.

Curan!? Zoidite warf einen flüchtigen Blick auf Kronos, sah sein angedeutetes Grinsen und verstand den Ursprung dieses Namens plötzlich mit einer ungeheuren Klarheit: nicht zufällig war er gewählt, nein, Kronos hatte diesen Namen gewählt, um dem Wissenden klar zu machen, mit wem er es zu tun hatte. Cur: Angst und Schrecken, Personifikation der Angst der Menschen! Wahrlich, ein treffender Name für den Unsterblichen! Es fiel ihr schwer, nicht frech zu grinsen bei dem Wissen um Vlads Unwissenheit. Er hatte sich seinen schlimmsten Alptraum ins eigene Haus geholt, ohne es auch nur zu ahnen!

Jetzt sah der Burgherr die Gestalt doch und wies mit seinem Becher auf sie.

"Wen hast du denn da mitgebracht, Freund?" verlangte er zu wissen und Kronos lächelte glatt. "Etwas Gesellschaft für den heutigen Abend." antwortete er gelassen. "Ich hoffe, du magst Tänzerinnen?" Vlads geröteten Augen wurden groß. "Sie tanzt?" vergewisserte er sich mit brüchiger Stimme. "Nur für uns, mein König." schnurrte Kronos und schob Zoidite nach vorne. Mit einer anmutigen Bewegung nahm er ihr seinen Mantel ab und warf ihn schwungvoll auf einen nahestehenden Stuhl, während Vlad seine Leute mit einer hektischen Handbewegung hinaus scheuchte. Dieses Vergnügen wollte er nur mit seinem neuen, ach so rücksichtsvollen Freund teilen, der ihm ein solch reizvolles Geschenk bereitete.

Die junge Söldnerin dankte allen Göttern für Kronos' Weitsicht, weil er sogar an einen züchtigen Schleier für das Gesicht gedacht hatte, hinter dem sie sich verstecken konnte. Ansonsten mochte man dieses Utensil für eine schamhafte Spielerei halten, hier wurde sie plötzlich lebensnotwendig. Die Unsterbliche sah zu, wie Kronos sich Wein holte und auch Vlad noch einmal nachschenkte, sich dann setzte und sie auffordernd ansah. Lange mußte sie in den unergründlichen Tiefen ihres Gedächtnisses suchen, bis sie sich an einen Tanz erinnerte, den sie vor langer, langer Zeit einmal gelernt hatte....

Kronos verfolgte die geschmeidigen Bewegungen der Frau mit aufmerksamen Interesse, deren Tanz er kannte. Sie hatte ihn vor langer Zeit einmal in ihrem Lager gelernt, um die Reiter zu unterhalten. - Und bis heute hatte sie nichts verlernt! Und während Zoidite tanzte, nötigte der Unsterbliche den Burgherrn, doch zu trinken und schenkte persönlich immer wieder nach. Dann fiel der erste Schleier und Vlad hatte plötzlich einen stark erhöhten Flüssigkeitsbedarf, dem Kronos nur zu gerne abhalf. Je mehr von den sieben Schleiern fielen, umso mehr trank Vlad und beim fünften war er schon fast besinnungslos, so daß er fast in sich zusammensank. Die Unsterbliche hielt fragend inne und ihr Gefährte nickte knapp. Er packte den Betrunkenen und zerrte ihn aus seinem Stuhl hoch.

"Komm, mein Freund, wir bringen dich zu Bett!"

Der Mann murmelte etwas Unverständliches und Zoidite, die Vlad auf der anderen Seite unterfaßte, sah über dessen Schulter Kronos verwundert an. Der winkte ab und redete beruhigend auf ihn ein: "Aber natürlich werde ich dafür Sorge tragen, daß die Tänzerin dich zu Bett bringt und bleibt. Mach dir keine Sorgen..." Die junge Frau sah aus, als hätte sie in eine Zitrone gebissen, sagte aber nichts, sie half lediglich Kronos, den Volltrunkenen ins Bett zu schleppen, wo sie ihn hinwarfen und liegen ließen. Ächzend setzte Zoidite sich neben Vlad und ließ ihre Beine baumeln. Dann fiel ihr noch etwas ein und sie zog sich blitzschnell um und trug binnen kürzester Zeit wieder ihre Uniform und den dazugehörigen Mantel, mit den angelsächsischen Stiefeln.

