Nachklang
Selena

(Die englische Originalversion dieser
Geschichte, sowie Selenas Triologie "Convenants" sind zusammen
mit mehreren anderen ausgezeichneten Highlander-Stories in der Internet-Anthologie
Voices zu finden)
"Du willst mir erzählen,
daß Adam Pierson Methos ist?"
Da MacLeod ihm gerade erst beruhigenderweise versichert hatte, daß
Kalas außer Gefecht gesetzt worden sei, vorläufig jedenfalls,
und keine weiteren Beobachter mehr umbringen würde, war die zweite
Neuigkeit des Schotten kein so großer Schock für Joe, wie sie
es hätte sein können. Trotzdem nahm sie ihm einige Sekunden
lang den Atem.
"Ich glaube, das war sein kleiner Witz auf eure Kosten. Adam, der
erste Mensch."
Von wegen kleiner Witz. "Wie könnte man besser anderen Unsterblichen
aus dem Weg gehen? Er war die ganze Zeit da." Joe hielt den Hörer
mit der einen Hand fest, während er mit der anderen versuchte, an
die Schublade mit den Fluglinienplänen zu gelangen. "Ich kann’s
nicht fassen, daß ich ihn übersehen habe. Bleib, wo du bist,
ich nehme das nächste Flugzeug nach Paris."
"Laß es bleiben", entgegnete MacLeod; in seiner Stimme
lag sowohl Resignation als auch ein Hauch von Enttäuschung. "Er
ist verschwunden, mitsamt euren Chroniken. Er wird schwer zu finden sein."
Sie unterhielten sich noch etwas über Kalas, bevor Mac auflegte.
Nun, Kalas würde zweifellos irgendwann wieder auftauchen, um die
Welt im allgemeinen und MacLeod im besonderen heimzusuchen, das entsprach
seinem Naturell, aber vorerst konnten sie alle ein wenig leichter atmen.
Und versuchen, mit dem Unheil zu leben, das Kalas angerichtet hatte.
Joe hatte Roger kaum gekannt, aber mit Don Salzer war er seit Jahrzehnten
eng befreundet gewesen. Er erinnerte sich an die Pokerspiele mit Don während
seiner Aufenthalte in Paris, erinnerte sich an die wunderbaren Mahlzeiten
bei Don und Christine, das gemeinsame Gelächter und die Diskussionen
über alle möglichen historischen Themen. Don hatte nie einen
Auftrag in der Praxis gewollt, war damit zufrieden gewesen, den Unsterblichen
durch seine sorgfältige Recherche zu folgen, aber er hatte Joe immer
ermutigt, von seinen Aufträgen zu berichten, besonders, seit Joe
MacLeod zugeteilt worden war. Einmal, nachdem Don sich mit der Begeisterung
eines aufgeregten Kindes die Beschreibung der ganzen Grayson-Angelegenheit
angehört hatte, hatte ihn Joe damit aufgezogen, er solle doch endlich
aus der Forschung in die Praxis wechseln, worauf Don geantwortet hatte:
"Oh nein, ganz gewiß nicht. Ich würde mich ja zu Tode
ängstigen, wenn einer von denen mich tatsächlich anspräche."
Natürlich stellte sich jetzt heraus, daß Don zehn Jahre lang
Seite an Seite mit einem Unsterblichen gearbeitet hatte. Joe wußte
immer noch nicht, ob er entsetzt, frustriert oder schlicht und einfach
verärgert sein sollte. Adam Pierson, ausgerechnet Adam Pierson war
Methos, der älteste und gesuchteste aller Unsterblichen, und keiner
hatte auch nur den leisesten Verdacht gehegt. Er selbst war mit Adam längst
nicht so eng wie mit Don befreundet gewesen, aber man konnte sie als gute
Bekannte bezeichnen. Ein unauffälliger Bücherwurm mit einem
etwas merkwürdigen Sinn für Humor, und ein Sprachgenie, das
noch die obskursten Texte übersetzen konnte: so etwa sah das Bild
aus, das sich Joe von Dons Kollegen bei den Methos-Chroniken gemacht hatte.
