Crusader I
"Hey, Kleines!" Schwungvoll umarmte Methos die junge Frau auf dem Flughafen und ignorierte das Gedränge und Geschiebe um ihn herum einfach. Ceal versank in dieser herzlichen Umarmung und atmete tief den so lang vermißten Duft des Freundes ein. Sie freute sich aufrichtig, wieder einmal hier zu sein, auch, wenn es nur für ein paar Tage war. Eine ganze Zeitlang standen sie so da, hielten sich einfach nur im Arm und genossen die Nähe des anderen, den sie so schrecklich vermißt hatten. Erst, als Ceal jemand mit einem Kinderwagen sehr unsanft in die Hacken fuhr, lösten sie sich voneinander. Methos faßte sie bei den Schultern und hielt sie ein Stück von sich weg. "Du siehst gut aus, Kleines. Wie geht es dir?" Sie lächelte fast schüchtern und strich sich mit der Hand eine widerspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht. "Eigentlich ganz gut. Ich hab dich vermißt, Alter. Was gibt's Neues?" Galant nahm der Unsterbliche die Reisetaschen der jungen Frau und sie schritten nebeneinander her durch die Massen an Menschen, die auf dem Flughafen rumwuselten. Draußen, direkt vor dem Eingang, stand der schwarze Pontiac und wartete auf sie. "Verflucht, schon wieder ein Ticket!" murmelte er verstimmt, zupfte es hinter dem Scheibenwischer hervor, zerknüllte es und stopfte es achtlos in die Hosentasche. Ceal verfolgte sein Tun mit einem breiten Grinsen. "Sieht so aus, als hättest du schon Übung darin", frotzelte sie fröhlich. Er schnitt ihr eine Grimasse und verstaute ihre Taschen im Kofferraum. Sie hatte sich schon angeschnallt, als er einstieg, und nachdem er sie auf den Weg gebracht hatte, fragte er sie das, was ihn am meisten interessierte: "Wieso bist du hier?" Sie lachte leise. "Vielleicht, weil du mir so gefehlt hast?" Er grinste breit. "Ja, das kann ich verstehen. Das ist in der Tat ein solider Grund, um Tausende von Meilen zu reisen." Sie lachte hell, doch antwortete nicht weiter.
Vor wenigen Tagen hatte Ceal ihren unsterblichen Freund angerufen und ihn gebeten, sie vom Flughafen abzuholen, was er sehr gerne tat. Seit sie zurück nach Frankreich gegangen war, war es einsam um ihn herum geworden. Er vermißte sie und war sich sicher, daß es ihr genauso ging; und selbst wenn sie nur für eine bestimmte Zeit auf dem Alten Kontinent weilte, so schien es ihm doch, als wäre sie schon eine Ewigkeit fort. "Was machen die Forschungen?" Sie zuckte nichtssagend mit den Schultern. "Es läuft. Ich denke, wenn Amy - Pardon! Doktor Zoll, meine ich natürlich! - übernimmt, wird sie alles zu ihrer Zufriedenheit vorfinden. - Falls es so was wie Zufriedenheit bei ihr geben sollte!" fügte sie boshaft hinzu, was Methos ein Schmunzeln entlockte. Jaques Vermus hatte sich ein mächtiges Eigentor geschossen, indem er Amy Zoll und Ceal Morgan zusammen in eine Forschung gesteckt hatte. Die beiden konnten sich nicht ausstehen und ließen keine Gelegenheit aus, um es der anderen zu zeigen. Die Zusammenarbeit hatte sich als sehr schwierig erwiesen und erst als Amy krankheitsbedingt ausfiel, kam die Sache ins Rollen. Ceal arbeitete schnell und präzise und Vermus wußte das. Nun, wie es schien, neigte sich ihre Zeit in Frankreich endlich dem Ende zu. "Bist du traurig, wenn du wieder abreisen mußt?" Aufatmend ließ Ceal sich in die tiefen Polster von Methos' Couch fallen und legte die Beine hoch. "Traurig? Nein, ich denke nicht. Paris ist immer noch eine schöne Stadt, aber wenn man länger dort ist, verliert sie ihre Reize und nervt nur noch. Zuviel Streß, zu viele Autos, zuviel Hektik. Und Hey!, der Smog ist noch genauso da, wie zu unserer Zeit! Olàlà, vive la Nostalgie! - Da ziehe ich unser gemütliches Kaff doch allemal vor!" Dankend nahm sie ein Glas mit Wein entgegen, das er ihr hinhielt. "Komm, setz dich zu mir und erzähl mir was!" Auffordernd klopfte sie auf die Polster und der Mann ließ sich einfach neben sie fallen und legte die Füße auf den Tisch. "Nichts Neues: Duncan ist so solide wie eh und je, Joe hat wenig Arbeit und spielt mal wieder mehr Blues, Richie sucht noch immer seine Identität und ich...." Er brach ab. "Was ist mit dir?" Sanft strich ihre Hand über sein Knie, ihre Augen suchten seinen Blick. Für einen Moment sah er sehr unschlüssig aus, dann lächelte er flüchtig und winkte ab. "Ach nichts. Das gleiche wie immer, eben. Und du?" Ceal seufzte theatralisch. "Amy bringt mich um den Verstand!" Sie warf die Hände in die Luft und ließ sie wieder fallen. "Weißt du, sie liegt mir schon die ganze Zeit in den Ohren, ich solle meinen Forschungsauftrag abgeben, sie würde ihn gerne übernehmen. - Und soll ich dir was sagen? Ich bin fast soweit, daß ich es wirklich tue!" "Bloß nicht!" wehrte Methos ab, den Arm um die junge Frau legend. "Ich würde dich echt vermissen." Sie lachte nur. Sie nahm einen kleinen Schluck Wein und ihre Augen blitzten den Freund dann schelmisch an. "Obwohl es sicher lustig wäre, ihr Gesicht zu sehen, wenn sie irgendwann einmal herausfindet, daß Adam Pierson und der legendäre Methos ein und dieselbe Person sind! Wahrscheinlich würde sie anfangen an allem zu zweifeln, was sie bisher erlebt hat!?" Sie lachte schadenfroh auf bei dem Gedanken und aufgeräumt stimmte er ein. "Und? Wie geht es Marie?" "Sie trauert dir immer noch hinterher, diesem gutaussehenden, wohlhabenden, intelligenten jungen Mann, dessen schroffes Benehmen ja nur Schüchternheit sein kann - denn wer kann ihr schon widerstehen!? - und der nicht in der Lage ist, für sich selbst zu sorgen, obwohl.... Sie hat ja den Gedanken immer noch nicht aufgegeben, daß du ein weltweit gesuchter Psychopath bist, der armen, alleinstehenden Frauen unter der Dusche auflauert.... Wie soll es ihr gehen? Marie ist eben... Na ja, Marie eben: laut, nervtötend, neugierig und Dauer-Single. Sie macht sich ernsthafte Gedanken um mein Seelenheil, weißt du." Ceal zwinkerte verschwörerisch, worauf Methos - bei diesem Gedanken - in schallendes Gelächter ausbrach. Das war so ziemlich das allererste Mal, seit er Marie und Ceal kannte, daß Marie sich um ihre Stieftochter sorgte! "Wie das?" hakte er nach und Ceals Grinsen wurde breiter. "Ihrer Meinung nach habe ich nicht genug Männerbekanntschaften und sie sieht mich schon im Grabe liegen mit einer Inschrift a lá 'Ungeöffnet an den Absender zurück'! He, was ist daran so komisch!?" Methos prustete. "Laß mich raten: sie stellt dir einen nach dem anderen von ihren zahlreichen Bekannten vor und legt dir all ihre Vorzüge ans Herz." Ceal signalisierte einen Volltreffer. "C'est ça! Très bien, mon ami. Wobei sich ihre Vorzüge auf den Inhalt der Brieftasche beschränken. Ja, mein Gott, Aussehen ist doch auch unwichtig; ich meine, für den Fall gibt es Unmengen an Alkohol, Lichtschalter, übergroße Kopfkissen, Tropfen gegen Übelkeit..." "Ceal!!" "Was denn?" Mit großem, unschuldigen Augenaufschlag führte Ceal ihr Glas an die Lippen und trank einen winzigen Schluck. Methos fühlte sich wieder komplett. Ceal war bei ihm und füllte die entsetzliche Leere in seinem Inneren aus. Schmerzlich dachte er daran, daß sie bald wieder Fliegen würde und er sie dann eine rechte Zeit lang nicht sehen könnte. Ihre frische, unkomplizierte Art fehlte ihm, ihre spitzen Bemerkungen, ihr Lästermaul... "Ich hab da was für dich." Er klopfte ihr sanft auf die Schulter und stand auf. Verwundert sah sie ihm nach. "Was denn? Was Spannendes? Was zum Spielen? Oder Schokolade?" "Du guckst zu viel Werbefernsehen!" lachte er sie über die Schulter hinweg an. Sie grinste nur zustimmend. Methos ging zu einem seiner Regale und zog einen ledergebundenen Wälzer heraus. Mit dem ging er zu ihr zurück und warf ihn ihr auf den Schoß. "Ummpf!!!" Ceal japste. "Was ist das?" Er schenkte sich nach und setzte sich wieder. "Du hast mich doch mal gefragt, ob Kronos menschlich wäre.* Nun, ich habe letztens beim Lesen eine Geschichte gefunden, die ich ganz vergessen hatte. - Ja, ich weiß, daß das das Alter macht! Danke, du brauchst mich nicht weiter daran zu erinnern! - Also, dies hier..." Er blätterte in dem Buch, bis er die richtige Seite gefunden hatte. "...ist eine Geschichte - die zweite dieser Art, die ich kenne - in der Kronos sich Hals über Kopf verliebt." "Aha." Sich innerhalb von vier-, fünftausend Jahren zwei Mal zu verlieben, war doch schon eine echte Meisterleistung!, dachte sie ironisch. Trotz aller Bemühungen war es ihr nicht gelungen, in irgendeiner Chronik etwas über Kronos in Erfahrung zu bringen, geschweige denn, eine eigenständige Chronik von ihm aufzutreiben, und so mußte sie sich auf Methos' manchmal recht großzügig ausgelegten Angaben verlassen und sich den Rest zusammenreimen. Aber es war doch nett, daß Methos sich an ihr Interesse an Kronos erinnerte.... Neugierig geworden überflog sie die ersten Zeilen. "Und wann ist das passiert?" Methos legte seine Stirn in Falten, er dachte nach. "Oh, das muß so zu Zeiten des zweiten Kreuzzuges gewesen sein, also um 1148 herum. Weißt du, den ersten hat er auch schon mitgemacht und bei der Eroberung Antiochias ist er kläglich gescheitert: er wollte die Stadt für sich und mußte sich letzten Endes der Macht der Assassinen beugen." "Mmhmm, Geschichtsunterricht! Wie schön!" schnurrte Ceal behaglich. Methos lächelte. "Willst du auch den Rest hören?" Sie gluckste leise. "Ja, bitte, oh du großer Geschichtenerzähler!" Dafür gab er ihr einen Stüber, worauf sie nur noch mehr lachte. "Also, er scheiterte beim ersten Kreuzzug und versuchte beim zweiten sein Glück. Er wurde der Berater eines der Heerführer und nannte sich Turok. Leonard vertraute ihm und das war sein großer Fehler....