"Und jetzt?"

Das Lächeln, mit dem Kronos sie bedachte, erregte ihre Aufmerksamkeit. Geschmeidig wie immer schritt er durch den Raum, starrte nachdenklich auf die steinernen Wände und klopfte sie dann in systematischer Reihenfolge ab. Geduldig wartete die Unsterbliche ab. Endlich klang es hinter einem der Steine anders als bei den vorherigen und jetzt breitete sich ein grimmiges Grinsen auf des Unsterblichen Zügen aus. Gebannt folgten Zoidites Augen den Bewegungen des Mannes, hingen an jedem noch so kleinen Zucken in seinem Gewicht, jeder Krümmung seiner Finger....

Mit einem leisen Klirren landete ein Teil des Schmucks auf dem Fußboden, und während Kronos auch den Rest hervor holte, sammelte Zoidite die Stücke ein, knotete ihre verbliebenen Schleier zusammen und packte das Geschmeide dort hinein.

"Das gehört hier nicht mehr zu," belehrte sie Kronos, der noch ein paar Sachen dazu legen wollte, aber er grinste nur verschmitzt: "Na und?" Einen Augenblick lang sahen die beiden Unsterblichen sich in die Augen, dann grinsten sie sich verstehend an. Noch einmal huschte Zoidite zum Bett, um sich davon zu überzeugen, daß Vlad ihren Abzug nicht stören würde, beugte sich über ihn... In dem Moment schlug er die Augen auf! Er schien verwundert zu sein, wen er da vor sich sah, dann breitete sich ein dümmliches Grinsen auf seinem Gesicht aus und er streckte seine Hände nach der begehrenswerten Frau aus.... Noch bevor er sie berührte, veränderte sich plötzlich seine Miene und er schien sie zu erkennen.

"Ich kenne dich..." lallte er, dann war er schlagartig nüchtern. "WACHE!!! Hierher, zu mir!!!"

Zoidite wußte sich keinen anderen Ausweg, als Vlad erst einmal mit einem gezielten Faustschlag ruhig zu stellen, dann raffte sie ihre Sachen und hastete zur Tür, in der Kronos schon auf sie wartete. Sie rannten die langen Gänge der Burg herunter; als sie schwere Schritte von Stiefeln der Garde hörten, drängten sie sich in eine Nische, um sie passieren zu lassen, dann liefen sie weiter. Von draußen hörten sie, wie Alarm geschlagen wurde. - Die anderen waren angekommen und lenkten einen Großteil der Aufmerksamkeit auf sich!

Die beiden fegten um eine Ecke, aber aus dem Gang, in den sie wollten, kamen ihnen Gardisten entgegen, die sie sofort stellen wollten und auf sie zu liefen. Zoidite packte Kronos am Arm und rannte mit ihm ein Stück zurück, eine Treppe hinunter, auf den Hof. Der erste Wachmann, der ihnen entgegen kam, bekam ihre Faust zu spüren und ging bewußtlos zu Boden. Die Unsterbliche entriß ihm sein Schwert und streckte einen Angreifer nieder, bevor sie sich an der Mauer entlang drängte. Neben sich wußte sie Kronos, der sein Schwert mit bewundernswerter Geschicklichkeit führte, auf den Zinnen versuchten ihre Leute, Einlaß zu finden.

"Dort hinauf!"

Mit der Schwertspitze deutete Zoidite auf eine Stiege, die auf die Zinnen führte. Sie rannten über den Hof, auf dem sich mittlerweile Bogenschützen sammelten und sie und die Männer hinter der Mauer beschossen. Links und rechts zischten die Pfeile in den weichen Boden, am Fenster seines Gemachs stand Vlad und brüllte immer wieder: "Bringt sie mir lebend! Ich will sie lebend, hört ihr!" Keuchend erreichte Zoidite die Zinnen, beugte sich über sie und warf einen Blick hinunter. Da unten standen ihre Männer mit den Pferden und warteten auf sie! Das Brüllen der Soldaten in ihrem Rücken wurde lauter, dazwischen die weinerliche Stimme von Vlad, dem Unbesiegbaren, der Lärm, den dieses kleine Intermezzo verursachte...