Die Methos-Chroniken... Jacques Vemus würde einen Wutanfall bekommen,
wenn er herausfand, daß all die Recherche verschwunden war, und
würde noch zorniger werden, wenn er den Grund dafür erfuhr.
Zum Teufel, jeden würde die Wut packen. Aufs Kreuz gelegt von einem
harmlosen Doktoranden. Die Aussicht darauf, das in seinem Bericht erklären
zu müssen, stimmte Joe nicht eben glücklich.
Seltsamerweise empfand er selbst keinen echten Ärger. Vielleicht
ließ dieses spezielle Gefühl einfach noch auf sich warten,
bis er den Schock verdaut hatte, aber im Moment dachte er nur, was für
ein Jammer es war, daß er nicht die Chance gehabt hatte, selbst
mit Adam zu reden. Mit Methos. Er konnte die beiden immer noch nicht unter
einen Hut bringen. Joe fragte sich, ob MacLeod die Gelegenheit genutzt
hatte, um mit fünftausend Jahren wandelnder Geschichte ein gründliches
Gespräch zu führen. Mutmaßlich nicht, nicht in einer Lage,
wo Kalas ihnen beiden im Nacken saß. Aber vielleicht hatte er doch
die Zeit dazu gefunden, und da so ein Gespräch vermutlich das letzte
war, was sie alle für lange Zeit von Methos hören würden,
sollte es in dem Bericht an das Pariser Hauptquartier nicht fehlen. Ja,
es war entschieden besser, das Unvermeidliche noch etwas aufzuschieben,
bis er Mac noch ein wenig aushorchen konnte. Joe notierte sich das, was
er bisher von MacLeod erfahren hatte, und kehrte hinter die Tresen zurück.
In der Bar herrschte an diesem Tag nicht viel Betrieb, und dafür
war Joe dankbar. Er grübelte immer noch über all die Menschen
nach, Sterbliche wie Unsterbliche, die Kalas getötet hatte, und war
nicht in der besten Stimmung für harmlose Unterhaltungen. Etwas Blues
zu spielen, half ihm ein wenig, aber dann tauchte sein Anwalt auf, um
nochmals mit ihm über die Drogen zu reden, die Kalas in seiner Bar
versteckt hatte, und das erinnerte ihn wieder daran, daß Kalas zur
Zeit wohl im Gefängnis sitzen mochte, aber eines Tages zweifellos
seinen Kreuzzug gegen alles und jeden, der Mac etwas bedeutete, wieder
aufnehmen würde. Joe ertappte sich dabei, aus ganzem Herzen zu wünschen,
daß Mac den Mistkerl endgültig erledigt hätte, aber ihm
war auch die Gefahr bewußt, die solche Gedanken in sich bargen.
Zu entscheiden, welcher Unsterbliche den Tod verdiente... auf diese Weise
hatte zweifellos James seinen Weg vom Beobachter zum Jäger begonnen.
An seinen verstorbenen Schwager zu denken, tat jedesmal so weh wie damals,
als er herausgefunden hatte, was aus James geworden war, also war Joe
dankbar, vom Klingeln des Faxgerätes abgelenkt zu werden. Er ging
in sein Arbeitszimmer und sah sofort, daß es sich um eine handgeschriebene
Nachricht handelte. Die Schrift kam ihm einigermaßen bekannt vor,
aber ehe er sein Gedächtnis gründlicher durchstöbern konnte,
hatte er das Fax gelesen. Es war kurz und prägnant. "Komme mit
dem 9.00 Uhr-Flug in Seacouver an - wäre dankbar für ein Taxi
- und noch mehr für ein Gespräch über Forschungsprobleme
- Adam."
Der Mann hatte Nerven. Das Fax war von der Postfiliale des Flughafen Charles
de Gaulle aus geschickt worden, also war er hundertprozentig auf dem Weg.
Tja, Dawson, du wolltest ja unbedingt mit ihm reden, dachte Joe, und erinnerte
sich zu spät an das alte griechische Sprichwort, das besagte, man
solle vorsichtig mit dem sein, was man sich wünsche, die Götter
könnten es einem gewähren.