Im Moment lagerte das Heer der Kreuzfahrer in einer Stadt, die ihre Stoßtruppen schon vor gut zwei Jahren erobert hatten. Kronos kannte nur die Geschichten, die man sich über die Eroberung dieser Stadt erzählte. Der König soll ein großer, mächtiger Mann gewesen sein, vom Volk gefürchtet, vom Adel verehrt. Er hatte die Menschen mit eiserner Hand beherrscht und sie unterjocht und deshalb war man nicht wirklich böse, daß er nicht mehr an der Macht war. Als die Stadt durch die Kreuzfahrer erobert wurde, hatte die Bevölkerung dies als einen Befreiungsschlag empfunden, doch später hatten sie einsehen müssen, daß die Herrscher vielleicht doch nicht das größere Übel gewesen waren. Die Truppen der Pilger erwiesen sich als undiszipliniert, sie raubten, plünderten, vergewaltigten und die Stadt lebte bald in Angst und Schrecken, starr vor Entsetzen und hilflos. Schon als Kronos hierher gekommen war, hatte er die Gerüchte gehört, daß - entgegen aller Propaganda - die Herrscherfamilie noch lebte und daß sie Rache nehmen würde und sich ihren Thron zurückholte. Früher einmal mochte diese Stadt reich und mächtig gewesen sein. Jetzt war sie erbärmlich und stank, in den Spelunken hingen die betrunkenen Gestalten der Soldaten herum und ließen ihren Frust, ihre Wut an der wehrlosen Bevölkerung aus. Kronos sah angewidert die heruntergekommenen Schlampen, die in der Stadt herum liefen, die Bäuerinnen, die sauer rochen, sich plump bewegten und so häßlich waren, daß noch nicht einmal ein großes Tuch ihr Gesicht bedecken und seine Lust erwecken konnte. Seinen Weg kreuzten Männer, die ihn mit großen dunklen Augen anstarrten und er war sich sicher, daß sie ihm gewiß ein Messer zwischen die Rippen jagen würden, sobald er ihnen den Rücken zuwandte. Langsam ließ er sein Pferd durch die Gassen schreiten, die Menschen wichen ihm ängstlich aus und ließen ihn ungehindert passieren. Viel hatte sich verändert, seit dem letzten Kreuzzug. Er erinnerte sich nicht gerne an die Vorfälle von damals. Athena hatte ihn um seine Stadt gebracht! Er hätte Antiochia sein eigen nennen können, doch dieses verfluchte Weib hatte all seine großen Pläne durchkreuzt. Nach dem Attentat der Assassinen war er zur Unperson gestempelt worden; zwar hatte ihn das vermeintliche Wunder seiner Auferstehung in einem gewissen Maß rehabilitiert, doch er war gezwungen gewesen, das Heer und die Gegend erst mal zu verlassen und sich für eine Zeit lang zurückzuziehen. Methos hatte es richtig gemacht! Der hatte sich eine kleine Festung erobert und sich dort niedergelassen und genoß sein Leben. Herr im Himmel, wie er das wohl gemacht hatte!? Nun, für ihn war das nichts. Und er war sich sicher, daß Methos es auf Dauer auch nicht aushalten würde. Süßes Nichtstun.... Sie waren Krieger, keine Bauern! Tief in sich fühlte der Mann das Feuer brennen, die Vorfreude auf einen Kampf, auf das Gefühl, wenn das Schwert sich in den Körper des Feindes bohrte, wenn das Blut herausschoß und der Gegner langsam sein Leben aushauchte.... Jaa, nur dafür waren sie geboren! Nur dafür lebten sie! Und Methos würde es auch erkennen müssen! Der große, dunkle Mann zügelte sein Pferd und wendete es in eine andere Richtung. Er hatte eben für sich beschlossen, seinem Bruder einen Besuch abzustatten. Ungeduldig trieb er das Tier an. Die Menschen auf den Straßen vor ihm sprangen eilig beiseite, damit sie nicht überrannt wurden, doch das kümmerte ihn nicht. Er ritt in nördliche Richtung und als er endlich die Stadttore erreicht hatte, wendete er sich nach Westen und trieb seinen Hengst unbarmherzig an. Vorbei an Bauern, die in und aus der Stadt strömten, vorbei an Bettlern und Gauklern, die hier ihr Glück suchten, drängte er sich weiter, bis er endlich frei atmen konnte und vor sich die weite Ebene sah, die er überqueren mußte. Auf den Dünen wirbelte Sand hoch, den der leichte Wind spielerisch vor sich her trieb, Schleierwolken zogen über den tiefblauen Himmel und Kronos fühlte sich frei und ungebunden. Er ließ das Tier im gestreckten Galopp dahinjagen, die Hufe donnerten über den Sand und riefen Erinnerungen an alte Zeiten herauf. An eine Zeit, in der es immer so gewesen war. In der sie die Herren gewesen waren und sich ihnen niemand in den Weg gestellt hatte. Und heute? Heute dienerte er vor einem französischen Möchtegern-Kriegsherrn, um seine Pläne verwirklichen zu können. Die Pläne, die ihm schon fast vor fünfzig Jahren gelungen waren, hätte sie nicht jemand durchkreuzt... Links von ihm tauchte eine kleine Oase auf. Ein paar Palmen, eine kleine Wasserstelle, einige Bauern und Vieh, das getränkt wurde. Er schenkte ihnen keine Beachtung, sondern preschte weiter. Nicht mehr lange, und er würde in einer kleinen Festung vom Pferd steigen und Essen und Trinken können. Vielleicht hatte Methos ja auch etwas zum Ausruhen? Kronos dachte dabei an ein paar weiche Hände, an süß schmeckende Lippen und an erfreuliche Rundungen, die sich in seine Arme schmiegten.... Mit diesem angenehmen Gedanken gab er seinem Pferd noch mehr Zügel und sie flogen fast über den Boden, bis endlich in weiter Entfernung die Umrisse einer Festung auftauchten. Nicht sehr groß, mit Türmen und Zinnen, wie sie hier üblich waren, die aber genug Platz für eine angemessene Zahl an Menschen bot und Schutz gegen Angriffe. Eine übersichtliche Feste ließ sich weitaus einfacher verteidigen, als wenn man eine Unzahl an Männern zur Abwehr brauchte. Methos schien doch immer noch ganz der alte zu sein! Und je näher er kam, desto mehr freute er sich auf seinen Freund, auf ihr Wiedersehen. Er hatte die tiefe, alles einschließende Freundschaft vermißt, die keine Kompromisse zuließ und die sie zu Brüdern machte. Sie waren eins gewesen in ihren Gedanken, ihren Taten, in ihrem ganzen Sein. Sie hatten ihre Verbundenheit mit Blut besiegelt und allein der Tod würde sie trennen können. Seine Augen glitzerten vor Vorfreude, je näher die Festung kam....
"Gebieter, da ist ein Mann, der Dich sprechen will. Er sagt, ihr würdet euch kennen." Der Diener verneigte sich tief vor Methos und seine große Nase berührte fast den Steinfußboden der Burg, in der Methos seit nunmehr schon fünfzig Jahren residierte. Athena hatte ihm die Feste nach dem Debakel mit Kronos im ersten Kreuzzug nahezu geschenkt und er hatte sich auf den Weg gemacht und die kaum gesicherte Festung im Sturm genommen. Seitdem führte er ein beschauliches Leben: ruhig, in ebenmäßigen Bahnen, ein wenig träge vielleicht. Ein Leben in Wohlstand; die Karawanen, die an seiner Festung vorbeizogen, hatten ihren Zoll zu zahlen und versorgten sie zusätzlich mit Gütern und Nachrichten aus dem Land. Eigentlich konnte er sich nicht beklagen. Trotzdem vermißte er etwas in seinem Leben. Er wußte nicht, was es war, doch er fühlte sich innerlich leer und ausgebrannt. Und nun kam einer, der ihn angeblich kannte? Methos runzelte die Stirn. Wer mochte das sein? "Laß ihn eintreten!" befahl er dem Diener, der sich eilig entfernte, um dem Wunsch seines Herrn sofort Folge zu leisten. Methos' Zorn konnte furchtbar sein, wenn etwas nicht so ging, wie er sich das vorstellte! Schon als der unbekannte Besucher den Palast betrat, spürte Methos es: das Ziehen und Kribbeln, das einem durch Mark und Bein ging, das Surren in den Ohren, der Druck im Kopf. - Der Besucher war ein anderer Unsterblicher! Einer, der seinen Kopf forderte? Abwartend drehte er sich um, die Arme vor der Brust verschränkt. "Bruder!" Methos hatte nie gewußt, daß ihn der Anblick von Kronos so erfreuen konnte. Mit einem breiten Lächeln auf den Lippen breitete er die Arme aus und ging auf den anderen zu, der ihm ebenfalls lächelnd entgegensah. Kräftig klopften die beiden sich auf die Schultern, daß es krachte, dann nahm Methos den Arm des anderen und führte ihn in seine Gemächer, wo er sich mit dem Krieger auf weichen Kissen niederließ und sie sich Wein bringen ließen. "Ich freue mich wirklich, dich zu sehen", bekannte der Burgherr lächelnd, den Becher an die Lippen gesetzt, die aufmerksamen Augen beobachteten Kronos über den Becherrand hinweg. Der nahm einen tiefen Schluck und ließ sich dann tiefer in die Kissen gleiten. "Ja, mir geht es genauso, Bruder. Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, daß ich abgereist bin." Methos grinste verhalten. Das war nicht eben der richtige Ausdruck für das, was Kronos widerfahren war, doch er wollte nicht weiter darauf herumreiten. "Sag mir, gibt es einen Grund für dich, wieder in diese Gegend zu kommen?" fragte er neugierig. "Ja, den gibt es tatsächlich." Kronos blickte versonnen vor sich hin, ein winziges Lächeln stak in seinen Mundwinkeln und ließ ihn jugendlich jung erscheinen. "Aber reden wir später davon. Dir scheint es ja ganz gut zu gehen, mein Lieber." Er machte eine ausholende Bewegung mit dem Becher, die den gesamten Raum einschloß. An den Wänden hingen schwere Teppiche, dichte Schleier verhüllten die Durchbrüche, wo sonst die Türen waren, und wehten sacht im lauen Wind, den die hohen Fenster einließen. Winzige, zierliche Tische standen umher, voll beladen mit Spezereien und Wein, mit Früchten und Blumen, die allesamt einen schweren, süßen Duft verströmten und einen benommen machten. Von den Decken hingen metallene Gefäße, denen ein herb-frischer Duft entströmte, der den Blumen ein wenig von ihrer hypnotischen Wirkung nahm. Das Zentrum des Gemaches, in dem sie sich befanden, bildete ein gigantischer Berg aus Kissen, auf denen sie es sich bequem gemacht hatten und redeten. "Ja, ich kann mich nicht beklagen", erwiderte Methos vorsichtig. Er war auf der Hut. Wenn Kronos ihm so kam, war was im Busch! Kronos antwortete nicht, sondern setzte stattdessen seinen Becher an die Lippen, doch seine dunklen Augen ruhten mit einem unergründlichen Ausdruck auf Methos, in dem ein längst vergessenes Gefühl wieder erwachte. Er kannte diesen Blick. Er hatte ihn so oft gesehen, daß es ihm hinterher gar nicht mehr richtig bewußt gewesen war, daß sein Anführer ihn beobachtete. Diese Augen, die versuchten, ihm auf den Grund seiner Seele zu blicken, um dort seine intimsten Geheimnisse aufzudecken und gnadenlos ans Licht zu zerren, damit Kronos sie für seine eigenen Zwecke nutzen konnte. Methos wurde nervös. Was war es, weswegen der andere Unsterbliche die Risiken eines weiteren