"Spring!"

"Bist du wahnsinnig? Ich werde mir den Hals brechen!"

Ohne große Worte packte Kronos den leichten Körper der Frau und hob sie über die Zinnen hinweg. "Spring!!!" Dann ließ er sie los.....

Geschickt wie die Katzen rollten die beiden Unsterblichen sich ab, kaum daß sie den Boden berührt hatten, ohne Pause machten sie einen Satz zu ihren Pferden hin, schwangen sich hinauf und im gestreckten Galopp sprengten sie und ihre Leute los. Hinter sich hörten sie, wie man das Burgtor öffnete und wie ihnen Soldaten folgten, in hellster Aufregung und mit dem Versprechen ihres Herrn, daß derjenige ausgesorgt hätte, der ihm die Verräter bringen würde. Tot oder lebendig....

Und so war es nicht wirklich verwunderlich, daß sie es sehr eilig hatten und keine Rast einlegten. Zoidite ließ sich bald zurückfallen, um die letzten zu sichern. Die Mäntel eng um sich geschlungen, ritten sie wie die Teufel, bis sie endlich den schützenden Wald erreicht hatten.


"Herr!"

Fragend wandte Kronos seinen Blick dem Soldaten zu, der ihn angerufen hatte. Der war stehen geblieben und deutete auf das Pferd Zoidites. Sie war auf dessen Rücken zusammengesunken und als es nun führerlos stehenblieb, rutschte sie schwer über den Hals hinweg und fiel zu Boden, wo sie regungslos liegen blieb. Mit wenigen Schritten war Kronos bei ihr und rollte sie auf den Rücken. Sie lebte. Kalter Schweiß stand ihr auf der Stirn und ihr Atem ging keuchend. Als Kronos den kleinen, dunklen Fleck auf ihrem Mantel entdeckte und ihn fortzog, blickte er geradewegs auf einen abgebrochenen Pfeil, der in ihrem Leib steckte. Dort, wo er steckte, sickerte fast schwarzes Blut hervor und tränkte den Stoff ihrer Uniform. Sie hatte eine Hand auf die Stelle gepreßt, die nun kraftlos fiel.

"Warum hast du nichts gesagt?"

"Es... hätte nichts... geändert..." keuchte sie schwer. "Wir... haben... keine Zeit.... um uns aufzu...halten... Wir.... Ihr... müßt weiter..." Etwas hilflos starrte Kronos sie an. "Ich kann deinen Qualen ein Ende bereiten." schlug er ihr vor. Ein kleiner Stich nur und er könnte den Pfeil schmerzlos beseitigen. Sie würden weiterreiten, Zoidite würde irgendwann aufwachen und alles wäre wieder in Ordnung. Zoidite gab einen unbestimmten Laut von sich. "Nein... nein... ich will... das... nicht.... Es geht... schon...." Sie brach ab, haltlos fiel ihr Kopf zur Seite, - sie war ohnmächtig geworden. Kronos war noch einen Moment unentschlossen, dann stand er auf und wies einen Soldaten an, er solle ihm den leichten Körper hinauf geben. Dort setzte er ihn vor sich und stützte ihn beim Weiterritt. Als sie wieder erwachte, stöhnte sie schmerzerfüllt auf. Sie stemmte sich gegen Kronos' Griff und versuchte, sich so ein wenig Erleichterung zu verschaffen, bis sie an ihrem Lagerplatz angekommen waren. Wie gut tat sein starker Arm, an dem sie sich festhalten konnte!