Er wußte, daß es seine Pflicht war, das Pariser Hauptquartier
sofort zu benachrichtigen. Oder zumindest dafür zu sorgen, daß
es außer ihm noch jemanden gab, der Pierson bei seiner Ankunft in
Empfang nahm, jemand, dessen Aufgabe es sein würde, sicherzustellen,
daß Methos ihnen nie wieder entwischte. Aber... so etwas zu tun,
würde zweifellos jede Chance auf eine zukünftige freundschaftliche
Beziehung zerstören, ganz zu schweigen von gegenseitigem Vertrauen.
Und die Gelegenheit, mit diesem Mann zu reden, jetzt, wo Joe wußte,
um wen es sich handelte, ihn über all das auszufragen, was er erlebt
hatte, war einfach zu gut, um sie zu verschleudern. Den Historiker in
Joe hatte es erwischt, und er fragte sich, ob Adam damit gerechnet hatte.
Wie es schien, war der harmlose, sanfte Adam Pierson ein gerissener Hund.
Joe nahm sich vor, daran zu denken, wenn er ihm das nächste Mal begegnete.

Also stand Joe in der wartenden
Menschenmenge am Flughafen von Seacouver und fragte sich immer noch, ob
es nicht töricht war, sich mit noch einem Unsterblichen einzulassen,
noch dazu mit diesem, über den er beinahe gar nichts wußte,
als er das Objekt seiner Überlegungen erspähte.
Hut ab, dachte Joe. Die Verkleidung als Bummelstudent ist perfekt. Während
Mac und Amanda immer wirkten, als wären sie der neuesten Modezeitschrift
entstiegen, und überall die Leute dazu brachten, ihnen nachzuschauen,
konnte die Gestalt in alten Jeans und einem zu großen Sweater, die
mit einem Seemannssack aus Polyester und einem schwachen Lächeln
auf den Lippen auf ihn zu schlenderte, sehr leicht übersehen werden.
Natürlich mußte man sich jetzt fragen, ob in dem Sack ein Schwert
steckte, aber ansonsten...
Dann kam Adam näher, und zum ersten Mal fiel es Joe auf, wie sehr
seine Augen im Widerspruch zum Rest seines Gesichts standen. Es lag nicht
nur an der Farbe, die je nach Beleuchtung von haselnußbraun zu goldgrün
und wieder zurück wechselte, es war der Ausdruck, alterslos, unantastbar
und im Moment auf eine kühle Weise belustigt. Die Wirklichkeit dessen,
was er nun wußte, erfaßte Joe gleichzeitig mit einem gewissen
Groll. Vor ihm stand wahrhaftig der älteste Mensch auf dieser Welt.
"Tja, Joe", sagte Adam, und Joe fragte sich, ob der englische
Akzent teil seiner Verkleidung oder natürlichen Ursprungs war. Don
hatte ihm nie sagen können, woher Methos stammte, oder wo der älteste
Unsterbliche die ersten Jahrhunderte seines Lebens verbracht hatte.
"Tja, Adam", antwortete er gelassen. "MacLeod dachte, du
wärest endgültig weg. Vom Angesicht der Erde verschwunden, oder
etwas in der Art." Er konnte nicht widerstehen, hinzuzufügen:
"Und daß du unsere Forschungsabteilung in Verzweiflung gestürzt
hättest, von den Schulden ganz zu schweigen."
"Also, das wäre ausgesprochen undankbar von mir gewesen, nicht
wahr? Nach zehn Jahren regelmäßigen Gehalts", gab Adam
zurück, und lächelte immer noch, aber nun erreichte das Lächeln
seine Augen und ließ ihn sogar noch jünger aussehen. "Mal
abgesehen davon mag ich meinen Job. Und das Leben als Adam Pierson. Aber
bevor ich mit beidem weitermache, wollte ich mich erst nach deiner Meinung
erkundigen. Wie steht’s? Kann ich bei dir übernachten, oder
muß ich dem YMCA auf den Wecker fallen?"