Kreuzzuges auf sich nahm? Ruhm? Reichtum? Wohl kaum. Kronos machte sich aus beidem nicht allzu viel, so viel wußte er. Einfach nur das lang vermißte Gefühl, Menschen zu töten? Nein, das konnte es auch nicht sein. Hier im Niemandsland interessierte es keinen, ob einer oder zehn oder hundert Menschen starben. Die Wüste war groß und Tote nichts besonderes. Methos konnte sich nicht auf seine Gedanken konzentrieren. Wenn Kronos doch bloß aufhören würde, ihn so anzusehen! Jetzt lächelte sein ehemaliger Anführer. "So? Dir geht es also ganz gut, ja? Und warum siehst du dann so unzufrieden aus?" Methos' Miene wurde starr und es legte sich wie eine Maske über seine Züge. "Ich weiß nicht, wovon du sprichst, Bruder", erwiderte er spröde. Kronos lachte leise. "Was du nicht sagst", spottete er freundlich. Er beugte sich leicht vor und sah sein Gegenüber fest an. "Ich kenne dich besser als du dich selbst, mein Freund. Wem willst du hier etwas vormachen?" Er fiel wieder zurück. "Du langweilst dich. Du vermißt etwas in deinem Leben, von dem du gedacht hast, es würde dir nicht fehlen. Sag mir, Methos, was ist es, das dich so unruhig macht?" Der andere schwieg. "Soll ich es dir sagen? Du vermißt das Schwert! Was hast du hier denn schon?" Kronos machte eine großartige Bewegung, die sowohl den Raum als auch die ganze Festung und das Land einschloß. "Ein gemütliches Heim, Müßiggang und Langeweile! Methos, wir sind Krieger, keine Bauern! Hast du dir in den vergangenen Dekaden nicht gewünscht, du würdest wieder unter freiem Himmel schlafen und frei sein?" Kronos' Stimme wurde eindringlich und Methos atmete schwer, als die Worte in ihm nachklangen. Es wunderte ihn, daß sein Bruder, kaum daß er hier war, ihn schon mit der Nase auf die Antwort stieß, die er schon so lange suchte. Wollte Kronos, daß er sich wieder mit ihm zusammenschloß? Wollte er die Apokalyptischen Reiter wieder auferstehen lassen? Sein Blick suchte den seines Bruders, der ihn aufmerksam beobachtete. Jetzt winkte Kronos ab. "Ich habe nicht vor, dir dein kleines Reich streitig zu machen. Behalt es ruhig." "Ist das der Grund, warum du wieder hier bist?" Ein kleines, feines Lächeln war die Antwort darauf. "Ja. Ich bin des Reisens müde, Bruder, und wünsche mir einen Platz, an dem ich mich für ein paar Dekaden ausruhen kann." 'Antiochia?', dachte Methos boshaft, doch er schwieg und wartete auf weitere Antworten des anderen Unsterblichen. Der rutschte tiefer in die weichen Kissen und sinnierte weiter: "Mir schwebt da ein nettes, kleines Königreich vor. Nicht irgendeines, es muß sich schon lohnen. Du weißt schon: reich, blühend, angenehmes Klima." Methos' Lachen unterbrach ihn hier. "Da hättest du früher kommen sollen! Bevor die Kreuzfahrer kamen, war dieses Land eine wahre Oase. Als ihr den König vertrieben habt, ging es steil abwärts. Sieh dich doch nur um: Armut, Zerstörung, Wut." Er grinste verschwörerisch. "Und dabei soll er eine Tochter gehabt haben, die schön wie die Sonne war. Ich habe sie leider nie kennengelernt, da ihre Mutter sie kurz nach der Geburt fortgab, um sie in Sicherheit aufwachsen zu lassen, aber das wäre doch eine nette Mitgift gewesen." Kronos warf den Kopf in den Nacken und lachte. "Das hört sich so an, als hättest du selber mit dem Gedanken gespielt, dein Reich zu vergrößern, Bruder!" Methos zuckte unbestimmt mit den Schultern. "Warum nicht? Ich habe kein Weib und wenn sie wirklich so schön gewesen ist, wie man sagte..... Ich habe gehört, daß bei euch Rebellen ihr Unwesen treiben?!" wechselte er jäh das Thema. Kronos seufzte schwer. "Ja, leider stimmt es. Man könnte den Eindruck haben, daß es Assassinen sind, doch dann paßt alles nicht zusammen. - Was natürlich auch an der ungezügelten Phantasie einiger Soldaten liegen könnte, die von Gespenstern bis zum Heiligen Geist alles auf ihren Patrouillen angetroffen haben..... Und außerdem sind es bisher nur Gerüchte. Ich habe noch keinen Rebellen gesehen." "Das wäre dem wohl auch kaum bekommen, nicht wahr", warf Methos schmunzelnd ein. Die beiden Männer grinsten sich verstehend an. Es wurde eine angenehme Zeit für die beiden, bis Kronos sich am nächsten Tag wieder verabschiedete mit der Zusage, bald mal wiederzukommen. Methos hatte sich schon lange nicht mehr so wohl gefühlt und mit Bedauern sah er seinen alten Kampfgefährten ziehen. Kronos hatte mit keinem Wort, mit keiner Geste angedeutet, daß er Methos wieder bei sich haben wollte, und dafür war der Ältere ihm dankbar. Er wußte nicht, ob er schon so weit war, daß er Turok, wie Kronos sich jetzt nannte, folgen konnte. Langsam schritt er wieder hinein. Kronos wollte sein eigenes Königreich! Methos wollte es ja kaum glauben. Ob das zunehmende Alter den Mann anfing zu läutern? Kronos, der es müde war, auf dem Rücken eines Pferdes durch die Welt zu reiten, um eben derselben das Fürchten zu lehren? Eine unglaubliche Vorstellung. Schmunzelnd schlenderte er langsam weiter...
Eine geheime Grotte, verborgen in der Erde, versteckt vor den neugierigen Blicken Unwürdiger durch hohe Büsche, die den Zugang verdeckten. Diese Grotte lag in einem Garten, nahe den Stadtmauern. Ein großes Haus gehörte zu diesem Garten, das weiß und sauber erstrahlte. In der unterirdischen Höhle war ein langer Gang, von dem links und rechts kleinere Reihen an Sitzgelegenheiten abgingen, und der vorne in einer Art Altar mündete. In der Grotte befanden sich zwei Personen, wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten. Aufgebracht ging der alte Mann auf und ab, immer wieder die Hände ringend. Seine unruhige Wanderung wurde von einer vermummten Gestalt beobachtet, die am Rande des Ganges stand und wartete. Die dunklen Schleier verhüllten die Gestalt von Kopf bis Fuß und ließen nur einen winzigen Schlitz für die Augen offen. - Doch selbst die waren nicht zu erkennen. Abrupt unterbrach der Alte seine Wanderung und wandte sich dem stummen Beobachter zu: "Ich tue es nicht gerne. - Aber es muß sein! Du wirst gehen und herausfinden, wie wir die Eindringlinge vertreiben können. Sieh zu, daß du dich so weit es geht nach oben in der Lagerhierarchie arbeitest. Verkleide dich! Vielleicht kann Leonard einen Knappen gebrauchen? Sein Berater nennt sich Turok. Er ist gefährlich und ich will, daß du ihm aus dem Weg gehst und ihn, wo immer es auch geht, meidest. Sprich nicht mit ihm, bleib nicht in seiner Nähe und vor allem, zeig ihm nie, wie gut du mit den Waffen umgehen kannst! Gib uns Nachricht, wenn du etwas herausgefunden hast!" Die stumme Gestalt neigte zustimmend den Kopf und entfernte sich dann ehrfürchtig. Nachdenklich sah der alte Mann der Gestalt nach. Er wußte sich keinen Ausweg mehr und dort verschwand die letzte Hoffnung, die er noch hatte, im Dunkel der Nacht und eilte ihrer Bestimmung entgegen.
Grobe Hände, die den Knaben an den Schultern gepackt hielten und vor sich her stießen, dem Zelt des Heerführers entgegen. Der Junge wehrte sich nicht, denn das hätte sein sofortiges Ende besiegelt. Er hoffte auf die Gnade und Weitsicht des Leonard D'Aguile, der dieses Heer befehligte und der in seinem eigenen Land als gerechter Mann galt. Obwohl nur ein Adeliger von nicht allzu hohem Stand, durfte er für seinen König hier im Land der Heiden den Heiligen Krieg ausfechten. "Sagt mir, Turok, was sollen wir gegen diese verfluchten Rebellen unternehmen? Sie untergraben unsere Autorität und schaden unserem Ansehen. Als ob wir nicht schon genug Probleme hätten!?" Wütend hieb der gutaussehende schlanke Mann mit der Faust auf den primitiven Tisch, der vor ihm stand, so daß die Becher, die auf ihm standen, bedrohlich zu schwanken anfingen. Kronos nahm seinen Becher fort, bevor Leonard dessen Inhalt sinnlos verschüttete. Er saß auf einem Stuhl am Tisch seines "Herrn" und hörte sich dessen Litaneien an. Nun setzte er ruhig den Becher an die Lippen und trank den recht mittelmäßigen Wein in kleinen Schlucken. "Ich denke, wir sollten diesen Rebellen nicht allzu große Aufmerksamkeit widmen. - Das ist nur das, was sie wollen. Wir sollten unsere Bemühungen zunächst einmal darauf verwenden, die Unruhe unter dem Volk auszulöschen. - Und damit werden auch die Gerüchte verschwinden. Soweit ich gehört habe, soll die Herrscherfamilie doch tot sein. Oder?" Unwirsch fuhr D'Aguile mit der Hand durch die Luft. "Man weiß doch, wie so was entsteht! Erst waren wir Freunde und wurden begeistert empfangen, dann waren wir die Bösen, die den guten König vertrieben haben. Das Volk ist unerträglich dumm! Ich hätte nichts dagegen, wenn wir die ganze verfluchte Stadt in Schutt und Asche legen würden! Dieses Natternnest ist doch wirklich kein Verlust!!!" Kronos lächelte unbestimmt. Das sah er ganz anders. Eine Zerstörung der Stadt würde die schwelende Rebellion gegen die Pilger nur noch mehr schüren anstatt sie auszulöschen, und die Herrscherfamilie würde als Märtyrer dastehen und so den Weg frei machen für neue, die ihren Platz einnahmen. Nein, Zerstörung war ganz klar der falsche Weg! Was aber wäre, wenn man die Stadt von innen heraus zersetzen könnte? "Wie ist es nun? Ist die Königsfamilie tot oder nicht?" Lauernd blickten die dunklen Augen auf den Kriegsherrn, der sich sichtlich unwohl fühlte. Er wand sich. "Ich weiß es nicht!" bekannte der Franzose dann. "Als ich hierher kam, war schon alles vorbei. Ich kenne auch nur die Legenden, die man sich hinter vorgehaltener Hand auf den Straßen erzählt." Ein leichtes Runzeln zeigte sich auf des Kriegers Stirn. "Ich muß es genau wissen, bevor ich was unternehmen kann", erwiderte er endlich und erhob sich langsam. "Herr?" Ein Soldat trat respektvoll in den offenen Eingang des Zeltes und seine Augen suchten Leonard D'Aguile, der sich nun verärgert umwandte. - Er mochte es nicht, wenn man ihn in einer Besprechung störte! "Was gibt es?" Seine Stimme klang wie geborstenes Glas und der Mann im Eingang schien zu schrumpfen. "Herr, wir haben einen Knaben gefangen genommen, einer aus der Stadt, und er sagt, er will Euch um Eure Gunst bitten." In den wässrigen Augen des Adeligen flackerte es kurz auf, dann schritt er auf den Soldaten zu. "Bring mich zu ihm!" Im Eingang drehte er sich um. "Kommt, Turok, begleitet mich und seht Euch den Wahnsinnigen an, der so unverfroren um meine Gnade winselt." Achselzuckend folgte Kronos dem Mann.