Als sie ihren Platz erreicht hatten, schlugen sie das Nachtlager auf und Kronos spannte ihren Mantel als Sichtschutz zwischen sich und die anderen. Dann kniete er sich neben die Frau nieder. Ihr Überlebenswille war erstaunlich! Jeder andere hätte den Kampf gegen Schmerz und Tod schon lange aufgegeben, aber sie rang um jeden Atemzug und wehrte sich mit der letzten Kraft, die sie noch hatte, sich fallen zu lassen und dem Licht entgegen zu gehen. Wirklich erstaunlich!

Vorsichtig entblößte er ihren Leib und besah sich die Wunde. Der Pfeil war tief in die Eingeweide gedrungen und hatte sie schwer verletzt, daher auch die dunkle Farbe ihres Blutes. Der schnelle Ritt hatten Metall und Holz noch tiefer hinein getrieben und ihr somit wohl den Rest gegeben. Jetzt war nur noch die Frage, was schneller war: die Selbstheilung oder der Tod.

"Es wird weh tun."

"Ich... weiß..."

Kronos suchte sich ein Stück Holz und als er es ihr gab, versuchte sie zu lächeln.

"Danke...."

"Wofür?"

"Der Schmerz... er... soll mich... erinnern... daß ich....daß ich versagt habe....und... er wird mich... daran...... gemahnen....mich.... niemals... wieder.. zu über....schätzen..."

"Beiß darauf!" Stur wandte sie ihr Gesicht ab und seufzend gab Kronos nach. Er setzte sich neben sie, eine Hand gegen ihre Schulter gestemmt, eine am Schaft des Pfeiles. Zoidite sah ihn an. In ihren Augen sah er Angst und das beruhigte ihn ein bißchen. Hinter der Fassade der Kriegerin, der Söldnerin steckte also immer noch ein kleines Mädchen, das sich vor Schmerzen fürchtete. Sie war immer noch die alte! Mit einem Ruck riß er den Pfeil heraus.

Ein gellender Schrei zerriß die Stille der Nacht und die Soldaten um das Lagerfeuer zuckten zusammen, als sie ihn hörten. Sie hatten dem Söldner ihres Königs keine Chance gegeben. Dem Schrei folgte nun ein unterdrücktes Keuchen, unterbrochen von Schluchzern und sie wandten sich wieder ihrem Dörrfleisch zu.

Gepeinigt schrie Zoidite auf und wälzte sich auf die Seite, beide Hände gegen die Wunde gepreßt, aus der das Blut mit Wucht herausschoß. Der Pfeil hatte die Blutung zurückgehalten, aber nun rann der kostbare Lebenssaft unaufhaltsam und tränkte den Boden unter ihr. So sehr sie sich auch dagegen wehrte, sie mußte doch schluchzen, als die Schmerzen zu stark wurden. Keuchend rang sie um ihr Bewußtsein. Und dann fühlte sie es: Kronos, der sich hinter sie kniete und seinen Arm beschützend um ihre Schultern schlang. Seine Brust, an die er sie fest preßte, der ruhige, gleichmäßige Herzschlag, den sie im Rücken spürte. Seine glattrasierte Wange an ihrer, sein warmer Atem, der sie streifte. Mit dieser Umarmung schien er ihr etwas von seiner Kraft zu geben und allmählich wurde sie ruhiger und atmete wieder gleichmäßiger. Er wickelte seinen Mantel um sie beide und zog ihn fest, auf daß nichts von der Wärme, die er ausstrahlte, verloren ging. So hockten sie dicht aneinandergedrängt am Boden und schwiegen sich an.

"Ich hätte dich fast nicht wiedererkannt."

"Warum?"

"Weil du ausnahmsweise mal nicht auf dem Rücken liegst!"

Zoidite lachte heiser auf, aber er hörte auch die Bitterkeit, die in diesem Lachen mitschwang. Sie schmiegte ihre Wange gegen seine Schulter und atmete bewußt ein und aus. Die Selbstheilungskräfte hatten ihr Werk vollendet und die Wunden geschlossen. Sie fühlte sich nur noch etwas schwach und müde, aber das würde ebenfalls bald vergehen, das wußte sie.