Joe schüttelte den Kopf. "Du bist wirklich unglaublich."
"Heißt das Ja oder Nein?"
"Das heißt, daß du bei mir übernachten kannst, aber...
weitermachen? Du kannst doch nicht ernsthaft vorhaben, jetzt noch bei
den Beobachtern zu bleiben?"
"Das hängt von dir ab, Joe", erwiderte Adam. Während
sie nach einem Taxi Ausschau hielten, paßte er sein Schrittempo
dem von Joe an, ohne auch nur den Eindruck eines bewußten Versuches
zu erwecken, was mehr als selten war.
Auf dem Weg in die Stadt grübelte Joe darüber nach. Natürlich
hatte er gewußt, daß der Zweck von Adams plötzlicher
Besuch in Seacouver darin lag, sich Joes Schweigen hinsichtlich seiner
Identität zu versichern, aber er hatte selbstverständlich angenommen,
daß der Mann das einzig Ehrenhafte tun würde, nämlich
die Organisation verlassen, nachdem man ihn entlarvt hatte. Ganz gewiß
war ihm nie der Gedanke gekommen, daß Adam ihn zu einem Mitverschwörer
bei einer fortwährenden Infiltration der Beobachter machen wollte.
Mit MacLeod befreundet zu sein, stand auf einem ganz anderem Blatt. Es
verstieß gegen die Regeln, gewiß, aber er wußte mehr
über Mac als über sich selbst, er vertraute Mac, und er war
sicher, daß Mac ihn nie benutzen würde, um der Organisation
zu schaden. Dagegen war alles, was er über Adam Pierson wußte,
gerade als Fassade entlarvt worden. Zum hundertsten Mal wünschte
sich Joe, er hätte seinen Bericht sofort geschrieben, als Mac ihm
die Sache erzählt hatte, und sich damit die ganze Angelegenheit vom
Hals geschafft.
Gerade, als er sich für ein Ultimatum entschieden hatte - er würde
nur den Mund über Piersons Identität halten, wenn der Mann die
Beobachter verließ -, holte der Unsterbliche etwas aus seinem Sack
hervor.
"Da", sagte Adam. "Don hat erwähnt, daß er dir
das noch von eurem letzten Pokerspiel schuldet, also dachte ich..."
Es handelte sich um eine Erstausgabe von Tallemants Histoires aus dem
siebzehnten Jahrhundert; bei Joes letztem Besuch in Paris hatte Don versprochen,
sie für Joe aufzutreiben. Joe berührte das alte rote Leder.
Er wollte Adam danken, aber es fiel ihm schwer, die Tränen zu unterdrücken,
die ihm kamen, als die Realität von Dons Tod ihn jäh wieder
einholte.
"Es ist schon in Ordnung", meinte Adam, der ihn beobachtete.
"Er war auch mein Freund."
Wenn er an seinen Chroniken schrieb, fragte Joe sich oft, wie die Unsterblichen
es bewältigten - Tod nach Tod nach Tod von Freunden und Geliebten
zu erleben, und das Jahrhunderte lang. Es wunderte ihn nicht, daß
einige den Verstand verloren und andere schlicht und einfach jedes Mitgefühl.
Diejenigen wie Mac, denen es gelang, immer noch um jeden einzelnen Tod
zu trauern, waren selten. Er wußte nicht, ob Methos in diese Kategorie
gehörte; es fiel so schwer, ihn einzuschätzen. Aber Don war
in der Tat auch sein Freund gewesen, sie hatten zehn Jahre lang zusammen
gearbeitet, und für den Moment ließ Joe Vorsicht und Mißtrauen
fallen und gestattete sich einen Blickwechsel, der von geteiltem Verlust
sprach.
"Wußte Don, daß du..." begann er, als er seine Stimme
wiedergefunden hatte.
"Nein. Ich wollte ihn nicht zwingen, eine Wahl zu treffen. Du bist
seit... etwa 200 Jahren der erste Sterbliche, der Bescheid weiß."