Auf dem freien Platz zwischen den Zelten der christlichen Kreuzritter standen einige Soldaten um einen am Boden knienden Knaben herum. Lässig schritt D'Aguile auf ihn zu und blieb kaum einen Schritt vor ihm stehen. Seine Augen bohrten sich in das schmutzige junge Gesicht und der Junge erwiderte diesen Blick mit klaren dunklen Augen, die weder Angst noch Ehrfurcht zeigten, sondern neugierig glänzten. Ein paar Bedienstete gingen an der merkwürdigen Gesellschaft vorbei und musterten sie neugierig, aber auf einen Wink der Soldaten hin machten sie schnell, daß sie davon kamen, nur um einige Schritte weiter wiederum stehen zu bleiben und sensationslüstern auf den weiteren Verlauf dieser Begegnung zu warten. Mit einem satten Geräusch landete D'Aguiles Hand im Gesicht des Jungen. "Was wagst du es, mich so unverschämt anzustarren?" Es zuckte kurz in den offenen Zügen, dann war das junge Gesicht wieder unbewegt. Scheinbar demütig senkte er das Haupt vor dem Kreuzfahrer. "Vergebt mir, Herr, daß ich Euch in all Eurer Herrlichkeit beleidigt habe. Ich habe nicht geglaubt, daß Ihr mir die Gnade erweist, Euch einmal selber zu sehen." Kronos grinste ein wenig. Fromme Phrasen, abgedroschen und glatt, eine gläubige Lüge, um den Mann vor ihm zu besänftigen, der in seiner Eitelkeit alles glaubte, was man ihm sagte, so lange man ihm nur genug schmeichelte. "Gut, gut." sagte denn nun auch der französische Adelige, und man konnte seiner Stimme anmerken, daß der kleine Heide sein Ziel erreicht hatte. "Was ist also dein Begehr?" Die nächste Aktion überraschte selbst Kronos. Der Junge warf sich vor Leonard der Länge nach in den Sand, die Arme weit von sich gestreckt, das Gesicht im Staub. "Ich möchte Euch dienen, Herr! Ich tue alles, was Ihr von mir verlangt, wenn ich nur Eure gnädige Herrlichkeit erblicken darf!" brach es leidenschaftlich aus ihm heraus, so überzeugend, daß selbst Kronos für einen Augenblick geneigt war, ihm zu glauben. Leonard stand unbewegt da, in seinem Gesicht arbeitete es, - er dachte nach. Dieser Junge gefiel ihm. Doch er war ein Wilder, einer der Menschen, die sie vernichten sollten. Aber vielleicht war es für ihn und seine junge Seele doch noch nicht zu spät? Wenn er den Knaben in seine Dienste nahm und ihm die Lehren des Einzigen beibrachte, würde der Papst diesem bedauerlichen Wilden in seinem Irrglauben dann nicht die Absolution erteilen und ihn von all seinen Sünden und Verfehlungen, sowie seinem alten verworfenen Leben freisprechen? Sein Blick suchte den seines Beraters, der ihm stumm zur Seite stand. "Was meint Ihr, Turok?" wandte er sich leise an den Mann, der sein vollstes Vertrauen genoß. Dieser edle Krieger hatte ihm nahe Konstantinopel selbstlos das Leben gerettet und wurde vom Comte D'Aguile deshalb zu seinem persönlichen Berater ernannt, um ihm auch weiterhin den Rücken zu stärken. Daß Turok ihn von Zeit zu Zeit ohne den ihm angestammten Respekt behandelte, schob Leonard darauf, daß fähige Männer schwer zu finden waren und man ihnen deshalb ein gewisses Maß an Eigenarten zubilligen mußte. Zudem festigte Turoks Auftreten seine Auffassung noch: der fremde Krieger trat den Menschen nicht nur als ebenbürtig, sondern meistens als weit überlegen entgegen, mit einem gesunden Selbstbewußtsein, das aus dem Wissen um sein Können und seine Erfahrung erwuchs und die betonte Nachlässigkeit, mit der er seine Leute führte, umso gefährlicher erscheinen ließ. Nachdenklich starrte Kronos auf den Knaben nieder, der noch immer sein Gesicht im Staub verborgen hielt. Von ihm schien keine Gefahr auszugehen, und so zuckte er nur mit den Schultern: "Wenn er Euch zusagt, so nehmt ihn in Eure Dienste. Einen Platz für Knappen werden wir immer frei haben." Großzügig lächelnd drehte Leonard sich dem Knaben zu und huldvoll gebot er ihm, sich zu erheben. "So sei es. Geh hin und laß dir eine Arbeit bei meinem Knappen zuweisen!" Der Junge hob sein Gesicht aus dem Staub der Straße und er strahlte den Mann vor sich an. "Ich danke Euch, Herr! Ihr werdet zufrieden mit mir sein!" Eilig sprang er auf, ein zurückhaltender Blick streifte den Berater Leonards, dann hastete er in Richtung Ställe, wo er verschwand. Lächelnd sah Leonard ihm nach. "Ein hübscher Junge", murmelte er, wie für sich selbst bestimmt. Kronos streifte ihn mit einem langen, dunklen Blick, doch er erwiderte nichts. Er wußte schon lange, daß D'Aguile Knaben auf seinem Lager bevorzugte und manchmal spielte er ihm den einen oder anderen zu, damit er freie Hand hatte und den Heerführer beschäftigt wußte. Der Franzose war ein Narr! Er glaubte, er habe die alleinige Macht über seine Truppen, doch allein Kronos wußte, daß dem nicht so war. Viele der Anführer eben dieser Truppen waren ihm ergeben und würden ihm selbst in den Tod folgen. Er bezweifelte, daß sie für D'Aguile dasselbe täten. Die Männer verehrten ihn, Kronos, und er wußte diese Verehrung noch weiter zu schüren. Mit Hilfe vertrauenswürdiger Männer hätte Kronos im ersten Kreuzzug beinahe Antiochia erobert. Er wußte bis heute nicht, was schiefgegangen war und warum Bohemund von Tarent so viel früher als ursprünglich ausgemacht in der Stadt aufgetaucht war und sich seinen Anspruch gesichert hatte. Letztlich war es egal. Der erste Kreuzzug war in einem wahren Desaster geendet, hatte Kronos jedoch nicht davon abgebracht, sich dem zweiten anzuschließen und sich doch noch seinen Traum vom eigenen Königreich zu erfüllen. Sein Weg schien ihm klar, und diesen Weg mußte Leonard D'Aguile ihm ebnen. - Ihm, einen Mann ohne Stand und Rang, doch mit einem begnadeten Genie!
"Wäre es nicht ein Leichtes für Kronos gewesen, hätte er sich in den vergangenen fünfzig Jahren einen Titel besorgt? Ich meine, wenn ich dich richtig verstanden habe, mußte er schon zu diversen Tricks während des ersten Kreuzzuges greifen, damit er wenigstens den Hauch einer Chance auf Antiochia hatte. Was also läge näher, als seine Zeit damit zuzubringen, irgendwo einzuheiraten oder auf andere Art sich wenigstens einen kleinen Anspruch zu sichern? Oder war die Idee mit dem zweiten Kreuzzug so spontan?" Methos seufzte schwer auf. "Welche Frage soll ich zuerst beantworten?" "Alle!" "Du bist und bleibst ein Quälgeist!" stöhnte er genervt. "Wieso kannst du die Geschichten, die ich dir erzähle, nicht mal einfach so hinnehmen?" "Weil das langweilig wäre!" "Okay, also ich denke nicht, daß die Idee, sich dem zweiten Kreuzzug anzuschließen, spontan kam. Warum er in der Zwischenzeit nicht vorgesorgt hat, kann ich dir nicht sagen. Wenn ich ehrlich sein soll, ist mir Kronos eigentlich immer ein Rätsel geblieben. Ich wußte, was er tun oder sagen würde, aber ich habe nie herausfinden können, was in seinem Kopf vor sich geht....Magst du noch ein Glas Wein?" "Ja, gerne. Danke." Sie nahm einen Schluck und drehte danach das Glas nachdenklich in den Händen. "Also, mal gucken, ob ich das richtig sehe: er scheitert beim ersten Mal, versucht es trotzdem noch einmal, in der Hoffnung, daß diesmal keine Athena da ist, die seine Pläne zerstören könnte. Soweit richtig?" Der Unsterbliche neben ihr nickte. "Ich verstehe es trotzdem nicht. Edessa ist doch sicher nicht so begehrenswert gewesen, wie Antiochia es war. Was also zieht ihn an?" "Wenn du weiterlesen würdest, könntest du es vielleicht herausfinden." schlug Methos ihr schmunzelnd vor. Aufseufzend gab Ceal sich geschlagen und vertiefte sich wieder in das Buch.......
Dunkle Augen folgten dem Mann, der gelassen zwischen den Zelten her schlenderte und sich auf die Weide mit den Pferden zu bewegte, um seinen Hengst zu holen. Erisan hielt den Stiel der Forke fest umklammert, während seine Augen dem Krieger folgte, der sich ganz im Wissen seiner Macht und seiner Ausstrahlung bewegte und alles um sich herum unwichtig werden ließ. Verfluchter Bastard!, dachte er böse. Der Knabe, der seit neuestem und nur durch Turoks Zuspruch ein weiterer Knappe bei Leonard D'Aguile war, fürchtete Turok; stets hatte er das Gefühl, daß der Mann ihm in die tiefsten Abgründe seiner Seele blicken konnte und ihn eines Tages entlarvte. Was, wenn es dann noch zu früh war? Wenn SIE noch nicht soweit waren? Am liebsten hätte er alles hingeworfen und wäre, so schnell ihn seine Beine getragen hätten, aus dem Lager und aus dem Land geflüchtet. - Und sei es nur, um diesen prüfenden, dunklen Augen zu entkommen, die - seiner Meinung nach - immer auf ihm ruhten. Eines Tages, das schwöre ich dir, werde ich dich umbringen!, dachte er aufrührerisch, die Forke so fest pressend, daß seine Knöchel weiß hervor traten.
"Es hat schon wieder Übergriffe auf unsere Patrouillen gegeben, Turok! Im Süden griff man unsere Männer hinterrücks an und vertrieb sie. So kann es nicht weitergehen! Wir müssen etwas gegen diese Aufrührer unternehmen!" Kronos saß seinem Kriegsherrn gegenüber auf einem Stuhl, die Ellenbogen auf die Lehnen gestützt, die Fingerspitzen einer jeden Hand an die der anderen gelegt und dachte nach. Neuerdings wurden ihre Patrouillen belästigt, indem unbekannte Reiter auftauchten und die einfachen Soldaten dazu zwangen, ihren Ritt aufzugeben. Die ständigen Angriffe der Rebellen wirkten wie Nadelstiche auf die Christen: sie fügten ihnen keine nennenswerten Schäden zu, führten ihnen aber immer wieder vor Augen, wie ungeliebt sie hier waren. Was wirklich Anlaß zur Sorge war, war die zunehmend verfeinerte Taktik der Rebellen. Ein paar Wochen lang waren sie verschont geblieben, beginnend mit der Zeit, in der Turok hier angekommen war, dann waren die Angriffe wieder losgegangen. Diesmal waren die Spähtrupps das Ziel, wenn sie ihre täglichen Kontrollritte machten. Hatten die Rebellen vorher scheinbar planlos und unorganisiert blitzartig aus dem Hinterhalt angegriffen - was nicht selten mit sehr hohen Verlusten auf Seiten der Angreifer einher gegangen war -, so zeigte sich deutlich eine Verbesserung der Aufstellung. Sie griffen nun überlegt an und der Schaden, den sie zwar nicht materiell, aber psychisch anrichteten, gab Anlaß zur Sorge. Die zunehmenden Übergriffe der Aufrührer machten ihnen in der Tat zu schaffen, begannen die Soldaten doch, sich vor ihnen zu fürchten. Sie sagten, es müßten Geister sein, so schnell wie sie auftauchten und danach wieder spurlos verschwanden. Kronos glaubte nicht an diesen Unfug! Das waren wohl nur Männer, die die Gegend gut genug kannten, um sich vor ihren Häschern zu verbergen, wurden sie verfolgt. Und trotzdem reagierten die aufgeklärten Männer des Heeres wie kopflose Hühner, sobald auch nur ein Schatten auftauchte. Die ständigen Angriffe zermürbten sie und machten sie nervlich runter. - Eben genau das, was Kronos Sorgen bereitete. Die Rebellen stellten es immer klüger an und so, wie sie die Sache angingen, bewiesen sie, daß es sich scheinbar nicht um dumme Bauern handelte, sondern daß man sie durchaus ernst nehmen mußte. Erschwerend kam hinzu, daß sich die Gerüchte verdichteten, die Templer befänden sich auf dem Weg ins Geheiligte Land, unter der Führung ihres Großmeisters Robert de Craon. Diese Nachricht war von Leonard D'Aguile wutschnaubend aufgenommen worden und auch Kronos war alles andere als angetan von dieser Neuigkeit, die sie am frühen Morgen erreicht hatte. Ein Bote hatte ihnen Kunde gebracht, daß Papst Eugenius III. dem neuen Mönchs- und Ritterorden, der erst 1128 gegründet wurde und als DIE Geheimwaffe der Christen galt, das Privileg verliehen hatte, ständig ein rotes Kreuz a sinistra zu tragen, um an die Leiden Christi zu erinnern. Wie man hörte, machten die Templer sich auf, um im Heiligen Land zu kämpfen. Für Ruhm und Ehre des Einzigen. Angeblich hatte man den schwarz-weißen Baucent schon bei Konstantinopel gesichtet. Und gewiß würden sie ihren neuen Habit tragen, soviel war sicher. Schon von hier aus konnte Kronos ihre ewig lamentierenden Stimmen hören: 'Non nobis Domine, non nobis, sed nomini tuo da gloriam!' Sie kämpften für einen toten Gott! Allein das war für Kronos schon Grund genug, am Verstand der Ritter zu zweifeln. Wenn nicht für den eigenen Ruhm und den eigenen Reichtum, für wen sollten sie dann kämpfen? Für die Absolution? Für Vergebung? Lächerlich.... Kronos waren diese Brüder ebenso verhaßt wie D'Aguile, allerdings aus unterschiedlichen Gründen. Während sie für Kronos nur rückgratlose Pfaffen waren, sah Leonard in ihnen eine ernstzunehmende Konkurrenz zu seinen Truppen, die nach wie vor - und erst recht unter dem Befehl von Turok - zu den besten gehörten, und zu denen andere Heere ehrfurchtsvoll aufsahen. Was hatte sein König sich nur dabei gedacht, als er diese Bastarde losschickte, um ihnen zu Hilfe zu eilen? Sie brauchten keine Hilfe! Sie hatten doch Turok! Die Situation erschien also alles andere als rosig und Leonard war sehr daran gelegen, daß sich seine Leute behaupteten, bevor de Craon hier auftauchte und glaubte, das Zepter an sich reißen zu können. Und während seine Sorgen sich nur auf die Templer bezogen, richteten Kronos' Gedanken sich einzig gegen die Rebellen. Eine Herausforderung in diesem Niemandsland! - Und Kronos war gewillt, sie anzunehmen und zu seinen Gunsten zu entscheiden! "Wenn Ihr erlaubt, edler Herr, werde ich die nächste Patrouille begleiten. Ich denke, daß es sich um lebende Menschen handelt. - Und nicht um Geister, wie die Soldaten glauben. Wir werden ihnen schon das Fürchten lehren!" schloß er überzeugend. D'Aguile nickte knapp. "Wenn Ihr das sagt, Turok, so stimmt es. Gut, Ihr habt meine Erlaubnis, die Patrouille zu begleiten. Sucht sie und bringt sie zur Strecke!" "Ja, Herr." Kronos verneigte sich leicht auf die ihm eigene lässige Art und zog sich rückwärts zurück. Vor dem Zelt atmete er tief ein und schritt dann gemächlich durch die Zelte hindurch zu den Koppeln, wo die Pferde standen. Und wenn er dabei die Blicke eines Knappen im Rücken wie Dolche spürte, so ließ er es sich nicht anmerken. "Sattel mein Pferd!" befahl er einem Knappen, der sich beinahe überschlug, um dem Wunsch des Herrn nachzukommen. Nachlässig nahm der dunkle Krieger die Zügel des riesigen Tieres und führte es hinter sich her, als er sich auf den Weg zu den als Patrouille eingeteilten Männern machte. Die waren zwar nicht wirklich begeistert, daß Turok sie begleiten wollte, doch andererseits fühlten sie sich in seiner Gegenwart sicher. Und Einspruch hätte eh niemand erhoben. - Immerhin handelte es sich hier um Turok!