"Dein Wille zu Überleben ist sehr stark." spann Kronos seinen Faden weiter. "Ich hatte einen guten Lehrer." erwiderte sie schlicht.....

Vorsichtig glitten junge Hände über Kronos' Gesicht, ein weicher Lappen, mit klarem Wasser getränkt, entfernte die Reste der Kriegsbemalung, die er regelmäßig zu ihren Überfällen trug. In den Händen hielt er einen Becher mit Wein und genoß den winzigkleinen Moment der Muße, in dem er sich diesen Händen hingeben konnte. Gar nicht weit von ihm entfernt konnte er Silas und Caspian streiten hören. Wer wußte schon, worum es dieses Mal ging? Einen Mantel vielleicht, eine Decke oder etwas nichtigeres, auf das sie sonst keinen Gedanken verschwenden würden? Auf der anderen Seite lauschte er den Lauten, die aus dem Zelt seines strategischen Planers kamen. Methos hatte sich anscheinend eine der Sklavinnen geholt.... Er schloß die Augen, als der Lappen sich seinen Lidern näherte. Kaum wahrnehmbar verschaffte ihm Ansa Kühlung und Erquickung, ohne ihn dabei zu belästigen oder sonstwie auf sich aufmerksam zu machen.

Bis zum heutigen Tage hatte Kronos es nicht bereut, sie mitzunehmen. Sie war die geborene Sklavin: demütig, gehorsam, willig. Es lag nicht in ihrer Natur, sich in den Vordergrund zu drängen, um sich damit Vorteile zu verschaffen. Sie diente unauffällig und still und zu ihrer vollsten Zufriedenheit; und die Männer genossen es. Jetzt wandte sie sich ab, um den Lappen erneut zu befeuchten, und Kronos nutzte die Gelegenheit, seine Augen wieder zu öffnen und sie zu beobachten. Das lange, dunkle Haar fiel ihr wie ein weicher Vorhang über die Schulter und floß in geradezu verschwenderischer Pracht über den Rücken. Genießerisch dachte der Horseman daran, wie sich die Enden kräuselten und wie es duftete. Ansa hatte zwar keine Sonderstellung, aber man gewährte ihr gewisse Freiheiten. So durfte sie z.B. Baden gehen, wenn es ihre Arbeit zuließ. Sie konnte sich ungehindert im und um das Lager bewegen, ohne daß man auf sie noch einen wachsamen Blick haben mußte. Es war ein sehr angenehmes Zusammenleben mit ihr.

Zögernd, fast fragend nahm sie seine Hand und säuberte sie ebenso sorgfältig wie sein Gesicht. Als sie damit fertig war, nahm sie einen kleinen Tiegel mit Heilsalbe und massierte diese sanft in die aufgerissene Haut, die bei dem langen Ritt sehr unter den rauhen Zügeln zu leiden gehabt hatte. Als sie ihr Werk vollendet hatte, packte sie ebenso lautlos wie behende ihre Sachen zusammen und schickte sich an, ihn zu verlassen.

"Bring mir mein Essen!"

"Ja, Herr" Ansa verneigte sich kurz und eilte dann davon, um seinem Wunsch sofort zu entsprechen. Im Eingang stieß sie fast mit Caspian zusammen, der soeben eintreten wollte, und schnell tat sie einen Schritt beiseite, den Kopf demütig gesenkt, um ihn vorbeigehen zu lassen. Erst danach verließ sie das Zelt.

"Was wird mit ihr, wenn wir unser Lager abbrechen?" Caspian wies mit dem Kopf hinter der jungen Sklavin her. Ansa war nicht sein Typ und er konnte nicht viel mit ihr anfangen. Sie war dazu da, um ihnen das Essen zu bringen oder Wasser, aber ansonsten hatte er keinerlei Verwendung für das Mädchen. Er fragte sich, wieso Kronos sie noch am Leben ließ. Immerhin hatte ihr Anführer sie nicht so oft auf seinem Lager, daß damit ihre Existenz gerechtfertigt wäre. Und die kleinen Dienste, die sie machte, - dafür gab es genügend andere, die es bestimmt ebenso gut erledigen konnten. Alles in allem hatte Ansa seiner Meinung nach kein gesteigertes Recht auf Leben. Zudem dachte Kronos in den letzten Tagen öfters über ein Abbrechen des Lagers nach. Was das hieß, wußten alle: man würde die Sklaven töten, um schnell und unbeschwert weiterreisen zu können. Am neuen Lagerort würde man sich dann neue suchen und das Spiel begann von vorne...