Die Idee mit dem Ultimatum schob sich noch etwas weiter nach hinten. Joe
wäre sich selbst rücksichtslos und kaltschnäuzig vorgekommen,
wenn er sie jetzt vorgebracht hätte. Dennoch konnte er nicht umhin,
sich zu fragen, ob er nicht manipuliert wurde. Ein geteilter Verlust,
das Gefühl von Kameradschaft, und nicht zu vergessen den schmeichelhaften
Hinweis auf die Aussicht, ein möglicher Vertrauter zu sein. Dawson,
sagte Joe sich, du liest zu viel Machiavelli.
Als sie in seinem Haus angekommen waren, beschloß er, sich selbst
in etwas Manipulation zu versuchen. Adam mußte nach dem Überseeflug
müde sein, ganz zu schweigen von den dramatischen Ereignissen in
Paris. Nach einem Bier und etwas freundschaftlicher Unterhaltung würde
er gewiß entspannt genug sein, damit man seine Motive ein wenig
durchleuchten konnte.
Sie tauschten Geschichten über Kollegen im Pariser Hauptquartier
aus, klagten gemeinsam über sture Bürokraten in der Verwaltung,
und Joe mußte sich zusammennehmen, um die Gesellschaft, in der er
sich befand, nicht zu sehr zu genießen, was ihm schwer fiel. Adam
war schlagfertig und witzig, und er war der erste Beobachter, mit dem
sich Joe unterhalten konnte, ohne über seinen vertrauten Umgang mit
Unsterblichen schweigen zu müssen.
"Nun verrate mir doch eins", sagte er schließlich, als
es ihm schien, daß sie lange genug um den heißen Brei herum
geredet hatten. "Warum zum Kuckuck hast du dich von MacLeod finden
lassen?"
Er hatte Adam Pierson selbst angerufen, nachdem er Mac von ihrem besten
Methos-Experten erzählt hatte, um seinen Kollegen vor Kalas zu warnen
und ihm zu versprechen, daß Mac ihn beschützen würde.
Jetzt verstand er, warum Adam nicht eben vor Dankbarkeit übergequollen
war, als er das hörte. Er mußte gewußt haben, daß
seine Deckung auffliegen würde, sobald ein anderer Unsterblicher
in Spürweite kam. Mittlerweile fragte Joe sich, warum Adam nach seinem
Anruf nicht einfach sofort verschwunden war.
"Reine Neugier", erwiderte Adam, "unter anderem jedenfalls.
Ich wollte MacLeod kennenlernen. Weißt du, ich kannte Darius, ich
habe einige deiner Chroniken gelesen, und ich muß zugeben, all diese
Geschichten waren mehr als interessant. Außerdem", fuhr er
fort, und die Beiläufigkeit in seiner Stimme machte einem sehr ernsten
Tonfall Platz, "wenn ich verschwunden wäre, hätte Kalas
auf der Suche nach Methos immer mehr Beobachter getötet, und das
wollte ich genauso wenig wie du, Joe."
So ausgedrückt verursachte die Begründung Joe Schuldgefühle
wegen seines Mißtrauens. Adam hatte sein Leben aufs Spiel gesetzt,
um die anderen Mitglieder der Organisation zu retten. Also waren die Beobachter
nicht einfach nur ein Versteck für ihn, er empfand etwas für
sie. Und soweit sich das feststellen ließ, hatte er seine Stelle
nicht genutzt, um andere Unsterbliche zu jagen, im Gegenteil, er verbarg
sich vor ihnen. Ihn weiterhin als Beobachter Adam Pierson leben zu lassen,
konnte immer noch als Einmischung in das Spiel betrachtet werden, da es
ihm den Vorteil eines sicheren Verstecks gab, aber es würde keine
Leben bedrohen. War das Ultimatum wirklich nötig?
Wenn ich nur sicher sein könnte, dachte Joe. Allem Anschein nach
war Adam einer von den Guten, kein Mörder, einfach nur ein vorsichtiger
Mann, der überleben wollte. Andererseits... war er eben nicht Adam.