* *
Bisher war ihr Kontrollritt ohne Zwischenfälle verlaufen und Kronos glaubte schon nicht mehr daran, daß noch etwas geschehen würde. "Es sieht ruhig aus, Herr. Mit etwas Glück werden wir unbehelligt wieder im Lager ankommen." wandte sich nun auch der Anführer des Spähtrupps an ihn. Er nickte knapp. "Ja, sieht so aus." stimmte er zu. Irgendwie war er ein wenig enttäuscht. Zu gerne einmal hätte er den Rebellen Auge in Auge gegenüber gestanden und sich mit ihnen gemessen. Nun gut, dann würde er eben morgen noch einmal mitreiten und übermorgen wieder und jeden Tag danach, wenn es sein mußte. So lange, bis die Männer ihm glaubten, daß es sich um Menschen handelte und man sie nicht fürchten mußte. Er nahm einen kräftigen Schluck aus seinem Wasserschlauch und als er den Blick wieder hob, konnte er auf den Dünen die Umrisse von Reitern erkennen, die dort oben standen und scheinbar auf sie warteten. Nebenbei registrierte Kronos, daß man sie nicht hatte kommen hören. - Als wären es Geister! Sie waren dunkel gekleidet und hinter ihren Rücken staken die Griffe zweier Sarazenen-Schwerter in die Höhe. 'Sarazenen!?', schoß es Kronos durch den Kopf. Die Pferde unter ihnen waren edle Tiere: groß und schlank, mit schimmerndem Fell und kostbaren Decken und Zaumzeug. In Kronos wallte Wut hoch. Die Kreuzfahrer mußten sich mit primitivsten Mitteln abgeben, weil es in der Stadt und der weiteren Umgebung an allen lebensnotwendigen Dingen fehlte, und dort oben wurde Protz und Prunk schamlos zur Schau gestellt! Hieß das, sie kamen gar nicht aus der Stadt, sondern von ganz woanders her? Oder hieß das, sie wurden von außerhalb unterstützt? Die Rebellen standen bewegungslos da und blickten auf die Männer im Tal hinab. Hinter Kronos versammelten sich die Soldaten und Kronos konnte ihren keuchenden Atem hören. Jämmerliche Feiglinge!, dachte er böse. Der Mann fixierte den offensichtlichen Anführer der Leute dort oben mit kalten Blicken. Der zog nun eines seiner Schwerter und die anderen taten es ihm nach. Auch Kronos griff zu seinem Schwert und zog es hervor. Es sah so aus, als zögerte der Anführer der Rebellen kurz, doch dann gab er seinem Pferd die Zügel und es preschte die Düne herunter, direkt auf die Pilger zu. Eine riesige Staubwolke zog sich hinter dem Reiter her, und als die anderen Reiter nun ebenfalls herab kamen, konnte man kaum die eigene Hand vor Augen sehen, so wurde der Sand aufgewirbelt von den donnernden Hufen. Was für wunderbare Tiere!, schoß es dem Krieger durch den Kopf, als er die schlanken Leiber der Pferde an sich vorbeilaufen sah. Vor Kronos tauchte der Schatten des Anführers auf. Er deutete mit dem Schwert auf den Fremden in diesem Land und machte dann eine unmißverständliche Bewegung von links nach rechts an seinem Hals entlang. Kronos lächelte schmal. "Versuch es!" forderte er den Rivalen auf. Wutentbrannt rannten die beiden Pferde aufeinander zu, getrieben von ihren Reitern, deren Schwerter funkensprühend aneinanderklirrten. Der Rebell war stark, doch Kronos war stärker und so warf er den Angreifer kraftvoll zurück, so daß der um ein Haar vom Pferd gefallen wäre. Doch ebenso schnell erholte er sich wieder und griff erneut an. Kronos duckte sich unter dem Schlag weg und seine Klinge fuhr mit einem leisen Pfeifen durch die Luft, als er zuschlug. Geschmeidig wich der andere aus und sein Schwert kam von unten her auf Kronos zu. Der Unsterbliche blockte den Schlag ab und schlug mit der Faust der anderen Hand zu. Ein dumpfer Laut erklang. 'Oh, tat das weh?', dachte Kronos ironisch. Es wird gleich noch viel mehr wehtun! Er holte aus, während der andere noch immer benommen immer wieder seinen Kopf schüttelte. Aus dem Hinterhalt erwischte ihn der Schlag eines Rebellen mit dem Griff eines Schwertes und für Kronos wurde es Augenblicke lang dunkel. Als er sich gefangen hatte, sah er die Staubwolken der davonreitenden Rebellen und trieb seinem Hengst die Stiefel in die Seiten. Sie durften ihm nicht entkommen! Als er auf der Kuppe der Düne angekommen war, blickte er sich verwundert um: NICHTS! Es schien, als habe der Erdboden sich aufgetan und die Reiter verschluckt! Keine Staubwolke, keine Spuren, NICHTS! Der Mann verstand die Welt nicht mehr. Sie konnten doch nicht so mir nichts, dir nichts verschwinden! Suchend schweiften die dunklen Augen über die gelbe Ebene, die sich gleichmäßig und öde vor ihm erstreckte. Seufzend gab er es auf und wendete sein Pferd. "Beendet eure Patrouille wie geplant!" wies er die Männer an, dann drehte er und ritt ins Lager zurück.
Es war dieser ihm eigene Stil, der den Reiter auszeichnete: wie er im Sattel saß, den Körper fast unbewegt, während das Pferd unter ihm im scharfen Galopp rannte, die Art wie er die Zügel hielt, fast achtlos, in der festen Überzeugung das Tier mit seinem bloßen Willen bezwingen zu können. Rücksichtslos preschte er durch das Lager und scherte sich nicht um die Menschen darin oder deren Gut, das unter den Hufen zertrampelt wurde. Und ebenso schnell wie er angeritten kam, so abrupt zwang er sein Pferd zum Stehenbleiben. Eine Staubwolke hüllte die Menschen rings um ihn herum ein, doch der Reiter saß nicht ab. Ihn interessierte etwas ganz anderes..... Kronos wurde durch lautes Gejohle aufmerksam, das von ein paar Männern ausging, die in einiger Entfernung standen und etwas umringten, das am Boden lag. Neugierig geworden näherte der Mann sich den anderen und beim Näherkommen sah er, daß die Kerle um ein junges Mädchen herum standen, das wohl schon einiges hinter sich hatte. Von seiner Warte aus sah er, wie ihr Gesicht an einigen Stellen schon Schwellungen anzeigte und wie Blut von ihren Lippen tropfte. Ihr ärmliches Gewand war zerrissen und das wenige, das sie noch trug, verbarg noch nicht mal das Wichtigste an ihr. Ungeduldig schüttelte Kronos den Kopf. Sie waren Krieger, keine Barbaren! Er war der Berater und Heerführer des Kriegsherrn und er duldete es nicht, wenn man sich an unschuldiger Bevölkerung vergriff. Er schätzte die Kleine, die dort am Boden hockte und der Willkür der geifernden Männer ausgeliefert war, mit den Blicken ab: sie war jung und sehr hübsch, doch offensichtlich weder eine Spionin, noch ein Krieger, und umso mehr brachte ihn das in Rage. "Was geht hier vor?" erscholl nun seine kalte Stimme und erschrocken fuhren die Männer auseinander. Sie fürchteten den Mann, der dort vor ihnen auf seinem Pferd saß und kühl niederblickte. Sie bewunderten ihn aus tiefstem Herzen, doch er bereitete ihnen ein Gefühl von Ehrfurcht und Ergebung und dem hatten sie nichts entgegenzusetzen. "Herr, das ist eine aus dem Dorf und wir wollten..." Kronos setzte sein Pferd stumm in Bewegung und die Soldaten traten beiseite. Das Mädchen kauerte am Boden, ihre großen Augen waren zu dem Reiter aufgeschlagen und er sah Tränen in ihnen schimmern, Angst, die in einem schier unendlichen Blau flackerte und gewiß die Sinne eines jeden Mannes verwirren konnte. Noch immer hielt er sein Schwert in der Hand, er beugte sich vom Rücken seines Pferdes, legte die Spitze der Klinge unter ihr Kinn und hob es etwas an. Ihr Atem flog, flach, gepreßt, Schweiß stand ihr auf der Stirn und das wirre Haar lag ihr verklebt um den Kopf. "Und? Wer bist du?" Sie würgte an ihrer Angst, er konnte es sehen. Schließlich senkte sie die Lider und antwortete stockend: "Eure...ergebene Sklavin, Herr." Abschätzend ließ er seine Blicke über sie gleiten, dann nickte er leicht und steckte sein Schwert weg. Anstelle dessen hielt er ihr seine Hand hin. Scheu sah sie zu ihm auf, dann blickte sie zu den Männern, die sie gefangen genommen hatten, hinüber und endlich stand sie auf und nahm sie. Mit einem kräftigen Ruck hatte Kronos sie vor sich auf sein Pferd gehoben, das er nun wendete und langsam in das Lager zurück ritt. Bedauernd sahen die Soldaten ihm nach. Nur zu gerne hätten sie sich mit dem Mädchen amüsiert und beneideten den Herrn, der nun das große Los gezogen hatte. Egal, es würden sich schon noch andere finden. Und war da hinten nicht auch schon eines der Küchenmädchen, das aussah, als wäre sie für einen harmlosen Spaß zu haben?..... Vor seinem Zelt zügelte Kronos sein Pferd und saß schwungvoll ab. Ohne sich weiter um das Mädchen zu kümmern, rief er nach einem Knappen und wies ihn an, sich des Tieres anzunehmen. Am Eingang seines Zeltes blieb er stehen und sah das Mädchen fragend an. Unschlüssig sah sie zu ihm herunter. Das Pferd war sehr groß und sie reichte ihm gerade mal bis an den Bauch, so mußte der Abstieg ihr sehr unangenehm erscheinen. Sie wurde den Blick des Mannes gewahr und