"Ich denke, wir werden sie mitnehmen."

"Sie wird uns aufhalten."

Methos trat ein und mischte sich in das Gespräch ein. Er mußte nicht viel hören, um zu wissen, worum es ging. Im Gegensatz zu Caspian schätzte er die stille Art von Ansa. Er hatte sie oft zu sich geholt und nie hatte sie ihn enttäuscht. Noch war sie sterblich, obwohl er sich selber so manches Mal gewünscht hatte, ihr zu zeigen, weswegen man die Reiter so fürchtete. - Kronos machte keine Anstalten, ihrem Leben ein Ende zu bereiten, um sie so auf ihre neue Existenz vorzubereiten. Aber anscheinend war Kronos ihrer auch noch nicht überdrüssig, sonst würde er sie wohl kaum mitnehmen wollen. Was also hatte er noch mit ihr vor?

"Nein, ich glaube nicht, daß sie das tun wird." erwiderte Kronos jetzt ruhig. "Zumindest nicht sehr." räumte er dann ein und setzte sich zurecht. Sein freundliches Lächeln galt dem strategischen Planer, der ihm gegenüber saß. "Du hast schnell dein Zelt verlassen, Bruder. War etwas nicht zu deiner Zufriedenheit?" Gelassen winkte Methos ab. "Eine weniger, um die wir uns kümmern müssen." antwortete er kühl und sah Ansa aufmerksam entgegen, die soeben blass und stumm wieder eintrat. - Ihre Reaktion auf die Art und Weise, mit der die Reiter mit ihren Sklaven umgingen. Sie kniete sich hin, um Kronos sein Essen zu servieren, als er ihr Kinn in die Hand nahm und ihr Gesicht anhob. Forschend suchten seine Augen in ihrem Gesicht, ergötzten sich an dem flüchtigen Aufflackern in ihren Augen, das Angst verriet, und tasteten es befriedigt ab. Ansa fürchtete, ihr Kiefer müßte brechen unter dem groben Griff, aber sie gab keinen Laut von sich. "Nein, nicht sehr." wiederholte Kronos zufrieden und ließ sie ruckartig los, daß sie fast hinten rüber schlug. So entlassen, eilte sie hinaus, um den anderen Reitern Essen und Trinken zu bringen, ohne daß sie danach verlangen mußten. Als sie wiederkam und es vorlegte, packte Methos sie grob am Handgelenk. "In mein Zelt!" herrschte er sie an. Ansa zog eingeschüchtert den Kopf ein, warf ihrem Herrn einen flüchtigen Blick zu und verschwand...

Am nächsten Morgen wurden die Sklaven angewiesen, alles zusammen zu packen und auf den Pferden zu verteilen, während die vier Reiter aßen. Geschäftig eilten die Sklaven hin und her, um nahezu schweigend all die Aufgaben zu erfüllen, die man ihnen aufgetragen hatte.

Ansa arbeitete so, daß Kronos sie immer im Blick hatte. Er aß sehr bedächtig und seinen scharfen Augen entging nicht der kleinste Patzer, den man sich erlaubte. Während die anderen drei Reiter auch mal großzügig über Fehler hinweg sahen, ahndete Kronos jeden einzelnen mit unnachgiebiger Strenge, was ihm die Angst der Menschen einbrachte. Er wurde gefürchtet, - und etwas anderes wollte er auch gar nicht! Soeben hatte Ansa Decken auf den Packpferden verstaut, als Kronos sie anrief: "Ansa!" Erstaunt, ihren Namen zu hören - den man sonst nie benutzte -, drehte das junge Mädchen sich fragend um. Zu spät bemerkte sie das leise Flirren in der Luft, sah das Aufblitzen einer Klinge in der Sonne... Ungläubig starrte sie auf den Dolch, der in ihrer Brust steckte, hob ihren Blick und warf Kronos einen verständnislosen Blick zu, bevor er brach und sie tot zu Boden sank. Ungerührt aß Kronos weiter.