Er war Methos, und Joe glaubte nicht, daß jemand 5000 Jahre lang
nur durch Vorsicht überleben konnte. Und was das Überleben anging...
"Mac sagte, du hättest ihm deinen Kopf angeboten, damit er Kalas
besiegen könnte. Versteh mich nicht falsch, ich habe von Unsterblichen
gehört, die so etwas tun, wenn sie das Leben einfach nicht länger
ertragen, aber du scheinst mir weder lebensüberdrüssig noch
selbstmörderisch veranlagt. Im Gegenteil, du genießt es offensichtlich,
am Leben zu sein. Also warum..."
Die Miene des jungen Mannes mit den alten Augen veränderte sich erneut.
Obwohl er seinen Blick nicht von Joes Gesicht wandte, sah er plötzlich
sehr distanziert drein, und gleichzeitig introspektiv.
"Zu dem Zeitpunkt schien es das einzig Angemessene zu sein",
antwortete er trocken. "Ich wollte sicherstellen, daß meine
Lebenskraft nicht an Kalas ging, und MacLeod war eben der einzige andere
Kandidat. Außerdem wissen du und ich doch beide, daß er der
Eine sein könnte, nicht wahr? Wäre doch eine Schande, wenn der
Preis jemand anderem zufällt, nur weil ich etwas rostig in meinen
Kampftechniken geworden bin."
Das waren eine Reihe kunstvoller Ausreden, und Joe wußte, daß
er den wirklichen Grund immer noch nicht gehört hatte. Irgendwie
vermutete er, daß Adam ihn selbst nicht kannte, und das erweckte
in ihm eine eigenartige Zuneigung zu dem Rätsel, das ihm gegenüber
saß.
"Bist du denn nicht darauf aus, derjenige zu sein, der den Preis
erhält?" erkundigte sich Joe, während er Adam nachschenkte.
Adam zuckte die Achseln. "Nicht auf die Art, wie du es meinst. Ich
bin daran interessiert, zu überleben, und darin bin ich ausgesprochen
gut. Aber mir liegt nichts daran, der letzte zu sein." Ein spitzbübisches
Funkeln kehrte in seine Augen zurück. "Ganz ehrlich, die Welt
ist interessanter, wenn sie von völlig unmöglichen Leuten wie
MacLeod bevölkert wird. Um Himmels Willen, Joe, hat denn noch niemand
dem Mann verraten, daß das Zeitalter der Ritterlichkeit vorbei ist?
Er sollte nicht einfach Unsterbliche adoptieren, die er gerade erst getroffen
hat, das könnte tödlich für ihn enden. Wie um alles in
der Welt hat dieser Pfadfinder so lange überlebt?"
"Er kann einigermaßen mit dem Schwert umgehen", erwiderte
Joe, ohne eine Miene zu verziehen, und da sie MacLeod beim Kämpfen
erlebt hatten, breitete sich ein Grinsen auf beiden Gesichtern aus. Dann
lehnte sich Adam nach vorne.
"So viel zu MacLeod", sagte er. "Und wie steht es um Adam
Pierson? Bleibt er, oder geht er?"
Nun, da der Moment der Entscheidung gekommen war, fühlte sich Joe
so hin und her gerissen wie eh und je. Aber er entdeckte, daß er
sich im Grunde schon entschieden hatte, vielleicht, als Adam von Don erzählte,
vielleicht während des Gespräches über MacLeod. Ach zum
Teufel, dachte Joe, manchmal muß man eben seinem Instinkt vertrauen.
"Die Forschungsabteilung würde ihn vermissen", entgegnete
er. "Wie du sagtest, was für ein Jammer, wenn all die Arbeit
für die Katz wäre."
Er hob sein Glas.
"Auf sein Weiterleben!"
Sie tranken, und Joe holte tief Luft.
"Also, jetzt, wo das erledigt ist", meinte er, "habe ich
ein paar Fragen. Wo genau in Alexandria befand sich Kleopatras Grab, warum
hat es immer noch keiner gefunden, und wer hat nun wirklich die Prinzen
im Tower getötet?" |