sie wälzte sich auf den Bauch, hielt sich krampfhaft am Sattel fest und ließ sich ganz vorsichtig hinab. Kronos grinste, als er sah, wie ihre Füße noch nicht einmal die Erde berührten, als sie nun am Sattel hing und nach festem Boden unter sich suchte. Da ließ sie los und landete neben dem braunen Riesen, der sie mit einem Blick bedachte, als würde er sich über das kleine Menschenkind lustig machen, das so kurz geraten war. Sie drehte sich um und sah den Mann, der sie gerettet hatte, an. Vergeblich versuchte sie, ihr Gewand mit den Händen zu schließen und ihre bloße Haut vor den neugierigen Blicken der Soldaten rings um sie herum zu verbergen. Ein aussichtsloses Unterfangen, befand Kronos bei sich. Einladend hielt er den Eingang auf, und sie trat an ihm vorbei und stand schließlich in der dämmerigen Einsamkeit der Behausung des zweitmächtigsten Mannes im Lager. Neugierig sah sie sich darin um. Nicht viel, ein paar Waffen, eine Truhe, ein Tisch, ein Stuhl und ein recht bequemes Lager, mehr stand hier nicht. Etwas beklommen streiften ihre Augen das Lager, dann suchte sie weiter, nach einem Zeichen, einem Gegenstand, der Aufschluß über seinen Besitzer gab. Doch da war nichts. Nichts, was etwas über den Mann aussagte, der das Leben dieses Mädchens gerettet hatte, indem er sie mit sich nahm. Kronos beobachtete sie ruhig, während er sich einen Becher Wein einschenkte. Er nahm einen großen Schluck, trat von hinten an sie heran und reichte ihr den Becher herum. "Hier!" Sie schaute kurz in das Gold des Bechers und das tiefe Rubinrot des Weines und schüttelte dann leicht den Kopf. "Ich...trinke keinen Wein, Herr." sagte sie leise. Ungerührt hielt er ihn ihr weiterhin hin. "Dann solltest du ihn erst recht versuchen, Mädchen. Er ist ganz gut und wird dir gewiß schmecken." Zögernd nahm sie ihm den Becher ab und setzte ihn an die Lippen. Er hatte recht! Der Wein war gut: kühl und fruchtig, nicht zu süß, aber auch nicht zu sauer, und er verbreitete ein angenehmes Gefühl von Wärme in ihrem Bauch. Und während sie trank, spürte sie die Hände des Mannes auf ihren Schultern, die dort die Reste ihres ärmlichen Gewandes fortschoben und dessen Lippen ihre bloße Haut berührten. Sie schloß die Augen, neigte den Kopf ein wenig zur Seite. Kronos faßte um sie herum und zerriß den letzten, widerspenstigen Rest ihres Gewandes und es fiel ihr zu Füßen, wo es achtlos liegen blieb. Sacht strichen seine großen, starken Hände über die weiche Haut ihrer Schultern und er senkte die Lippen auf sie. Tief atmete er ein und hob für einen winzigen Augenblick überrascht die Augenbrauen. Wie gut sie roch! Nicht wie all die anderen Lagerhuren, die hier herum liefen, und nicht wie die einheimischen Frauen, die bäurisch und dumm waren. Oh nein, sie roch leicht und süß und...sauber. Er faßte sie unter und ließ sich mit ihr auf seinem Lager nieder. Er küßte sie wild und leidenschaftlich und sie gab ihm willig nach. Sanft drängte sie ihn auf den Rücken und setzte sich auf ihn. Seine Hände ruhten auf ihren Schenkeln, während die ihren sacht über seine breite Brust strichen, ihre Blicke folgten ihren Bewegungen. Dann kamen ihre Hände an die Schnallen seines Kettenhemdes und sie beugte sich vor, um zu sehen, wie sie die Metallschließen öffnen konnte. Zwar versuchte sie es, doch erwiesen sich ihre Vorstöße als ergebnislos. Mit einem leichten Lächeln ging er ihr zur Hand und unter seinen Fingern schnappte die erste Schließe sofort auf. Sie hatte ihm genau zugesehen und nun startete sie den zweiten Versuch. Und während sie gerade mal zwei öffnete, hatte er die anderen schon gelockert. Sie lächelte leicht und zog ihn hoch, so daß er sitzen mußte. Vorsichtig streifte sie ihm das Kettenhemd über den Kopf hinweg ab und nahm ihm auch gleich sein Hemd, bevor sie ihn sanft wieder auf das Lager zurück drängte. Ein seliges Lächeln lag auf ihren Zügen und ihre Hände strichen langsam und aufreizend über seine breite Brust, fuhren durch die wenigen Brusthaare, über den Bauch und wieder zurück. Genüßlich schloß er die Augen. Oh ja, das war gut! Nun rutschte das Mädchen von ihm runter und nur einen Augenblick später spürte er ihre Lippen, die denselben Weg nahmen, wie ihre Hände zuvor. Leise stöhnte er auf.
"Methos, laß das!" "Was denn? Ich tue doch gar nichts!" verteidigte der Unsterbliche sich erstaunt. "Doch, du tust es schon wieder!" brauste die junge Frau auf. "Aha." "Ja, du tust es jedesmal, wenn du mir von früher erzählst! Habt ihr eigentlich nichts anderes als Sex im Kopf gehabt?" Grinsend hob der Mann die Schultern leicht an und ließ sie lässig wieder fallen. "Was soll ich sagen? - Wir hatten keinen Fernseher." Ceal brummte grinsend: "Das erklärt einiges.... Geht es ins Detail oder verschonst du mich?" "Ich verschone dich, versprochen. Können wir dann weitermachen?" Sie machte eine weitschweifende Handbewegung. "Bitte." "Danke....
Jäh hörte sie auf. Kronos öffnete die Augen und sah ihr Gesicht über sich, wie sie ihn forschend betrachtete. Als er sie nun ansah, vertiefte sich ihr Lächeln und ihre Hand fuhr zu seiner Hose. Er sah das Aufblitzen in ihren Augen und dann schwang sie sich auf seinen Schoß und die Welt um ihn herum versank....
* *
Kronos wurde wach, als sich neben ihn etwas regte. Müde schlug er die Augen auf und versuchte, etwas in dem Halbdunkel, das ihn umgab, zu erkennen. Das Mädchen, das er am Vortag mit sich genommen hatte, hatte die Beine aus dem Lager geschwungen und war aufgestanden. Schläfrig langte er nach ihr. "Wo willst du hin?" Erschrocken fuhr sie herum, dann lächelte sie flüchtig, entschuldigend. "Ich wollte Euch keinen Verdruß bereiten, Herr, indem ich noch da bin, wenn Ihr aufwacht." antwortete sie leise. Kronos hatte in der letzten Nacht ihre ruhige, gedämpfte Stimme zu schätzen gelernt, und so traf ihn ihre Antwort nicht allzu überraschend. Er lächelte schläfrig und hielt ihr seine Hand entgegen. "Komm her, Mädchen!" verlangte er herrisch. Sie zögerte. Da mußte er leise lachen. "Wo willst du denn hin, ohne Kleidung, mein Kind? Die Kerle da draußen warten nur auf so was Hübsches wie dich." Verlegen sah sie an sich herunter. Ja, er hatte recht. Ihre Kleider von gestern waren total kaputt und nicht mal als Lumpen zu bezeichnen. Was die Soldaten vor dem Zeltlager nicht geschafft hatten, daß hatte der Mann vollendet, der da auf seinem Lager lag und ihr gelassen entgegensah. Kronos beobachtete sie in ihrem Zwiespalt. So, wie sie dastand, bloß und scheu, so sah sie einfach bezaubernd aus und er wollte sie. Jetzt! Sofort! Er winkte sie heran. "Komm!" Sie war hochrot im Gesicht, als sie nun wieder zu ihm aufs Lager kam. Er schlug fürsorglich die Decke über sie und legte dabei gleich seinen Arm besitzergreifend um ihre Mitte. Sie schmiegte ihr Gesicht an seine Brust und seufzte leise auf. "Ich sehe, du weißt Gutes zu schätzen." murmelte er heiser, seine Lippen auf ihre Brust senkend. "Oh!" Ihre Finger wühlten sich in sein Haar, als sie sich aufbäumte... "Herr?" Eine verlegene Stimme holte die beiden auf den Boden der Tatsachen zurück, und genervt sah Kronos auf. Im Eingang stand ein Knappe und sah hochrot zur Seite, als er seinen Herrn in einer derart verfänglichen Situation vorfand. "WAS???" Der Junge wand sich scheu. "Herr, der Herr D'Aguile möchte Euch sprechen. - Sofort." fügte er mit einem Blick auf das Weib, das seines Herrn Lager teilte, hinzu. Auf eine herrische Bewegung von Kronos hin verschwand der Knabe. "Tja, es sieht so aus, als wäre was dazwischen gekommen, mein Kind. Auf ein späteres." Er erhob sich gemächlich und kleidete sich gelassen an. Das Mädchen sah ihm dabei zu. "Wenn Ihr zurückkehrt, Herr, werde ich nicht mehr hier sein... Gott segne Euch!" Er lachte leise. Ein wissendes Lachen, das ihr einen Schauer bereitete. "Denkst du, ja?" Er gürtete sich sein Schwert. "ICH denke, daß du noch genauso da sein wirst, wenn ich wiederkomme, wie jetzt." Er beugte sich vor und tätschelte sanft ihre Wange. "Ruh dich aus. - Du wirst deine Kräfte nachher noch brauchen!" Mit diesen Worten drehte er sich um und verließ sein Zelt, zufrieden, aufgeräumt, in bester Laune. Draußen nahm er seinen Knappen beiseite. "Du bist mir verantwortlich dafür, daß sie etwas zu Essen und zu Trinken bekommt. - Und daß sie noch da ist, wenn ich wiederkomme. Hast du mich verstanden?" Seine leise Stimme klang drohend und die Augen des Jungen wurden groß vor Angst. Stumm nickte er heftig, was Kronos lediglich ein schmales Lächeln entlockte. "Gut." Er ließ den Arm des Knaben los und ging dann zum Zelt des Mannes, der ihn hatte rufen lassen.