"Tötet die anderen!"


Hoch aufgerichtet und stolz schritten die beiden Soldaten durch die langen Gänge der Burg. Der eine trug Stiefel mit Absätzen, wie die Angelsachsen sie zum Reiten trugen. Ihre Schritte hallten durch die hohen Räume, die sie durchquerten, dazwischen vereinzelt das leise Klingen der Schwertklingen. Als sie den Thronsaal betraten, fiel Zoidite einen Schritt zurück und ließ Kronos den Vortritt, der sich vor Marek auf seine eigene, arrogante Art flüchtig verneigte.

"Wir haben deinen Auftrag erfüllt!" sprach er mit ruhiger Stimme. "Erfülle dein Versprechen Caleb gegenüber!"

Fragend schweiften Mareks Augen zu seinem Söldner, der kaum merklich nickte. Zoidite hatte ihre Verbeugung lediglich angedeutet und stand nun in tadellos sitzender Uniform lässig hinter ihrem Verbündeten der letzten Tage. Jawohl, der Auftrag war erfüllt und Kronos hatte den Familienschmuck wohlbehalten zurückgebracht. Nein, er hatte nicht versucht, Marek zu betrügen. Manchmal sagten Gesten und Blicke mehr als tausend Worte, und Zoidite und ihr Lehnsherr verstanden sich vorzüglich.

Nachdenklich sah Marek seinen Söldner an. Die scharlachrote Uniform saß perfekt, der schwarze Umhang fiel locker über ihre schmalen Schultern, das Schwert hing an ihrer Seite. Sie sah noch genauso aus wie vor ein paar Tagen, aber irgendetwas war anders, das spürte er. Sollte Zoidite sich etwa in diesen fremden Soldaten verliebt haben? Die Augen des jungen Königs verengten sich zu schmalen Schlitzen, dann verschwand diese Laune wieder. Huldvoll wandte er sich an Kronos:

"Erhebe dich, mein Freund. Sobald du meinem Schatzmeister mein Eigentum ausgehändigt hast, ist der Bann aufgehoben."

Kronos tat schweigend, was man verlangte.

"Ich bin dir viel Dank schuldig, Fremder. Sage mir: würdest du es in Erwägung ziehen, in meine Dienste zu treten? Du und Zoidite als meine Leibgarde... Was könnte mir dann noch widerfahren?"

Kronos lächelte geschmeichelt und antwortete glatt: "Ihr ehrt mich, mein König. Dennoch muß ich Euer Angebot ablehnen. Es zieht mich weiter, ich möchte mich nicht länger aufhalten."

Insgeheim atmete Marek auf, hoffte aber, sich nicht allzu viel anmerken zu lassen, wie froh er wirklich war, daß Kronos nicht bleiben wollte. Trotzdem lächelte er verbindlich. "Feiere unseren Sieg mit uns, mein Freund!" bot er großzügig an. "Du mußt erschöpft sein von der langen Reise. Morgen kannst du immer noch weiter reisen." "Ich bin Euch Dank schuldig für diese großzügige Einladung." Zoidites Mundwinkel zuckten kurz ob dieses Schlags ins Gesicht. Sie sah in das Gesicht ihres Königs und fragte sich, ob er wohl die Ironie von Kronos' Worten verstanden hatte. Nein, es sah nicht so aus.


Schnell war der Söldner Mareks die Feierlichkeiten überdrüssig und zog sich zurück. Der viele Wein, der verschwenderisch floß, das üppige Essen, die Spezereien, die gereicht wurden.... Man sang, tanzte und lachte und feierte, als hätten all diejenigen, die da unten saßen, selber das kleine Wunder vollbracht und den Schmuck dorthin zurück gebracht, wo er hingehörte. Und während Kronos und die anderen sich amüsierten, zog die junge Frau sich heimlich zurück, um dem unerwünschten Trubel zu entgehen. Selbst die sonst so humorvollen Reden ihres Königs, die sie eigentlich sehr mochte, nervten sie, und sie sehnte sich nur noch nach Ruhe, nach diesen aufreibenden Tagen.