* *
Kaum hatte der Mann sein Zelt verlassen, stand das Mädchen auf und sah sich suchend um. Am Boden lag - wie gestern - ihr Gewand. Behutsam hob sie es auf und betrachtete es eingehend. Zerrissen und kaum mehr zu gebrauchen, so lautete ihre vernichtende Feststellung, die sie alles andere als glücklich stimmte. Trotzdem streifte sie es sich über. Ihr Blick wanderte über die Sachen des Mannes, dessen Namen sie noch nicht einmal wußte. Dann nahm sie von einem Gestell, auf dem eine weitere Uniform hing, die Schnallen vom Hemd und befestigte damit ihr Gewand. Vorsichtig nahm sie auch den Umhang herunter und legte ihn sich um die Schultern. Sobald sie etwas anderes zum Anziehen gefunden hatte, würde sie dem Soldaten seine Sachen zurückschicken. Fest zog sie ihn um sich, als sich hinter ihr im Zelteingang etwas regte. "Wenn ich du wäre, würde ich noch nicht einmal daran denken!" Erschrocken fuhr das Mädchen herum und sah sich einem Jungen gegenüber, der die Kleidung der Knappen trug und sie interessiert und ein wenig mitleidig musterte. Augenblicke lang starrten sie sich nur an, dann wich sie einen Schritt zurück. "Wer bist du?" Der Knappe stellte am Tisch sein Tablett ab, das mit einem Tuch bedeckt war, doch dem Mädchen stieg der Duft von frischgebackenem Brot und Fleisch in die Nase. Sie spürte die gähnende Leere in ihrem Bauch und hoffte, sie hätte genug Stolz, um nicht über die Köstlichkeiten herzufallen und daß ihr Magen jetzt nicht knurren möge. "Ich bin Markus, der Knappe des Herrn. Und ich sage dir noch mal: denk nicht einmal dran!" Aufsässig blitzten ihre Augen auf. "Ach? Und weshalb sollte ich das nicht tun?" Der Knabe entfernte das Tuch vom Tablett. "Er will dich. Und wenn du gehst,... - er wird dich überall finden! Man trotzt ihm nicht!" Rauh lachte sie auf. "Ach ja, tatsächlich? Ich glaube, du unterschätzt mich, Knappe!" Verärgert wandte Markus sich ab. "Und ich denke, daß du keine Ahnung hast, wer dir dein erbärmliches Leben gerettet hat!" Aufgebracht fuhr ihre Hand durch die Luft. "Mach dir um mich mal keine Sorgen! Los, verschwinde!" Achselzuckend entfernte der Junge sich wieder. Bei Gott, war das Mädchen dumm! Turok war doch kein schlichter Soldat, mit dem man umspringen konnte, wie man wollte! Markus hatte schon oft beobachtet, wie die Weiber aus der Stadt mit den einfachen Soldaten umgingen, wie sie die armen Kerle - nachdem sie bekommen hatten, was sie wollten - aufs übelste beschimpft und verspottet hatten und nicht eben wenige von den armen, gutgläubigen Teufeln waren bestohlen worden. Ihm schauderte, wenn er daran dachte, was ihm bevorstand, wenn die Kleine nicht mehr da wäre, wie sein Herr es befohlen hatte. Sein Zorn war fürchterlich und ihm wurde jetzt schon ganz anders. "He, Soldat!" rief er eine Wache an, die sich fragend nach ihm umdrehte. "Mein Herr wünscht, daß das Mädchen dieses Zelt nicht verläßt. Sorg dafür!" Der Angesprochene winkte einige seine Kameraden zu sich und sie postierten sich rund um das Zelt herum, um der Gefangenen auch nicht die kleinste Chance zur Flucht zu geben. Als das Mädchen das Zelt verlassen wollte, kreuzten sich vor ihren überraschten Augen zwei Lanzen, dahinter stand der aufdringliche Knappe und grinste sie breit an. "Ja, so wie es aussieht, wirst du unsere Gastfreundschaft wohl doch noch etwas genießen müssen," stellte er fest und seiner Stimme war die tiefe Befriedigung anzuhören, die es ihm bereitete, sich dieses schwierigen Problems entledigt zu haben. Wütend blitzten ihre Augen, und Markus konnte verstehen, warum Turok sie noch nicht gehen ließ. "Das kannst du nicht tun! Laß mich hier sofort raus!!!" giftete sie. Der Knabe lächelte schmal. "Leider kann ich dir deinen Wunsch nicht erfüllen, würde es mich doch mein Fell kosten. Also füg dich und geh wieder hinein. - Es ist besser so!" Blitzschnell duckte sie sich und war schon halb unter den Lanzen hindurch, als einer der Soldaten sie am Kragen packte und zurück ins Zelt stieß. Sie taumelte rückwärts, stieß schmerzhaft gegen den Tisch und sah gerade noch, wie der Junge breit grinste und sich dann zum Gehen wandte, dann fiel der Eingang und sie stand alleine im dämmerigen Dunkel. Ratlos stand sie da und nagte an ihrer Unterlippe. Was sollte sie nun tun? Fliehen? Mit den Wachen vor und um sie herum? Man konnte sie hier doch nicht so einfach gegen ihren Willen festhalten! Lange verharrte sie regungslos in ihrer Position und grübelte, die Stirn in Falten gelegt. Seufzend sah sie ein, daß sie vielleicht doch erst mal abwarten sollte. Sie nahm Umhang und Schnallen ab und brachte sie wieder an ihrem angestammten Platz an. Dann setzte sie sich auf einen Stuhl und nahm sich ein Stück Brot, an dem sie langsam herumkaute. Nun hieß es warten. Ob er wohl bald zurückkam?
* *
Als Kronos sein Zelt betrat, war es schon finstere Nacht. Der Tag war lang und anstrengend gewesen, die Unterredungen langwierig und zäh, und er fühlte sich erschöpft. Schnurstracks ging er an seine Waschschüssel und spritzte sich das kalte Wasser ins Gesicht, um wieder klar im Kopf zu werden. - Viel helfen tat es allerdings nicht. Ohne seine Umgebung mit einem Blick zu würdigen, legte er sein Schwert ab und lehnte es gegen den Stuhl. Die Schnallen des Kettenhemdes sprangen auf und er legte die zusätzliche Last seufzend ab. Nachlässig schenkte er sich einen Becher Wein ein und nahm einen Schluck. Im Umdrehen fiel sein Blick auf die zusammengerollte, schlafende Gestalt, die auf seinem Lager lag, die Arme fest um die Beine geschlungen, das Haar wirr um den Kopf. Interessiert näherte er sich ihr und hockte sich vor seinem Lager auf den Boden, von wo aus er sie genau betrachten konnte. Sie hatte er ja ganz vergessen! Wie selig sie schlief! Er lächelte ein wenig. Sie trug wieder ihr Gewand, das nun wirklich nicht dazu angetan war, daß man es noch einmal anzog. Mit so einem Lumpen würde er noch nicht mal sein Pferd abreiben lassen! Der flackernde Schein des Feuers spiegelte sich auf ihrem Gesicht wider und Kronos hatte genug Muße, sie eingehend mit Blicken zu taxieren. - Gestern hatte er andere Sachen im Kopf gehabt! Klein, mit feinen Gliedmaßen und einer schneeweißen Haut. Das Gesicht ebenmäßig und sehr ansprechend, schwarze Haare, die einen leichten Duft nach Blumen und jetzt nach Schweiß verströmten. Stirnrunzelnd stand er auf und verließ sein Zelt. Kurze Zeit später kehrte er zurück. In der Hand hielt er ein zusammengerolltes Päckchen, das er nun auf dem Tisch ablegte und sich dann wieder neben sie setzte und sie beim Schlafen beobachtete. Die Männer vor seinem Zelt setzten sich in Bewegung und Kronos wußte, daß die Wachablösung bevor stand. Von draußen erscholl Waffengeklirr und lautes Rufen und er konnte sehen, wie sie sich regte. - Sie wachte auf. Schlaftrunken schmiegte das Mädchen sich tiefer in die weichen Felle und versuchte, die störenden Geräusche zu verdrängen. Doch das klappte nicht und so öffnete sie langsam die Augen. - Und sah direkt in das Gesicht des Mannes, der sie mit sich genommen hatte! Mit einem erstickten Laut rutschte sie von ihm ab, bis sie ihn erkannte und ihn entschuldigend anlächelte. Er erwiderte es und der Kleinen schoß es durch den Kopf, daß er doch ungeheuer gut aussah. "Hast du gut geschlafen?" Die dunkle, melodische Stimme klang sehr anteilnehmend. Sie nickte stumm. "Hat man dir etwas zu Essen und zu Trinken gebracht?" Wieder dieses stumme Nicken. Er richtete sich auf. "Schön. Ich habe dir auch etwas mitgebracht." Er griff hinter sich und warf ihr das Päckchen hin, auf das sie verwundert starrte und dann ihren Blick fragend zu ihm erhob. Er machte eine einladende Geste. Vorsichtig nahm sie es und faltete es auseinander. Zum Vorschein kam ein langes, weißes Gewand, Sandalen und - Manschetten. Das Entsetzen stand ihr ins Gesicht geschrieben, als sie die goldenen Spangen gewahr wurde. "Was ist dir? Hast du nicht selber gesagt, du wärst meine .... Wie waren deine Worte noch mal?" Lauernd sah er das Mädchen an, das wie erstarrt auf die Sachen vor sich blickte. Sie verstand plötzlich! Er hatte nicht vor, sie gehen zu lassen. Er nahm sie beim Wort und wollte sie als Sklavin halten, so, wie sie es gesagt hatte. Ihr schwindelte und sie fühlte Übelkeit in sich aufsteigen. Ekel. Manschetten! Die Zeichen der Sklaven! Und selbst wenn sie aus Gold waren, so minderten sie nicht ihre schreckliche Bedeutung. Tief holte sie Luft. "Ergebene Sklavin." vollendete sie tonlos seinen Satz. "Das kann nicht Euer Ernst sein! Das könnt Ihr doch nicht tun!" fuhr sie dann erregt auf. Gelassen streckte Kronos seine langen Beine aus. Seine Augen funkelten belustigt, als er sie intensiv musterte, und dieses Funkeln vertiefte sich noch, als er sah, wie sie unter seinem Blick unruhig wurde. "Und warum sollte ich das nicht tun können?" "Weil es barbarisch ist!" entfuhr es ihr aufgebracht. Er lachte leise. "Kindchen, wir sind im Krieg! Wem möchtest du was von Barbarisch erzählen?" Sie fuhr zurück. "Ich..." stotterte sie fassungslos, doch ihr fehlten die Worte, um auszudrücken, was sie dachte. "Möchtest du den Heerführer darum bitten, daß er darüber entscheidet?" bot er ihr an, scheinbar um Verzeihung bittend, fast demütig. Mißtrauisch streifte ihr dunkler Blick ihn. Dieser plötzliche Sinneswandel kam ihr mehr als merkwürdig vor und einen winzigen Augenblick lang befürchtete sie, er selber sei der Heerführer, verwarf diesen Gedanken jedoch sofort wieder als absurd. "Turok!? Turok, seid Ihr da?" Der Zelteingang wurde beiseite gerissen und ein angetrunkener Soldat stand im Eingang. Seiner Kleidung nach zu urteilen war es einer der Männer, die die Truppen in die Schlacht führten. Mit einem Blick erfaßte er die Lage: der Berater D'Aguiles, ein Mädchen, Wein... Sein breites Lächeln bat um Verzeihung. "Oh, ich wollte Euch nicht stören. Es ist auch nicht so wichtig, wir können morgen noch darüber sprechen." Damit zog er sich eilig wieder zurück. Kronos wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Mädchen zu und sah verblüfft, daß sie ganz weiß im Gesicht und vor ihm zurückgewichen war. Ihre blauen Augen starrten ihn weit aufgerissen an. "Ihr seid Turok?" flüsterte sie. "In voller Größe, mein Kind. Wußtest du das etwa nicht?" Stumm schüttelte sie den Kopf. "Nein." brachte sie mühsam hervor. In ihrem Kopf drehte sich alles und es würgte sie vor Angst. Turok!
Wach wurde das Mädchen, als ihr jemand einen Becher mit Wein an die Lippen setzte und vorsichtig einflößte. Ihre Lider flatterten. "Na, ich weiß nicht, ob es ein Kompliment für mich ist, wenn du gleich in Ohnmacht fällst, sobald du meinen Namen hörst, Kleine." Kronos tätschelte ihre Wange. "Geht es wieder?" Gequält schloß sie die Lider wieder. Er ließ sie nach hinten sinken und stellte den Becher ab. Auf seinem Gesicht war eine gewisse Besorgnis zu sehen, während er das Häufchen Elend auf seinem Lager betrachtete. Er hatte schon viele Reaktionen auf seinen Namen gesehen, aber so was war ihm noch nicht untergekommen! Einfach in Ohnmacht zu fallen! - Dabei hatte er ihr doch noch gar nichts getan! "Ihr seid wirklich Turok?" wisperte sie neben ihm. Er lächelte. "Ja. - Immer noch." Sie hauchte etwas, das er nicht verstand, doch dann schlug sie die Augen auf und setzte sich hin, so, daß sie ihn ansehen konnte. "Dann bin ich Euch umso mehr dankbar, daß Ihr mein Leben gerettet habt. Ich hatte nicht erwartet,..." Erschrocken brach sie ab, impulsiv nahm sie seine Hand und blickte ihn um Verzeihung heischend an. "Was hattest du nicht erwartet? Daß ich so etwas tun würde?" Er nahm seine Hand aus ihrer. "Kind, ich weiß, was man über mich erzählt. Und soll ich dir was sagen? - Es ist alles wahr!" Sie sah aus, als wollte sie schon wieder ohnmächtig werden! "Aber du hast mir einen Handel angeboten, dem ich einfach nicht widerstehen konnte." Er beugte sich vor und nahm ihr Kinn in die Hand, zwang sie so, ihn anzusehen. "So lange du dich an deinen Teil der Abmachung hältst, kann es dir egal sein, wie ich bin. Oder was ich bin. Anderenfalls...." Er sprach nicht weiter, doch das Mädchen konnte sich denken, was hinter den unausgesprochenen Worten steckte. Kalt kroch es ihr durch die Adern. Sacht streiften seine Lippen ihre Wange, dann legten sie sich auf ihre und herrisch verlangte seine Zunge nach Einlaß. "Und? Küsse ich dich jetzt anders als letzte Nacht, nur weil du meinen Namen kennst?" Sie rang nach Atem. "Nein,.. Herr." Er grinste. "Gut. Und nun, da du meinen Namen kennst, will ich auch deinen wissen." "Alana." "Alana." Er wiederholte ihre Worte, ließ sich den Namen langsam auf der Zunge zergehen wie einen guten Wein und lauschte dessen Klang nach. Seine Fingerspitzen fuhren über die nackte Haut ihrer Innenarme, hinauf zur Achsel, strichen am Brustbein entlang und dann aufreizend langsam zwischen ihren Brüsten wieder hinunter zum Bauch. Ein wunderbar warmes Gefühl machte sich in Alanas Bauch breit und aufseufzend schloß sie die Augen. "Sag mir, Alana, wirst du dich an deinen Teil des Handels halten?" Seine Hand schob ihr Gewand hoch, fuhr an den Schenkeln entlang und sie zuckte heftig zusammen. "Ja!" hauchte sie atemlos. "Das ist gut." raunte er, sich zu ihr hinabbeugend. "Das ist sogar sehr gut."...
"Nun? Was habt ihr uns zu berichten?" Der alte Mann sah die versammelten Menschen erwartungsvoll an. Sie alle waren von Kopf bis Fuß in lange, dunkle Schleier gehüllt, die nichts frei ließen, außer einem winzigen Schlitz für die Augen. Auf ihrer Brust hing jeweils eine goldene Kette, an der ein Medaillon baumelte. Pures Gold, verziert mit uralten Schriftzeichen, die nur noch Eingeweihte lesen konnten. Eine Sprache, die schon lange tot war, und die nur noch sehr wenige unter dem Volk beherrschten. Dieses Medaillon wies sie als eine zusammengehörende Gruppe, als eine Familie aus. Eine Familie, die das gemeinsame Ziel verband. - Die Rückeroberung des Landes durch die Palastgetreuen! "Leonard D'Aguile ist nicht unser Feind. Er ist dumm und eitel, doch keine wirkliche Gefahr. Die geht von seinem Berater aus. Wir müssen etwas gegen Turok unternehmen, sonst ist alles, was wir bisher erreicht haben, umsonst gewesen. Denn er wird uns aufspüren und restlos vernichten, wenn er die Gelegenheit dazu hat." Die dumpfe Stimme, die durch die Schleier drang, klang rauh und tief, ungeübt, und der alte Mann, dem Bericht erstattet wurde, nickte langsam. Ja, so etwas in der Art hatte er sich schon gedacht. Turok also! Nun, sie mußten sich in der Tat etwas gegen ihn einfallen lassen, wenn sie nicht noch im letzten Moment einen Fehlschlag riskieren wollten. Und sie mußten sich beeilen, wollten sie noch vor dem Eintreffen der Tempelritter Erfolge erzielen. Selbst hier, in diesem Land, fernab von der Heimat der christlichen Krieger, fürchtete man den hervorragenden Ruf, den diese Männer genossen. "Was können wir gegen ihn tun?" Fragend sah der Alte in die Runde. Doch die Angst vor dem zweitmächtigsten Mann im Lager der Kreuzfahrer lag greifbar in der Luft und niemand meldete sich, um einen Vorschlag zu unterbreiten. "Was ist euch? Habt ihr keinen Stolz? Wollt ihr die Ungläubigen nicht aus eurem Land vertreiben?" "Wird es ein Fehlschlag, wird das Volk darunter leiden." "Sie werden es mit Freuden ertragen!" "So? Sie hungern jetzt schon. Sie leben in ständiger Angst. Viel mehr werden auch sie nicht mehr ertragen können!" Eine der vermummten Gestalten bewegte sich etwas. "Ich halte es für keine gute Idee, jetzt unbedingt etwas tun zu müssen. Wir sollten warten. Die Götter werden uns den rechten Weg weisen." "Oder uns der Verdammnis überlassen! Ich sage, wir handeln!" Eine andere Gestalt trat vor und sprach diese leidenschaftlichen Worte, die allgemeine Zustimmung hervorriefen. Das Gemurmel, das sich erhob, ließ den alten Mann nachdenken. Die Stirn in tiefe Falten gelegt, schritt er unruhig auf und ab, nervös die Hände ringend. Er war auf den Rückhalt der wenigen, die noch für ihn kämpften, angewiesen. Und wenn sie Krieg wollten, so sollten sie Krieg haben! Er blieb stehen, drehte den anderen jedoch den Rücken zu. "Gut, so sei es denn. Wir werden versuchen, Turok zu seinem Gott zu schicken, damit er endlich Frieden finden kann. Alles weitere wird sich finden." Die Gestalt, die als erstes gesprochen hatte, wandte sich ab und ging lautlos, während sich eine hitzige Diskussion entfaltete, wie und wann man die nächsten Schritte unternahm.
"Was sind das für Leute, Duprès?" Argwöhnisch beäugte Kronos eine kleine Gruppe von etwa zwei Dutzend Halbwüchsigen, die hintereinander weg hinter einem Soldaten her marschierten, der sie zum Versorgungszelt führte, wo man ihnen die notwendigen Zugaben für ihre Kleidung geben würde. Der kleine, kugelrunde Koch, der für das leibliche Wohl der Offiziere, des Heerführers und seines Beraters zuständig war, folgte dem Fingerzeig des Vorgesetzten. Sein ohnehin schon hochrotes Gesicht färbte sich noch etwas dunkler, als er die gemeinten beobachtete: allesamt lumpig gekleidet und dreckig wie die Schweine, waren sie das genaue Gegenteil von dem, was er sich als Hilfe vorgestellt hatte. "Die neuen Küchenhilfen, edler Herr." beantwortete er langsam die Frage und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. "Ein paar Knappen werden wohl auch dabei sein, aber wenn ich es richtig verstanden habe, ersetzen die da unsere Ausfälle." 'Unsere Ausfälle' Besser hätte Kronos es auch nicht ausdrücken können, wenn er an die kolikerkrankten, schwindsüchtigen oder gar schon toten französischen Küchenhelfer dachte, die sie in den letzten paar Wochen hatten hinnehmen müssen. Vielleicht lag es am Klima, vielleicht vertrugen sie das Wasser nicht, - das Ergebnis war dasselbe: zu wenig Leute an zu wichtigen Stellen. Die französischen Adeligen waren dazu übergegangen, neue zu "rekrutieren" aus der unmittelbaren Umgebung, um ihre Ungemach so gering wie möglich zu halten. "Aha", brummte Kronos nur und begab sich ohne weiteren Kommentar zum Comte D'Aguile, seinem Lehnsherrn, während Duprès sich Gedanken darüber machte, wie er seine besten Vorräte am geschicktesten vor den Neuen verstecken konnte, traute er ihnen doch nicht eine Elle weit über den Weg!
"Findet Ihr nicht auch, daß es schon ziemlich lange still um die Rebellen geworden ist, Turok? Glaubt Ihr, sie haben es aufgegeben?" Kronos zog sich einen Stuhl heran und setzte sich D'Aguile gegenüber. "Nein, edler Herr, das denke ich nicht. Ich befürchte eher, daß dies die unheilvolle Ruhe vor dem Sturm ist." D'Aguile lachte amüsiert auf. "Was Ihr immer so denkt, Turok! Nehmt es doch einfach als ein Geschenk Gottes an und zerbrecht Euch nicht den Kopf! Glaubt mir, sie haben es aufgegeben....... Ich habe gesehen, daß Ihr Euch eine ... na, sagen wir mal, Gefährtin zugelegt habt. Entspricht sie Euren Vorstellungen?" Der Berater lächelte sparsam. "Ich bin sehr zufrieden mit ihr. Gefällt sie Euch?" Er kannte die Antwort schon, doch das hielt ihn nicht davon ab, seinem "Herrn" doch dieses Angebot zu machen. Wie erwartet winkte D'Aguile ab. "Danke, ich bevorzuge Frischfleisch und nichts, was jemand schon vor mir genossen hat." Kronos grinste kalt. "Natürlich, Herr. Aber das Angebot steht." Nachdenklich schritt der Franzose auf und ab. "Ihr habt einen sehr vertrauten Umgang. Wer ist sie?" Statt einer Antwort stand Kronos auf und rief im Eingang des Zeltes stehend nach seinem Knappen. "Bring Alana zu mir!" Der Knabe nickte und verschwand eilig. Innerhalb kürzester Zeit stand das Mädchen im Eingang. "Ihr habt mich gerufen, Herr?" "Du kennst unseren edlen, großmütigen Herrn, den Comte Leonard D'Aguile?" Mit der Hand wies Kronos auf den Mann, der in einer dämmerigen Ecke stand und die Kleine eingehend betrachtete. Nun wandte sie dem Adeligen ihr Gesicht zu und verneigte sich demütig vor ihm. "Gebieter." Er winkte sie heran, während Kronos sich im Hintergrund hielt und die Szenerie still beobachtete. "Wie ist dein Name, Mädchen?" verlangte D'Aguile herrisch zu wissen. "Alana, edler Herr." "Wo sind deine Eltern? Deine Familie? Was tun sie?" "Herr, wir sind einfache Bauern, die versuchen, ihr Land zu bewirtschaften." "Bauern? Wo?" Das Kreuzverhör von D'Aguile wurde langsam lächerlich und Kronos mußte sich ein Grinsen verbeißen. Wie dumm war der Franzose doch! Glaubte er tatsächlich, er könnte so Verräter unter den Menschen ausmachen, die den Pilgern folgten? Selbst der dümmste Bauer wüßte diese Fragen passend zu beantworten! "Südlich aus der Stadt hinaus liegt unser Land", antwortete Alana artig auf D'Aguiles Frage. "So, so.... Turok, habt Ihr mit ihren Eltern gesprochen?" Überrascht hoben sich die Augenbrauen des Mannes, der sich Berater nennen durfte. "Reden? Wozu?" fragte er verwundert. D'Aguile schnaufte verächtlich auf. "Um sie vom Schicksal ihrer Tochter zu unterrichten, natürlich! Wo sie sich aufhält! Vielleicht sind sie ja auf die Hilfe ihrer Tochter angewiesen? Nehmt sie und findet das heraus!" Damit waren die beiden entlassen und sie verließen nebeneinander das Zelt. Schweigend schritt Alana hinter Kronos her. Der ärgerte sich im Stillen über die übertriebenen Sitten der Franzosen. Was sollte das? Ihre Eltern unterrichten? Die sollten froh sein - und waren es gewiß auch! -, daß sie ein Maul weniger zu stopfen hatten! Wütend stapfte er weiter. Bei seinem Zelt rief er seinen Knappen und trug ihm auf, Alanas Eltern aufzusuchen und sie davon zu unterrichten, daß sich ihre Tochter in guter Obhut im Lager der Kreuzfahrer befand. Markus ließ sich den Weg erklären und lief dann eilig fort. Wortlos gebot der Berater dem Mädchen Eintritt und auch, als sie wartend in der Mitte des geräumigen Zeltes stand, schwieg er verbissen. Er schluckte an seinem Ärger, das konnte sie sehen, und hielt es deshalb für besser, wenn sie erst Mal nichts sagte. Aufgebracht schritt er auf und ab, bis er endlich hinter ihr stehen blieb und seine Arme um sie legte. "Hast du gedacht, ich würde dich zu deinen Leuten zurückschicken?" Der muskulöse Ring um ihre Mitte wurde enger. "Schlag dir das aus dem Kopf! Du bleibst so lange hier, wie ich es wünsche! So lange, bis ich der Meinung bin, daß du deine Schuld bezahlt hast." "Herr?" "WAS???" Sie versuchte, sich zu ihm umzudrehen, bis er sie freigab und sie es frei tun konnte. "Ich..." Sie blickte auf ihre Fußspitzen und eine blutrote Welle schlug ihr ins Gesicht. Er verstand! Sie hatte gar nicht erwartet, daß er sie gehen ließ. - Sie wollte es scheinbar auch gar nicht! Ein Lächeln zuckte um seinen Mund, dann hob er ihr Kinn und sah sie ernst an. "Kind, was ist dir? Hast du dich etwa verliebt in mich?" Sie schluckte trocken. Sein Lächeln vertiefte sich und ein winziger Funke glomm in seinen Augen. "Du hast doch gar keine Ahnung, worauf du dich da einläßt, Mädchen!" flüsterte er heiser. Groß sah sie ihn an, in ihren Augen konnte er sein Spiegelbild erkennen: ein großer, dunkler Krieger, der vor Kraft und Macht strotzte. - Und sich in diesen Augen verlor.... "Herr, ist es falsch, wenn ich meine Schuld bei Euch begleiche und Euch deshalb bitte, mich Euch dienen zu lassen?" Seine Hand strich weiter, an ihrer Wange entlang, am Ohr vorbei und blieb im Nacken liegen. "Nein, gewiß nicht."....
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