Zoidite stand in ihrem Gemach und starrte finster schweigend aus dem Fenster, als sich hinter ihr die Tür öffnete. Sie hatte seine Anwesenheit gespürt und fragte sich, was ihn wohl noch hier halten mochte. Die Tür schloß sich und nur Augenblicke später fühlte sie seine Hände, die über sie hinweg glitten. Mit sanfter Gewalt griff er ihr ins Haar und nahm es zurück, den freigelegten Hals küßte er. Kronos sagte kein Wort, aber seine Hände wußten ganz genau, was sie wollten. Sie faßten um Zoidite herum und öffneten die Schnüre ihres Hemdes.

"Was glaubst du, was du da tust?" fragte sie leise, konnte aber ein unsicheres, kaum wahrnehmbares Vibrieren in der Stimme nicht verbergen. Doch sie erhielt keine Antwort. Kronos streifte ihr schweigend das Hemd ab, faßte sie unter und ließ sie vorsichtig auf dem Bett nieder. Es fiel Zoidite schwer, zwischen Gegenwart und Vergangenheit zu unterscheiden, als er sich nun über sie beugte. Dasselbe lange, dunkle Haar, das ihre bloße Haut berührte, dieselben Muskeln, die sie festhielten und ihr bewiesen, daß er - und nur er! - ihr Herr und Meister war, hier, jetzt, in diesem Moment....


Zoidite saß auf den Stufen der Treppe, die zu den Zinnen der Burg hinauf führten. Dort saß sie schon lange, schweigend, und dachte nach. Kronos hatte sie genommen, schweigend, und dann war er gegangen. Kein Wort, keine Geste, nichts! Sie hielt ihr Gesicht in die frühen Strahlen der Sonne und schalt sich in Gedanken selber für ihre Schwäche. Sie hatte ihm nachgegeben! Nicht, weil er sie so lange beherrscht hatte, sondern weil es ihr gefallen hatte! Dieses Wissen war fast noch schlimmer als die Erkenntnis, daß sie es jederzeit wieder tun würde. Jahrhundertelang hatte sie versucht, ihre Vergangenheit zu vergessen, hatte versucht, zu verdrängen, was sie geformt hatte. Tja, und dann tauchte - wie Phönix - Kronos auf und zerstörte den wackeligen Frieden, den sie sich geschaffen hatte. Ob er wußte, was er angerichtet hatte? Und was würde jetzt kommen?

Das Getrappel von Pferdehufen machte sie aufmerksam und suchend wandte sie ihr Gesicht dem Hof zu, verwundert, wer so früh wohl schon fortreiten wollte. Es traf sie wie ein Schlag mit der flachen Hand: es war Kronos, der hochaufgerichtet im Sattel saß! Wie im Trance erhob sie sich von ihrem unbequemen Platz und ging ihm zwei Schritte entgegen. Er wandte sein Pferd und sah sie lange an. Dann lächelte er, zückte seinen Dolch aus dem Gürtel und warf ihn ihr vor die Füße. Das Heft zitterte leicht nach, aber Zoidite beachtete ihn gar nicht. Hinter seinem Rücken holte Kronos einen zweiten Dolch hervor und als die junge Frau den sah, fuhr ihre Hand reflexartig an ihren eigenen Gürtel. Es war ihrer! Kronos lachte, steckte ihren Dolch an die Stelle, wo sonst seiner gesteckt hatte, wendete sein Pferd und sprengte aus dem Burghof. Langsam, wie eine Schlafwandlerin, hockte die Unsterbliche sich hin und hob seinen Dolch auf, bevor sie ihm lange nachsah. Ein feines Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie murmelte: "Bis zum nächsten Mal!", dann drehte sie sich um und schlenderte zurück in die Burg.....


Ende